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Schwerwiegendes, Gewichtiges, Unwichtiges, Ernst und Spaß, für jeden was von Rudi Czerwenka
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
01.11.2015
ISBN:
978-3-95655-559-6 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 114 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Satire, Belletristik/Humorvoll, Belletristik/Kurzgeschichten
Belletristik: Humor, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories, Zweite Hälfte 20. Jahrhundert (1950 bis 1999 n. Chr.)
DDR, 20. Jahrhundert, Liebe, Politik, Lehrer, Humor, Satire, Lyrik, Nachkriegszeit, Kurzgeschichten
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Die Idee für die Geschichte keimte in meinem Hirn nach einer der ersten Frostnächte. Ich war auf dem Heimweg und traf dabei zufällig auf meinen Skatbruder Gustav. Ich lobte meinen im eigenen Garten hochgezogenen und nun geernteten Weißkohlkopf, Gustav seine im Großmarkt erworbenen Erdbeeren.

Während wir nebenbei eifrig über das bevorstehende Skatturnier debattierten, geschah es.

Gleichzeitig kamen wir auf dem schrägen Hang ins Rutschen und landeten auf den Hosenböden.

Mein Kohlkopf rollte unbeschadet voraus und blieb schließlich liegen.

Gustavs Erdbeeren kullerten davon und waren anschließend nicht mehr zu verwenden.

Mein Weißkohl aus ökologischem Anbau hatte die hochgestylte Importware aus dem Supermarkt aus dem Rennen geschlagen!

Das war doch was!

Ich schrieb die Geschichte auf und marschierte zur Redaktion. Der Zeitungsmann lachte kurz auf. Dann wurde er zunehmend ernst.

„Du schreibst, dass wir Kohl produzieren.“

„Aber es war doch Kohl.“

„Kohl ist für die meisten Menschen ein Symbol, auch als Kohlkopf.“

„Ach so.“ Ich begriff. „Aber der Mann ist doch längst im Ruhestand.“

„Trotzdem. Nimm anderes Gemüse! Und unterlass außerdem versteckte Anspielungen auf die Großmarktketten! Die schalten bei uns schließlich ihre Inserate.“

Hinter dem häuslichen Schreibtisch überfiel mich später die Einsicht. Der Redakteur hatte ja recht. Kohl war zu zweideutig, jedenfalls dieser hier aus meinem Garten. Ich werde Radieschen nehmen, allein schon wegen der rosaroten Färbung. Doch die wechselte auf Weiß, wenn man hineinbiss.

Der Zeitungsmann würde mich davonjagen mit meinen Radieschen. Doch, wie wär’s mit Tomaten? Das war eine Delikatesse.

Mit dennoch leichtem Unwohlsein und meinem neuen Text betrat ich das Zeitungshaus. Der Journalist sagte zunächst gar nichts. „Hast du unser Blatt gelesen, heute und gestern?“, murmelte er fast geheimnisvoll. „Alles mit Dioxin verseucht, oder wie das Zeug heißt. Vor dem Kauf von Tomaten wird dringend gewarnt.“

„Also abgelehnt“, sagte ich und wollte meinen Text vom Redaktionstisch in den Papierkorb befördern.

„Wir lehnen nichts ab“, fuhr der Zeitungsmann dazwischen. „Im Gegenteil, wir beraten und helfen höchstens ein bisschen. Deshalb werden wir deine Geschichte so verfremden, dass sich kein Mensch direkt angegriffen fühlt und trotzdem jeder den realen Kern versteht.“

„Wie das?“

„Ganz einfach. Erst einmal bleiben jegliche Namen weg, wie der deines Gustavs. Höchstens das abgekürzte G. und dahinter in Klammern das Alter. Sodann die Benennung der Jahreszeiten, damit wir keinen Konflikt mit dem Winterdienst heraufbeschwören. Und dein Gemüse wird gestrichen.“

„Wegen des Dioxins?“

„Nein, weil es grün, also politisch ist.“

„Aber Paprika hat alle Farben.“

„Bis auf schwarz. Also raus damit! Wir bleiben lediglich im Rahmen unserer Gesellschaft, unserer Leser, der Menschen. Verstehst du? Nehmen wir z. B. das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Lassen wir doch einfach die Frau ausrutschen!“

„Und wo bleibt dann die Gleichberechtigung? Außerdem schreibe ich keine Pornografie.“

Es dauerte. Wir tranken zwei Tassen Kaffee, teilten uns eine Flasche Wasser und rauchten drei Zigaretten, weil die Schachtel anschließend leer war.

Zu Hause verarbeitete ich das Diskussionsmaterial. Dann setzte ich mich an die Schreibmaschine.

In der neuen Fassung meiner Geschichte spazierten nun ein Opa und sein Enkel, ohne Namensnennung und Altersangaben, einen ziemlich steilen Hang hinunter. Der Opa, vorsichtig Fuß vor Fuß setzend, warnte den Knaben, er werde bei seiner ständigen Hopserei und Achtlosigkeit sehr schnell auf dem Podex sitzen. Sprach’s, tat noch einige Schritte und saß selbst.

Der Redakteur las meinen Text sehr aufmerksam und sagte: „So geht das nicht.“

Meine Geduld war erschöpft. „Aber erkennst du denn nicht den Symbolgehalt? Die Jugend, schwungvoll, mutig und risikobereit, nimmt jede Hürde. Wir Älteren dagegen zaudern, wägen ab, durchdenken alles, tasten uns schließlich vorsichtig voran und landen trotzdem auf dem Bauch oder auf der Kehrseite.“

„In deiner Geschichte steckt ein grundsätzlicher Fehler“, sagte der Redakteur und zermalmte seine Kippe im Aschenbecher.

„Aber ich habe doch alles so geschrieben, wie von dir empfohlen, die Zahlen und Namen und die Farben und das Gemüse weggelassen und mich nur auf die Menschen, auf unsere Bürger, das Volk konzentriert.“

„Eben.“

„Und?“

Der presseerfahrene Journalist hustete und holte tief Luft. „Der Weg der Menschen in dieser Geschichte, deiner beiden Protagonisten, ob vom Opa oder vom Enkel, ob sie stolpern oder nicht, führt bei dir bergab!“

 

Schwerwiegendes, Gewichtiges, Unwichtiges, Ernst und Spaß, für jeden was von Rudi Czerwenka: TextAuszug