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Liebengrün. Ein Schutzengel sagt aus - Autobiografie von Gerhard Branstner
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Preis E-Book:
8.99 €
Veröffentl.:
20.10.2016
ISBN:
978-3-95655-729-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 252 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Biografisch, Belletristik/Politik, Biografie & Autobiografie / Politisch, Belletristik/Humorvoll
Autobiografien: historisch, politisch, militärisch, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Humor
Autobiografie, Theater, Humor, Philosophie, DDR, PDS, Faschismus, Familienbeziehungen, 20. Jahrhundert, Familie, Brecht, Schule, Sozialismus, Kommunismus
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Nun noch der Gipfel: Ich war nicht nur der Hübscheste und der Klügste, sondern auch noch der Stärkste. Jedenfalls im Ringkampf. An anderem konnten wir uns ja nicht messen. Zwei der Eigenschaften bei einem Kind sind schon sehr selten, wenn nicht ganz und gar ungewöhnlich, alle drei zusammen sind absolut einmalig. Aber nun lies den Beweis. Obwohl die Jungens wussten, dass sie gegen mich verlieren würden, wollten sie doch lieber mit mir ringen, weil keiner sie so sanft aufs Kreuz legte wie ich. Aber eines Tages wurde ihnen das doch zu dumm, und fünfe taten sich zusammen und forderten mich auf, gegen sie anzutreten. Wir hatten nahe unserem Haus eine Wegkreuzung, in deren Mitte sich ein dreieckiger rasenbewachsener Platz befand, die sogenannte Dreieckswiese. Seitenlänge etwa fünf Meter. Abmachung war, wer zu Boden ging (auf die Knie genügt) oder von der Wiese musste, scheidet aus. Ich sagte, dass sie keine Chance hätten und bot ihnen an, die Hände nicht aus der Hosentasche zu nehmen. Der Kampf begann. Ein Wirbelsturm wäre ein lauer Hauch gegen mich gewesen und ein Kugelblitz eine lahme Ente. Ich weiß bis heute nicht, was da mit mir vorgegangen ist, denn alle fünf waren in wenigen Sekunden außer Gefecht.

Ein Nachbar, der Straußenschuster, der aus dem Fenster geguckt hatte, konnte es auch nicht begreifen, obwohl er geübter Ringer war. Er lobte mich überschwänglich und schüttelte einmal übers andere den Kopf. Ein späterer Kampf und mein Handballspiel geben einige Erklärung.

Nur kurz zu zwei Lehrern, die einen Narren an mir gefressen hatten. Der eine, er hieß Nestmann, wollte mich als Adoptivsohn haben, obwohl er selber zwei Söhne hatte, und sprach tatsächlich mit meiner Mutter darüber, die ihm natürlich einen Korb gab. Er wusste, dass ich armer Leute Kind war und wollte mir vermutlich eine besondere Bildung ermöglichen. Er war selber ein gebildeter Mann und spielte schön Klavier. Da er im Eckhaus bei Wagners wohnte und ich über die Bergstraße auf meinem Nachhauseweg dort vorbeiging, konnte ich ihn hören und blieb ein Weilchen stehen. Er blieb nur kurze Zeit in Blankenhain. Der andere Lehrer, namens Xylander, malte in Öl, wollte ein Porträt von mir machen und lud mich zur Sitzung ein. Ich ging nicht hin, ich weiß nicht, warum. Er war zwar Nazi, aber das war nicht der Grund, denn er wurde als sehr guter Lehrer von uns allen geachtet.

Noch ein Ding mit der Ringerei. Mein Bruder war vier Klassen höher, und da er auf der rechten Wange ein großes Muttermal hatte, wurde er oft gehänselt und gestupst. Es war auf dem Sportplatz während eines Fußballspiels. Hinter dem hinteren Tor erhob sich ein Hang, der oben eine gut fünf Meter breite ebene Rasenfläche hatte. Da tummelten sich die Zuschauer. Hinten war ein steiler Abhang, der mit Brombeeren, Hagebutten und anderen dornigen Sträuchern bewachsen war. Ich beobachtete das Spiel, auf einmal standen drei Jungens aus der Klasse meines Bruders vor mir. Der eine war der dickste, er hieß auch nur der dicke Funk, die anderen beiden waren wohl die größten Kerle der Klasse. Man muss wissen, dass ich einer der kleinsten in meiner Klasse war. Die drei müssen Vollidioten gewesen sein, denn sie forderten mich zum Kampf heraus, wahrscheinlich in der Erwartung, dass ich kneifen würde. Nicht David gegen Goliath, sondern David gegen drei Goliathe. Als ich den Kampf annahm, hielten sie mich wohl für einen Vollidioten. Wie ging ich vor? Indem ich an den Rand des Abgrunds zurückwich und, als der dicke Funk mit vorgebeugtem Oberkörper wie ein Nashorn auf mich zustürzte, zur Seite wich, aber das rechte Bein stehen ließ. Die Schmerzensschreie, als Funk den Abhang hinunterkugelte, klangen schöner als die schönste Musik. Der zweite war gewarnt und ging langsam auf mich los. Ich wich noch einen Schritt zurück, und als er mich packen wollte, war ich ihm zwischen die Beine geschlüpft, sodass er das Übergewicht bekam. Ich hielt die Beine fest. Jedermann weiß, dass man ins Taumeln gerät, wenn man die Füße nicht rühren kann. Ich half nach, indem ich den Kopf weiter durchsteckte und mit dem Hinterkopf gegen sein Gesäß drückte. Da konnte er nicht anders als seinem Vorgänger Gesellschaft zu leisten. Nun also der dritte. Ich hüpfte um ihn herum, bis ich hinter ihn kam, sprang ihm ins Kreuz, legte ihm den rechten Unterarm um den Hals, fasste mit der linken Hand die rechte und presst ihm mit voller Kraft den Kehlkopf, bis er die Besinnung verlor, taumelte und zu Boden ging.

Wenn mein Bruder später wieder mal bedrängt wurde, drohte er nur: „Ich sag’s meinem kleinen Bruder.“ Und man ließ von ihm ab.

 

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