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Petermännchens Vor- und Familiengeschichte
Vom Königreich ins Franziskanerkloster
Zunächst ein kleiner Exkurs zu unserer Forschungsmethode. Der Mecklenburger Heinrich Schliemann (1822 bis 1890) fängt in seinem fünften Lebensjahrzehnt ein neues Leben an, er wird Archäologe, und dazu einer der berühmtesten. Er liefert wesentliche Bausteine zur Entdeckung Trojas, mit dem wiederum Homers llias" verbunden ist, eines der bedeutendsten literarischen Werke der europäischen Kulturgeschichte.
Der Trojanische Krieg war ca. 1200 vor der Zeitrechnung. Homer schrieb sein Epos mit den Sagen über diesen Krieg ca. 400 Jahre später. Es ist die Geschichte von dem trojanischen Prinzen Paris und den Göttinnen Athene, Hera und Aphrodite, vom Raub der schönen Helena und dem dadurch veranlassten Krieg der griechischen Könige Menalaos, Odysseus und Agamemnon mit ihrer Heldenschar gegen Troja. Und die Götter der Griechen und Trojaner kämpfen kräftig mit.
Wie geht Schliemann nun vor, um Troja zu finden, von denen einige Forscher sogar meinten, es existierte gar nicht? Schliemann forscht in den Sagen, in der künstlerisch gestalteten Sagenwelt der Götter, Halbgötter und der irdischen Helden, nach Spuren für die wirklichen Ereignisse. Er entdeckt geographische und lokale Angaben, geht ihnen nach und findet schließlich jenen Hügel, auf dem Troja lag. Die Sagendichtung Homers ist ihm Kompass bei seinen Erkundungen mit dem Spaten.
Diese Methode möchten wir auch beim Petermännchen anwenden. In den Sagen sollten Spuren jener Wirklichkeit zu finden sein, die Anlass der Sagen wurde. Und da finden wir: Es gibt eine ganze Reihe von Überlieferungen, die sich ganz und gar nicht mit dem Auftreten eines Zwergs im 18. Jahrhundert erklären lässt. Sie weisen auf Geschehnisse in viel früheren Zeiten. Zudem besitzen sie unterschiedliche, ja gegensätzliche soziale Inhalte. In einigen Sagen agiert der Schlossgeist als Beschützer der mecklenburgischen Herrscher, in anderen gehen mit seiner Erlösung Fürstenhaus samt Schloss in Blut und Wasser unter. Und sie stehen mit ihrer Erklärung der Herkunft des Schlossgeistes ganz und gar im Gegensatz zu den Berichten aus dem 18. Jahrhundert.
Ob es bereits vor den Ereignissen mit dem kleinen Mängen Sagen um einen Schlossgeist gab, lässt sich zwar nicht sicher ermitteln. Der im 18. Jahrhundert vorgenommene bildliche Rückgriff auf das o. g. Rundbild und somit auf eine Gestalt des Dreißigjährigen Krieges ist aber ein Indiz dafür, dass Sagen über den Schlossgeist schon seit längerem kursierten. Warum sonst wählte man gerade diese ältere Darstellung und nicht die Beschreibung der Gestalt durch die Witwe Gardemin?!
Es gibt zudem die Sage von der Vertreibung Wallensteins aus dem Schweriner Schloss und die Überlieferung des Schweriner Konditors Sattler, Petermännchen sei ein verstoßener Sohn dieses Feldherrn. Beide könnten durchaus ein Beleg für ein höheres Alter der Sagenfigur sein. Das Gegenargument, sie wären erst im Nachhinein entstanden, ist zwar nicht von der Hand zu weisen, mit dieser Methode kann man allerdings viele Überlegungen auf ganz einfache Art vom Tisch wischen; im Bereich der Sagenforschung haben wir es ja zumeist mit zeitlich nicht leicht fest zu machenden mündlichen Überlieferungen zu tun.
Ob die folgende Überlieferung vom historischen Stoff her mit dem 30-jähriger Krieg (1618 - 1648), einem sogenannten Religionskrieg, zusammen hängt oder mit der von Luther 1517 eingeleiteten Reformation, ist völlig unbestimmt: Petermännchen hett einen Preester inmuern laten in dat Muerwerk in dat oll Sloss Swerin wägen den Globen. De Preester hett nich den Globen annehmen wullt. De hett em verwünscht vor sinen Doot" (Petermännchen hat einen Priester einmauern lassen im Mauerwerk der alten Schlosses Schwerin, wegen des Glaubens. Der Priester hat nicht den Glauben annehmen wollen. Der hat ihn verwünscht vor seinem Tode). Der genannte Zusammenhang ist lediglich denkbar, weil es solches Verhalten von Landesherren seinerzeit eben gab. Wie sonst sollen die Gewährsleute Wossidlos auf solch ein Sagenmotiv gekommen sein. Solche gewissermaßen zwingenden Vermutungen sind in der Sagenforschung unvermeidlich.
Wie soll man die folgenden Überlieferungen deuten: Petermännchen de richtige Thronerbe was, de is bedragen worden um sein Erbe, ist verwünscht." (Petermännchen ist der richtige Thronerbe gewesen, der ist betrogen worden um sein Erbe, ist verwünscht.)
Auf die Frage, wer Petermännchen verwünschte, erhielt Wossidlo zur Antwort: Dat sünd wol drei wäst, wie ik hürt heff; he is de Ollste wäst, em is da bikamen, den Thron to kriegen. Öwer de annern beiden hebben em verwünscht. He is so lütt wäst, dorüm heit he jo Petermännchen. De annern beiden hebben em trügstöten wullt." (Das sind wohl drei gewesen, wie ich gehört habe: er ist der Älteste gewesen, ihm ist es zugekommen, den Thron zu kriegen. Aber die anderen beiden haben ihn verwünscht. Er ist so klein gewesen, darum heißt er ja Petermännchen. Die anderen beiden haben ihn zurückstoßen wollen). Es ist sehr wohl möglich, dass dies alles ein Reflex der vielen Streitigkeiten bei der Thronfolge in der Herrscherfamilie war. Das Erstgeburtsrecht wurde sehr spät durchgesetzt (1701). Aber sicher ist da nichts -das Einzige ist: Die Überlieferungen werden nicht ohne Grund entstanden sein.
Nun gibt es auch Sagen bzw. Berichte, die zeitlich noch weiter zurückführen und auf einen ganz anderen geschichtlichen Hintergrund deuten. Nehmen wir also den Faden wieder auf, den wir bei Johann Friedrich Löwens Deutung vorerst aus der Hand gelegt hatten. Bei ihm erschien der Schlossgeist als Geist Niklots, des letzten freien Obotritenfürsten und Ahnherrn des mecklenburgischen Fürstengeschlechts. War das eine Erfindung Löwens, oder existierte diese Sicht schon länger?