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Das Schloss an der Nebel. Historische Erzählungen über das Güstrower Schloss von Brigitte Birnbaum
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Preis E-Book:
4.99 €
Veröffentl.:
08.06.2012
ISBN:
978-3-86394-075-1 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 77 Seiten
Kategorien:
Kinder-und Jugendbuch/Biografisch/Europäisch, Kinder-und Jugendbuch/Geschichte/Europa, Kinder-und Jugendbuch/Kurzgeschichten, Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Obdachlosigkeit und Armut, Kinder-und Jugendbuch/Familie/Eltern, Kinder-und Jugendbuch/Familie/Geschwister
Kinder/Jugendliche: Biografische Romane, Kinder/Jugendliche: Familienromane, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen: Familie, Kinder/Jugendliche: Historische Romane, Kinder/Jugendliche: Kurzgeschichten, Kinder/Jugendliche: Soziale Themen, Mecklenburg-Vorpommern
Güstrow, Güstrower Schloss, Wallenstein, Armenhaus, Herzog Ulrich zu Mecklenburg, Christoph Parr, Herzog Johann Albrecht II. zu Mecklenburg, Anckermann
9 - 99 Jahre
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„Seid ihr gehorsam, dürft ihr am Sonntag eure Eltern sehen. Wenn nicht", er beugt sich zu Maria hinab, „Widerspenstige landen nach einer Tracht Prügel im Turm. Ohne Brot. Bei Wasser. Habt ihr mich verstanden?"

Vor Schreck kneift Maria die Augen zu. Sie will diesen grässlichen Soldaten nicht sehen und diese Kammer nicht, in die er sie stößt.

Geräuschvoll zieht Bastian erneut die Nase hoch. Am liebsten würde er dem Kerl vor die Füße spucken. Es würde sich lohnen. Aber bessern würde es für ihn nichts. „Habt ihr mich verstanden?"

Bastian sieht den Frager an. „Warum dürfen wir nicht bei Vadding und Mudding schlafen? Zu Hause schliefen wir immer alle in einem Bett."

„Das könnte euch passen! Hier herrscht Ordnung!" Und von der Frau in schwarzen Witwenkleidern verlangt er, ständig ein Auge auf dem Bengel zu haben. „Er hat so was Aufrührerisches im Blick."

Die Wärterin verspricht, auf den Neuen besonders aufzupassen. Beim Schein einer Laterne weist sie Bastian einen Platz neben den schon im Stroh auf den Dielen liegenden Jungen an und Maria eine freie Stelle nahe der Tür. Jedem teilt sie eine Decke zu und fordert Ruhe. Auch Flüstern ist bei Strafe verboten.

Lautlos weint Maria. Wo mögen Vadding und Mudding sein? Warum muss sie hier liegen und der Bruder auf der anderen Seite? Maria friert. Die Decke ist dünn und feucht, und von der Tür her zieht es. Zu allem Unglück bemerkt sie, dass einer ihrer unteren Zähne wackelt. Am liebsten möchte sie sterben.

Bastian hebt den Kopf. Ein paar Zentimeter nur. Aber er hebt ihn. Um nach der kleinen Schwester zu sehen. Er fühlt, sie weint. Wenn die Wärterin auf ihrem Wachposten schläft, wird er zu Maria kriechen, sie trösten und wärmen. Bastian ist vor der Wärterin eingeschlafen. Barsch weckt sie am anderen Morgen die Kinder, noch bevor es richtig hell ist. Jedes erhält einen Napf warme Suppe, und dann führt sie die Mädchen und Jungen, mit Maria und Bastian sind es neun zerlumpte Knirpse, über dunkle Treppen und Gänge weiter hinauf in einen großen Raum, wo sie ein Aufseher in Empfang nimmt. Vom Hof dringen Stimmen hinauf. Maria horcht nach Vadding und Mudding, wagt aber nicht, dicht an den Fenstern vorbei zu gehen oder gar hinab zu sehen. Ihr wird schwindelig. So hoch stand sie noch nie über der Erde.

Bastian schaut sich neugierig um, betrachtet die Reste früheren Glanzes, die ausgeblichenen runden und viereckigen Umrisse von Spiegeln und Gemälden auf den rußgeschwärzten Tapeten. Der Fußboden ist aus glatten, schmalen Brettchen zusammengefügt. Bastian zögert, ihn zu betreten. Sicher die gute Stube vom Herzog, denkt er, warum der wohl wegzog.

Hier müssen die Kinder Wolle zupfen. Stumm, mit gesenktem Blick, ohne sich offen miteinander zu verständigen, mühen sie sich. Hinter ihren Rücken schreitet der Aufseher auf und ab, einen Stock in der Hand. Der Mann wirkt gar nicht böse. Er lächelt sogar freundlich. Um so mehr erschreckt Maria, als der Junge neben Bastian mit einem Schlag auf die Schulter vermahnt wird: „Dös nich!" Maria schwitzt vor Anstrengung. Fusseln bleiben an ihren feuchten Fingern kleben. Sie muss niesen. Der Aufseher verharrt hinter ihr. Wenn er doch bloß weiterginge! Um sich Mut zu machen, fängt sie leise an zu singen, ein Lied, mit dem Mudding sie manchmal getröstet hatte: „Heile, heile Säägen, dree Dag' Räägen, dree Dag' Sünnenschien, morgen ward't bäter sien..."

„Hier wird nicht gesungen!", schreit der Aufseher, stürzt sich auf die Kleine und verprügelt sie grausam. Bastian fällt ihm in den Arm, wird zur Seite geschleudert und bekommt anschließend seinen Teil. „Ein für alle Mal! In diesem Hause wird gearbeitet und nicht gesungen! Verstanden? Gearbeitet!" Jedes Wort ein Stockhieb. Es macht ihm Spaß, den Kindern weh zu tun, sie zu quälen. Er ist der Stärkere.

Die übrigen Kinder reagieren nicht. Sie starren vor sich hin und bewegen emsig die Finger. Erst während der Mittagspause flüstert der neben Bastian Sitzende: „Dämlack! Was mischt du dich ein!"

„Se is min Schwesting."

„Wenn schon. Nu darfste sonntags nich Vadder und Mudder sehen."

 

Das Schloss an der Nebel. Historische Erzählungen über das Güstrower Schloss von Brigitte Birnbaum: TextAuszug