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Die Maler aus der Ostbahnstraße. Aus dem Leben von Hans und Lea Grundig von Brigitte Birnbaum
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
12.11.2013
ISBN:
978-3-86394-435-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 234 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Biografisch, Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert, Belletristik/Kulturerbe, Belletristik/Politik, Kinder-und Jugendbuch/Biografisch/Europäisch, Kinder-und Jugendbuch/Kunst und Architektur, Kinder-und Jugendbuch/Politik und Regierung
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Kinder/Jugendliche: Biografische Romane, Kinder/Jugendliche: Historische Romane, Biografischer Roman, Liebesromane, 20. Jahrhundert (1900 bis 1999 n. Chr.), Deutschland
Hans Grundig, Lea Grundig, Dresden, Maler, Ludwig Renn, Faschismus, Schweiz
12 - 99 Jahre
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Für Hans und Lea wurde alles noch schlimmer. Schriftlich wurde der Volksgenosse Grundig zur maßgebenden Stelle befohlen. Um zehn Uhr vormittags hatte er sich zwecks Klärung einer Angelegenheit einzufinden. Sie rätselten herum. Vage hoffte Lea, ihm würde erlaubt, zu arbeiten.

„Das wäre eine andere Abteilung“, erinnerte sich Hans. Er putzte die Schuhe auf Hochglanz, kämmte sich sorgfältig, um einen guten Eindruck zu machen.

Lea wollte ihn begleiten. Er redete es ihr aus.

Hans Grundig hatte recht. Es war eine andere Abteilung. Der Beamte in Zivil, ein gepflegter Mittvierziger, bot ihm höflich vor seinem Schreibtisch einen Stuhl an. Ließ sich die schriftliche Einladung, wie er die Aufforderung nannte, zeigen und legte sie, nachdem er einen flüchtigen Blick darauf geworfen hatte, zu anderen Papieren. Hans betrachtete die sortierende Rechte des Mannes und dachte: Er hat schöne Hände.

Diese wohlgeformte Rechte schob ihm ein Formular zu. „Um es Ihnen zu erleichtern, habe ich alles für Sie ausgefüllt. Bitte! Sie brauchen nur zu unterschreiben.“

Fragend blickte Hans ihn an, dann das Formular, auf dem er in gotischen Buchstaben die Scheidung von seiner jüdischen Ehefrau Lea Grundig, geb. Langer, beantragte.

„Mein Herr!“, fuhr Hans hoch. Er fühlte, wie sein Blut in den Schläfen pochte. „Ich bin ein deutscher Mann ...“

„Deshalb wird es höchste Zeit, sich von der Rassenschande zu reinigen und wieder vollwertiges Mitglied unserer Volksgemeinschaft zu werden“, sagte der Beamte leise und ohne Schärfe.

„... Und als deutscher Mann gab ich einer Frau mein Wort, und das gilt, bis dass der Tod uns scheide!“ Grundig stand auf und ging.

„Das wird Folgen für Sie haben.“ Jetzt sprach der Beamte ein wenig lauter.

Hinter der nächsten Hausecke holte Lea Hans ein. Sie war ihm gefolgt. Allein hatte sie es zu Hause nicht ausgehalten. Er war froh, dass sie da war, fragte sich nicht einmal wieso. Sie nahmen sich bei den Händen, wie Kinder, die sich fürchten. Dass es sich nicht um die Arbeitsgenehmigung gehandelt hatte, erriet sie unschwer. Schweigend gingen sie Seite an Seite, trieben weiter und weiter ab, nach einem stillen Winkelchen suchend, bis sie zu einem alten Friedhof kamen. Zwischen eingesunkenen Gräbern, abgekippten Kreuzen und ungestutzt wuchernden Rosen fanden sie eine verwitterte Bank. Ihre Rückenlehne hing herunter, doch das Sitzbrett trug die beiden noch, leicht und mager wie sie waren. Flüsternd, als fürchte er, sogar das Rotkehlchen in der Hecke belausche ihn in böser Absicht, erzählte er von dem gemeinen Ansinnen. Während er Lea ansah, entdeckte er, dass sie in den Augenwinkeln Falten bekam. Durch meine Schuld, dachte er und schämte sich, als ich sie heiratete, hatte sie kein einziges Fältchen. Ich hab mein Schwarzes schlecht gehütet.

„Scheidung?“, sagte Lea, umklammerte mit den Armen ihr rechtes Knie und wiegte sich leicht auf und ab, „Scheidung, wie die sich das vorstellen, Witsch. Wir zwei haben doch nur ein Herz, das uns am Leben erhält.“

So unzertrennlich sie sich fühlten, die Unruhe blieb. Und die Gefahr wirkte. Hans hatte nun mal keine Nerven wie Stricke. Lea ängstigte sich um ihn, und sie litt darunter, jeder Willkür ausgesetzt zu sein. Wie gewöhnlich schlug ihre Verzweiflung in Arbeitswut um. Damit wollte sie ihn anstecken. Dass er aufhörte zu grübeln, warum sich die Menschen so gleichgültig gegeneinander verhielten. Warum sie zum Beispiel diesem Lumpen Hitler er laubten, ihn, Grundig, zwingen zu wollen, seine Frau zu verteufeln, die er über alles liebte. Jener Beamte, dieser miese Helfershelfer, war doch selbst verheiratet. Ganze Tage verbrachte Hans, ohne sich zu rühren, in diesen Gedanken, und sie verursachten ihm Übelkeit und Magenschmerzen. Er wird ihr noch wegsterben.

Eines Morgens, gleich nach dem Frühstück, Hans spülte die Tassen, begann Lea alles aus der Mäuseecke hinter dem Rahmengelumpe hervorzuzerren.

„Suchst du was?“ Hoffentlich nicht eine der Platten, die, in die Dresdner Neusten Nachrichten gehüllt, auf heimlichen Wegen davongetragen wurden. Solange Hans nicht wusste, ob sie gerettet waren, wollte er zu Lea darüber schweigen. Vielleicht sogar bis zu dem Tag, an dem sie wieder davon druckten.

Um seine Neugier anzustacheln, antwortete sie nicht. Sie täuschte Heiterkeit vor.

Er fragte nochmals, nun schon nähertretend: „Suchst du was?“

„Würd ich mich sonst wie eine Schlange im Staub winden? Willst du mir nicht helfen?“

Eigentlich wollte er nicht. „Ich hab da unlängst Ordnung gemacht.“

„Deshalb finde ich auch nichts!“

Er wischte seine nassen Hände wie ein Junge an der Hose ab.

„Eine Platte such ich.“ Sie wühlte weiter. „Die mit deinem Porträt.“

„Ach die!“ Er wurde lebhafter. „Die war doch man klein, höchstens zwanzig Zentimeter. Quadratisch. Du warst recht zufrieden ... hast geändert ... die lag ... lass mich mal!“

„Hier ist sie ja!“ Ganz quadratisch war sie nicht. Sie war ein wenig höher als breit.

Hans hielt sie, dass er die Gravur erkennen konnte. „Gut ist sie. Die Radierung ist eine deiner besten. Du solltest nicht ...“

„Ich will eine neue machen. Das warst du im vergangenen Juni, bevor wir zu Albert fuhren. Jetzt möchte ich das neu machen. Nur für mich. Verstehst du!“

 

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