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Haupthaarstudie und andere Arztgeschichten aus der Vor-Seehofer-Zeit von Dietmar Beetz
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
09.08.2018
ISBN:
978-3-95655-914-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 223 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Medizin
Kriegsromane, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Tod, Trauer, Verlust, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Soziales, Angola, Guinea-Bissau, Zweite Hälfte 20. Jahrhundert (1950 bis 1999 n. Chr.)
Arzt, Namibia, Guinea-Bissau, Afrika, Krieg, Atlantik, Wende, Tod, Bomben
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Reichlich zwei Wochen später, am Nachmittag des 24. September 1973, wurde die Republik Guinea-Bissau proklamiert. - Nicht im Süden des Landes, sondern im Osten, im Wald von Madina Bóe, doch nahmen an der Gründungsversammlung auch Delegierte aus befreiten Gebieten des Südens teil.

Während der Nächte vorher hatten sie die Grenze zur Republik Guinea passiert und waren gegen Cholera geimpft worden. Den meisten widerfuhr eine solche Prozedur zum ersten Mal, und entsprechend argwöhnisch verfolgten sie, wie ein hellhäutiger, bärtiger Medico oder sein einheimischer Kamerad mit einer beißenden Flüssigkeit ein Stück Haut bestrichen und eine Nadel einstachen.

Geimpft hatten Carlos und Humberto zu dieser Zeit bereits alle, die im Grenzgebiet erreichbar gewesen waren, der Arzt allein außerdem die Leute aus jenem Dorf am Weg nach Boké, und gemeinsam mit Humberto hatte Carlos in einer der Hütten des Hospitals insgesamt acht Cholerakranke behandelt, fünf mit Erfolg.

Die Epidemie schien gestoppt, eingedämmt.

Wie aus Boké zu hören gewesen war, hatte die dorthin verlegte Patientin überlebt. Das Kind hingegen, der Junge mit der Bauchwunde, war trotz Operation gestorben.

Der Bombenterror hielt an.

Carlos hatte sich inzwischen darauf eingestellt. Nachts ging er, gemeinsam oder im Wechsel mit Humberto, seiner Arbeit nach, machte, begleitet von Geleitposten, Hausbesuche, versorgte Patienten, die ins Hospital gekommen oder gebracht worden waren, kümmerte sich um die Cholerakranken, und tagsüber döste er, falls Zeit blieb, sprungbereit neben einem Splittergraben.

Er hatte sich umgestellt, ohne sich abfinden zu können.

Manchmal schreckte er aus dem Halbschlaf, Schweiß auf der Stirn.

Es war immer der gleiche Albtraum:

Ein Abend, wie es wohl bloß in den Tropen Abende gibt: am Himmel, wo die Sonne versinkt, wo über dem in der Hitze erschlafften Busch ein paar Wolken schweben - alle nur denkbaren Farben. Dazu die Stille ringsum, die Reglosigkeit, vom Brummen des Motors, einem einschläfernden, kaum mehr wahrgenommenen Geräusch, noch unterstrichen ...

Hat Carlos gedöst, Lebre seinem Groll nachgehangen, Fina geträumt?

Als der Schofför auf die Bremse tritt, schreit und rausspringt, ist die Düsenmaschine, aufgetaucht aus einem gleißenden Sonnenfleck, schon vor ihnen, tief über der Wegschneise. Carlos stößt die Tür auf, hechtet hinaus, und auch Fina kommt aus dem Jeep, der weiterrollt.

Weshalb kehrt sie jetzt um? Will sie den Impfstoff holen? Eine der Kisten?

Carlos brüllt - oder meint zu brüllen. Er hört Krachen und Dröhnen, das ihn überrollt, ihn vertäubt, sieht aufspritzendes Erdreich und einen einzelnen abgerissenen Arm, spürt Geprassel auf Kopf und Rücken ...

Lebre war unverletzt, der Jeep noch benutzbar, und die Wunde, die Carlos davongetragen hatte, verheilte rasch; die Narbe schmerzt nicht einmal mehr an einem Wintertag wie diesem, wenn der Schnee, der endlich gefallen ist, unter einem Witterungsumschwung zu Matsch wird.

Dr. B. wendet sich ab vom Fenster, an dem er gestanden hat. Er untersucht die Patientin, jene Afrikanerin mit den Symptomen einer Erkältung, drückt ihr das Stethoskop auf den Rücken, lässt sie tief ein- und ausatmen, und erst, als er die Manschette für den Blutdruckmeßapparat anlegen will, durchfährt es ihn wie ein Stich.

Jener abgerissene Arm war alles, was sich von Fina gefunden hatte.

Haupthaarstudie und andere Arztgeschichten aus der Vor-Seehofer-Zeit von Dietmar Beetz: TextAuszug