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Und dann ging alles schnell.
"Zur Feldscheune!", stieß Schmidt hervor, wobei er auf die Spuren vor dem Schuppen wies - ein Wirrwarr, aus dem eine frische Profilrinne abbog.
Die Kriminalisten hatten den Pfad, dem sie folgte, kaum erreicht, da hörten sie am anderen Ende der Baracke trockenes Knallen; Frau Ott schüttelte lautstark ihre Wäsche und hängte sie auf die Leine.
Sie hatte sich gerade ein zweites Stück vorgenommen, als vorn bei der Scheune ein Motorrad ansprang. Auf dem Sattel - ein Mann mit gelbem Schutzhelm und graugrünem Anorak; hüpfend und schlingernd steuerte er einen Ausläufer des Dorfes an.
Das Mädchen schrie etwas, "Papi!" vielleicht.
"Zurück zum Wagen!", rief Schmidt. "Wir müssen ihm den Weg abschneiden."
Als Hauboldt anfuhr, verschwand Ott gerade bei jenem Ausläufer des Dorfes. Schmidt warf die Tür zu, und Hauboldt drehte das Lenkrad bis zum Anschlag.
Sie mussten den Weg, den sie gekommen waren, zurück fahren; eine Verfolgung über den Pfad, vorbei an der Feldscheune, erschien unmöglich. Karlheinz Ott befand sich also unbestreitbar im Vorteil.
Dass es sich bei dem Motorradfahrer um Ott handelte, nicht um irgendwen sonst, und dass dieser Karlheinz Ott jener "bäurische Kerl" war, der Dr. Grotsche kurz vor dem Mord besucht hatte - daran zweifelte Hauboldt nicht mehr, und auch Schmidt war offenbar überzeugt, auf der richtigen Spur zu sein.
Er verankerte sich, als der Wartburg in die Kurve ging, mit Händen und Füßen auf dem Beifahrersitz.
Kurz vor der Friedhofsmauer warf Hauboldt einen Blick in den Rückspiegel. Frau Ott stand, noch immer das zweite Wäschestück in den Händen, reglos neben der Baracke - bei ihr das Kind.
Die Quergasse, hinab zur Dorfmitte, rechts die Straße über den Höhenrücken, links ihre Fortsetzung zum Grund hin...
"Bieg links ab!", rief Schmidt.
Hauboldt hatte nichts anderes beabsichtigt.
Schorterode wirkte wie ausgestorben. Erst kurz vor dem Ortsausgang, zwei-, dreihundert Meter hinter der Dorfmitte, bemerkte Hauboldt wieder ein Gesicht - ein Greis an einem Fenster wie eine Mumie hinter Glas.
Gleich darauf bog die Straße nach rechts ab, in einer scharfen Kurve talwärts, und halb nach links, mit einem leichten Aufstieg, führte ein breiter, schotterbefestigter Weg.
"Halt mal an!", rief Schmidt. Hauboldt hätte ohnehin gestoppt. Sie stießen die Türen auf, sprangen beide hinaus, lauschten.
Knatterte im Tal ein Motorrad? Oder hinter dem Hügel? Knatterte es überhaupt?
Stille mit fernem Lerchengetriller. Ein kühler Hauch. Der Duft von Modder und Frühjahr.
Wo der Weg von der Straße abzweigte, fanden sich ein paar Spuren zwischen dem Schotter. Da war ein schmales Band, wie es das Rad eines Handwagens hinterlässt, und daneben hatte sich vermutlich das gerippte Profil eines Motorrades in die lehmige Erde gepresst.
Hauboldt, wieder am Steuer, fuhr bedächtig, und auch Schmidt hatte es nicht mehr eilig. Ohne dass sie darüber gesprochen hatten, war beiden klar geworden, dass sie Ott nicht unbedingt einzuholen brauchten.
"Soll er ruhig ausreißen", sagte Schmidt.
"Weit kommt er nicht", beendete Hauboldt den Satz.
"Überhaupt, zu türmen und sich so nur noch verdächtiger zu machen...", fing Schmidt nach einer Weile von Neuem an.
"Und erst seine Frau, dieses Herzchen, mit ihrem gepflegten Gerede!"
"Genau. Uns einen Bären von ihren Erbschaften und dem geplanten Umzug aufbinden zu wollen..."
"Egal", schloss Hauboldt, "ihren 'Gatten' müssen und werden wir uns greifen."
Sie hatten inzwischen den Höhenrücken überquert und die Talfahrt begonnen. Der Weg lief in wenigen Kurven steil hinab und mündete, wie zu erwarten gewesen war, auf die Straße nach Bernstädt. Kurz hinter der Einmündung - jene zwei Feldscheunen, die Hauboldt schon am Vormittag bemerkt hatte, wenig später die Sägemühle...
"Ein Praktikum in Heimatkunde", spottete Hauboldt.
"Aber unser Giftmischer", erwiderte Schmidt, "ist über alle Berge."