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"Nu
sachte, sachte! Wer wird sich denn gleich aufregen?", beschwichtigt ihn
der Dicke. "Spaß verstehn ist wohl auch nicht deine starke Seite? Wer hat
denn gesagt, dass wir ihn nicht machen, deinen Wagen, he? Bis morgen hast du
ihn dicke fertig, mein Wort drauf! Weil du in Urlaub willst! Wir sind keine
Unmenschen. - Was stehst du eigentlich hier rum?", fährt er Alwin
unfreundlich an.
"Wenn ich mich darauf verlasse, bin ich verlassen. Ich fahre mit dem Zug,
basta. Und Holz gibt's nicht. Schönen Feierabend!"
Alwin hatte mit halboffenem Munde daneben gestanden und sich nicht zu melden
gewagt, nun, angesprochen, stottert er verwirrt: "Ich, ich hab eine Panne.
Ob Sie mir vielleicht mal helfen könnten, bitte?" Es ist nicht viel
Hoffnung in ihm, nach dem, was er da zu hören bekommen hat.
"Nu warte doch, ich bring ihn dir heute Abend noch rum!", ruft der
Dicke dem anderen hinterher. "Und wo steht dein Tschaika?", forscht
der jüngste spottlustig.
"Heute Abend, auf Ehrenwort! Ich leg mich eigenhändig drunter. Los, Fredi,
fahr ihn über die Grube!"
Alwin zeigt mit unbestimmter Handbewegung zum Zaun. "Da steht mein Rad,
ich hab..."
"Die Karrete dort? Bist du verkehrt am Platze, Kleiner. Wir reparieren
normalerweise nur Autos, wenn du das schon lesen kannst. Den F 8 hier, dies
Jammerding, machen wir ausnahmsweise aus persönlicher Freundschaft",
unterbricht ihn der Monteur, dann ruft er: "Helle, und sieh nach, was er
im Tank hat. Ich muss Sonntag weg!"
Alwin hat sich das gedacht, dass er fortgeschickt werden soll. "Ich muss
doch heute noch nach Magdeburg, mindestens", sagt er verzweifelt.
"Ich muss, ich muss! Ich muss heute auch noch nach Hause, fragt auch kein
Aas danach, wie ich das schaffe, jeder will nur immer was von einem! Jetzt
kommt's also schon so weit, dass uns die Schulgören ihre Jöpel aufhalsen
wollen. Mensch, lass dir erst mal die Nase putzen, troll dich zu Muttern,
kschsch, kschsch!"
Er schlenkert ein paar Mal mit der ausgezogenen Schlosserkombination zu Alwin
hin, als wolle er Hühner scheuchen.
Alwin steht starr. War er nicht höflich? Hatte er nicht "bitte"
gesagt? Muss er sich auch noch zu seinem Unglück beschimpfen lassen?
"Die Pfoten sollen Sie sich abquetschen, Sie olles Ekel!", schreit er
aufgebracht und rennt jetzt, was er kann. Er nimmt sein Rad beim Lenker und
hastet keuchend davon. Ein Schraubenschlüssel kommt ihm nachgeschwirrt und
klirrt gegen die Speichen.
"...dammter Bengel!", zackeriert es hinter ihm her. "Rotzfrech
heutzutage!"
Erst an der großen Kurve hält er verpustend inne. Er fasst sich an die Seite,
wo er Milzstiche verspürt. Er blickt sich um und ist erleichtert, dass ihn
keiner mehr verfolgt, gleichzeitig aber überkommt ihn eine große Traurigkeit.
Er beugt sich herunter und fummelt an den Speichen herum. Das schöne Rad!
Er schiebt weiter, hinkend und sehr unglücklich.
Der Ort nimmt und nimmt kein Ende. Alwin stolpert über das Pflaster mit
gesenktem Kopf. Er achtet nicht auf die Menschen vor den Häusern, er hat auch
nicht mehr den Mut, jemanden um Hilfe zu bitten. Er fühlt sich sehr abgespannt
und sehr allein, und er wäre jetzt fast froh, wenn jemand käme und ihn
zurückholte. Aber er ist jetzt nicht einmal sicher, ob der Vater überhaupt
etwas seinetwegen unternimmt. Vielleicht ist es ihm auch nur recht, dass er ihn
los ist?
Unter solchen trübsinnigen Gedanken verlässt Alwin den Ort.