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Wie Tiere des Waldes. Ein Schauspiel von Hetzjagd, Liebe und Tod einer Jugend von Friedrich Wolf
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
17.12.2024
ISBN:
978-3-68912-409-0 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 198 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Politik
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Historischer Roman, Kriegsromane
Abschiedsbrief, April 1945, Deserteur, Entscheidung, Flucht, Freiheit, Gemeinschaft, Gesellschaftskritik, Heimatfront, Hoffnungslosigkeit, Isolation, Jugend, Jugendliche Hoffnung, Konflikt, Krieg, Kriegsalltag, Kriegsschicksale, Kriegstrauma, Liebe, Menschlichkeit, Moral, Mut und Angst, Schicksal, Schuld, Soldatenschicksal, Tod, Träume, Überleben, Überlebensdrama, Vater-Tochter-Beziehung, Vater-Tochter-Konflikt, Verfolgung, Verrat, Wald, Waldversteck, Widerstand
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Straße im Vorgelände einer Großstadt. Auf einem umgestürzten Telegrafenmast sitzen in der Dämmerung eines Aprilabends 1945 die junge Hanne Krug und der Bäckerlehrling „Mucki“. Hinter ihnen offenes Feld

 

HANNE zieht ihre Jacke fester um die Schultern.

MUCKI: Der April hat’s in sich, Hanne.

HANNE atmet tief: Die Luft ist wie Sammet.

MUCKI: Grad die ist gefährlich.

HANNE lacht plötzlich.

MUCKI: Was ist da so komisch?

HANNE: Bist bange, Mucki?

MUCKI: Wie?

HANNE: „Gefährlich“, Mucki, was ist denn heut noch gefährlich? Wenn ich heimkomme und da liegt vielleicht ein Brief vom Kurt auf dem Tisch und der Vater packt mich und sagt, er erwürgt mich wie ’ne räudige Katze, und wenn ich jetzt hier auf ihn warte und die Soldaten kommen … ach, Mucki, wo alles heut gefährlich ist, ist doch schon gar nichts mehr gefährlich.

MUCKI: Und wenn er nicht kommt?

HANNE erschrocken: Was dann?

MUCKI: Glaub doch nicht an den Urlaub, Hanne …

HANNE: Er hat’s mir geschrieben!

MUCKI: Wo heut jedes Kind zum Einsatz muss …

HANNE schnell: Der Krieg ist gleich aus, schreibt er.

MUCKI: „Gleich“, na ja; hm, Spaß … an den Bäumen hängen jetzt Birnen mit zwei Beinen.

HANNE: Die machen mir noch lange nicht gruselig, deine „Birnen mit zwei Beinen“! Alles abschüttelnd, plötzlich fröhlich. Du, Mucki, im Sommer, da werde ich mit dem Kurt im Wald liegen unterm Gebüsch, die Nase an der Erde – ah, wie gut die riecht –, und mich ins Laub wuscheln wie in ein Bett …

MUCKI ebenfalls in Gedanken: Du, Hanne, weißt du eigentlich …

HANNE schaut nach vom in die Dämmerung: … Und der Krieg wird aus sein, und der Kurt wird ’ne Werkstatt auftun für Motorräder und Wagen.

MUCKI: Also auch meine Trude sagt immer: „Mucki“, sagt sie, „du musst dich selbstständig machen, hast dich lang genug am Riemen gerissen für deine Alte!“ Ich sollt die Bäckerei übernehmen, wo ich schon achtzehn bin …

HANNE träumend: Ich werd nähen für unsre Bekannten, und wenn er unten rumort, lass ich oben die Maschine laufen …

MUCKI: Mal langsam, Hanne!

HANNE lachend: Angstbüxe!

MUCKI: Was sagt denn dein Vater dazu?

HANNE ablenkend: Du, Mucki, das muss doch einmal Schluss werden mit der Schießerei, meinst du nicht?

MUCKI: Heut sind am Himmel so Vögel wie Wildenten über unser Haus gezogen; da wird’s bald Frühling.

HANNE steht plötzlich auf: Hör auf mit deinem Frühling!

MUCKI: Spaß, Hanne, was hast du bloß? Sag mal, quälst du den Kurt auch so?

HANNE: Wie?

MUCKI: Ich hab da ein Buch, da steht: die Liebe müsse einem wehtun; das sei so ’n Zustand, und die Trude meint zu mir, weil die Mutter mich im Geschäft nicht mitreden lässt: „Mucki“, sagt sie, „du bist noch ein achtzehnjähriges Flaschenkind!“ Hm, Spaß … und weil ich doch drei Finger an der Knetmaschine verloren habe, nennt sie mich ihren „Stummel“, aus Liebe, sagt sie …

HANNE nach links lauschend: Still!

MUCKI: Was ist?

HANNE: ’ne Streife!

 

Man hört genagelte Stiefel im Gleichschritt, zugleich eine Stimme: „Am Straßenrand gehen! Laden, sichern!“

 

HANNE zu Mucki: Los, hak dich ein!

MUCKI Arm in Arm mit ihr: Mir kann’s egal sein! Plötzlich in heller Angst. Aber wenn sie nach dem Kurt fragen?!

HANNE leise: Vom Kurt weißt du nichts!

 

Unteroffizier und zwei Soldaten als Streife von links.

 

UNTEROFFIZIER, gegen Mucki und Hanne: Halt! Leuchtet sie mit Taschenlampe an. Was treibt ihr euch hier herum, ihr Zigeuner? Fremdarbeiter? Blindschleichen? Ganz nahe. Oder abgehauen?

MUCKI zeigt seinen Wehrpass: Alles in bester Ordnung, Herr Unteroffizier!

UNTEROFFIZIER: „Drei Finger der rechten Hand?“ – Vorweisen!

MUCKI zeigt die Hand: Nichts zu machen, Herr Unteroffizier.

UNTEROFFIZIER: Dein Glück, Jungchen! Denn was da im Vorgelände jetzt herumkrebst, wo jeder Mann im Einsatz zu stehen hat … ’ne Affenschande! Hast du vielleicht eben einen in ’ner Uniform hier sich verkrümeln gesehn? Antwort!

MUCKI: Was für ’ne Uniform, Herr Unteroffizier?

UNTEROFFIZIER: Idiot! Gibt ihm den Wehrpass zurück. Dein Glück, Jungchen!

 

Er geht mit den Soldaten schnell nach rechts, während Hanne den Mucki, der einen Augenblick verdattert dasteht, nach links zieht.

 

Wie Tiere des Waldes. Ein Schauspiel von Hetzjagd, Liebe und Tod einer Jugend von Friedrich Wolf: TextAuszug