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Kapp-Putsch März 1920
Februar 1919 wurde ich wegen meiner Beteiligung an den Demonstrationen nach Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs Ermordung aus meiner Stellung im Militärlazarett Arnsdorf bei Dresden entlassen. Ein Jahr lang schob ich Kohldampf. Da sah ich in den Ärztlichen Mitteilungen die Stadtarztstelle Remscheid mit der Verwarnung für uns Ärzte: Vorsicht, Kollegen, sozialistischer Stadtrat! Am folgenden Tag saß ich auf der Bahn, geriet in Magdeburg zwei Tage in Schutzhaft der weißen Bataillone des Noske-Generals von Lüttwitz, die auf das damals rote Braunschweig marschierten. Am 20. Februar 1920 landete ich in Remscheid. Ich schob mit meinem Köfferchen abends den steilen Kegel der Stadt hinauf; es regnete, grau und schwarz die Häuser, ringsum ein Wald von Schloten und Essen, feuerspuckend, qualmend, rußend der Kohlenpott.
Am 1. März 1920 trat ich meine Stelle als Stadtarzt an; es hatte sich außer mir nur noch ein Kollege für Klein-Moskau gemeldet. Ich begann in fünf Bezirken der Stadt je eine Beratungsstelle für Mütter und Säuglinge einzurichten. In erbärmlichem Zustand auch die Kleinkinder, die Kriegskinder mit ihren großen käsigen Gesichtern und ihren dünnen Marmeladenbeinen. Meine ärztliche Tätigkeit nahm mich ganz in Anspruch.
Am 13. März 1920 war ich früh 7.30 Uhr in meinem Dienstzimmer im Rathaus, um mit meinen Fürsorgerinnen den Tagesdienst durchzusprechen. Plötzlich draußen auf dem Rathausplatz militärische Signale, Pferdegetrappel, Rattern von Wagen auf dem Pflaster ein Maschinengewehr fährt vor unserem Rathaus auf, und jetzt eine Batterie, sie protzen ab, gehen in Stellung, und jetzt ausgeschwärmt, Infanterie, alle tragen Totenköpfe auf ihren Stahlhelmen die Baltikumer, die weißen Totenkopfgarden des Majors von Lützow und des Hauptmanns Lichtschlag! Major von Lützow, ein wohlgenährter Herr mit dicken roten Bäckchen wie ein Weihnachtsengel, erscheint selbst im Rathaussaal und erklärt uns Beamten: die sozialistische Schieberregierung sei hiermit endgültig abgesetzt und die Regierung der Ruhe und der Arbeit unter dem Reichskanzler Kapp eröffnet.
Als wir das Rathaus verlassen, ist der Marktplatz schon befestigt, mit Stacheldraht abgesperrt, gerade wird das Pflaster aufgebrochen, werden Minenwerfer, Geschütze und MGs in Stellung gefahren; in den Zugangsstraßen stehen schon die Schilder: Weitergehen! Wer stehenbleibt, wird erschossen!
Ich wollte in unser Parteilokal; aber ich merkte an der Menschenmenge, die in sehr weitem Bogen herumstand, es war bereits verpfiffen. Einen ganzen Tag irrten wir in den kleinen Vororten zwischen Lennep, Elberfeld und Remscheid umher, bis die Funktionäre sich trafen, bis ein Aktionsausschuss gebildet war, bis SPD, USPD, KPD sich auf die Generalstreikparole geeinigt.