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Der stotternde Kuckuck von Friedrich Wolf
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Preis E-Book:
0.99 €
Veröffentl.:
17.10.2024
ISBN:
978-3-68912-341-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 27 Seiten
Kategorien:
Kinder-und Jugendbuch/Tiere/Vögel, Kinder-und Jugendbuch/Legenden, Mythen, Fabeln/Andere, Kinder-und Jugendbuch/Action und Abenteuer/Allgemein
Kinder/Jugendliche: Romane, Erzählungen, Tatsachenberichte, Kinder/Jugendliche: Natur- und Tiergeschichten, Kinder/Jugendliche: Kurzgeschichten, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen: Familie
Aberglaube, Familienleben, Freundschaft, Hamster, Konflikt, Kuckuck, Lebensverkürzung, Lebensverlängerung, Lebensweisheit, Lebenszeit, Möwen, Naturgefahren, Naturgesetze, Spechte, Stottern, Sturm, Überheblichkeit, Übermut, Waldleben, Waldtiere, Zweifel
9 - 12 Jahre
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Zweifellos ist der Kuckuck ein besonderer Geselle im Wald. Er legt seine Eier in fremde Nester und lässt sie dort von anderen Vögeln ausbrüten. Der junge Kuckuck plustert sich alsbald derart auf, dass er das ganze Nest ausfüllt und seine Stiefgeschwister einfach über Bord wirft. Sosehr auch andere Jungvögel, etwa die Raben und Krähen, einen gesegneten Appetit haben, die Gefräßigkeit des Kuckucks ist geradezu gewaltig.

Das Besondere dieses aschgrauen Gesellen mit den hochgelben Augen liegt aber in seinem Lockruf im Frühling. Denn wer es unternimmt, beim ersten Anschlag des Kuckucksrufes mitzuzählen, der kann die Jahre feststellen, die er selbst noch lebt.

So heißt es.

 

Nun ertönte an einem Frühlingsmorgen durch das Blätter- und Zweigedickicht des Waldes „Grünenacht“ ein recht seltsamer Ruf. Es war nicht das richtige „Kuckuck“ – oder „Wuggu“, wie manche es hören –, sondern ein sich förmlich überschlagendes „Kuckuckuck“, laut und schnell wie ein Mühlengeklapper … dieses „Kuckuckuck“.

Was mochte das bedeuten?

Der ganze Wald geriet in große Erregung. Die Vögel erhoben sich von den Ästen und suchten beieinander Rat. Als erste traten die Spechte zu einer Sitzung zusammen. Der alte Jan Pikus, eingedenk der ungewöhnlichen Freundschaft seines Sohnes Pit mit der Möwe Leila, erklärte rundheraus, es handle sich hier um die misslungene Kreuzung eines echten Kuckucks mit irgendeinem trillernden Feldvogel, um eine Art Missgeburt, die den guten Kuckucksruf verunstalte und in Verruf bringe. Der Specht Blaukopf, der aus einem anderen Bezirk zugewandert war und sich grundsätzlich klüger dünkte, meinte jedoch: „Freunde, die Frage steht total anders! Hat einer von uns den Rufer je gesehen? Niemand hat ihn bisher gesehen! Also handelt es sich hier überhaupt nicht um einen Vogel, sondern um ein unsichtbares Wesen, um ein Gespenst, vielleicht bloß um das Echo des Windes aus einem hohlen Baum. Man darf also die Frage nicht so einfach stellen!“

Viele Spechte waren sehr beeindruckt von diesen weisen Worten und zollten ihnen lebhaften Beifall, indem sie mit ihren Schnäbeln gegen die Äste klopften, auf denen sie saßen. Doch jetzt hüpfte „Einauge“, der älteste der Spechte, der im Kampf mit einer Krähe sein linkes Auge verloren hatte, erregt in die Mitte der Versammlung.

„Falsch!“, rief der alte Einauge. „Man will hier aus einem deutlichen Kuckuck ein unbeweisbares Gespenst machen! Freunde, das ist ganz schlecht! Wozu die Käfer auf dem Monde suchen, wo sie doch gleich unter der Rinde sitzen? Der Vogel ist ein Kuckuck, so wahr ich der Einauge bin; bloß hat er einen Zungenfehler. Er stottert!“

Hier entstand zunächst ein Schweigen. Die Spechte waren verblüfft über diese kühne Behauptung. Noch nie hatte jemals ein Vogel einen Kuckuck „stottern“ hören. Schließlich reckte sich der stets zweifelnde „Schiefkopf“ – dem beim zu heftigen Hämmern gegen einen Eichenast ein Halsmuskel gerissen war, so dass sein Kopf nun schief stand – spöttisch hoch und fragte: „Woher weißt du, Einauge, dass er … stottert? Und was soll das bedeuten?“

Der stotternde Kuckuck von Friedrich Wolf: TextAuszug