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Anni hält dicht. Eine Erzählung aus Hitlerdeutschland von Friedrich Wolf
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Preis E-Book:
0.99 €
Veröffentl.:
01.08.2024
ISBN:
978-3-68912-050-4 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 29 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Rechtlich, Belletristik/Politik, Belletristik/Geschichten vom Meer
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Soziales, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Historischer Roman, Kriegsromane
Entschlossenheit, Faschismus, Fehlschlag, Flucht, Geheimdienst, Geheimmission, Gestapo, Menschlichkeit, Mut, Nationalsozialismus, NS-Regime, Parteidisziplin, Schmerz, Tapferkeit, Überleben, Unerschütterlich, Verfolgung, Verhör, Versteckspiel, Widerstand, Widerstandskämpferin
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Aber ich habe den Auftrag doch noch erledigt.

Nach acht komme ich todmüd nach Hause; ich kann nur das eine noch denken: Ins Bett, Licht aus, schlafen! Wunderbar muss das sein, so gut wie nie. Da ich friere nach dem Blutverlust und dem Weg, will ich mir einen heißen Krug fürs Bett richten. Es klopft, und schon stehn die beiden Bullen vor mir.

„Bitte uns zu folgen!“

„Darf ich wissen, warum?“

„Das werden Sie an zuständiger Stelle erfahren.“

„Sie sehen, ich bin krank!“

„Wir sind auf alles vorbereitet; Sie werden keinen Schritt zu gehen brauchen“, sagt er mit einer betonten Höflichkeit.

Tatsächlich, an der Ecke wartete eine elegante Limousine. Die zwei Bullen nahmen mich in die Mitte, vorn sprang noch ein SS-Mann auf: mit dem Chauffeur vier starke Männer zum Transport eines ausgebluteten Mädels; aber das konnten sie nicht wissen.

Es ging die Potsdamer Straße entlang; jetzt am Leipziger Platz musste es sich entscheiden: gradeaus zum Polizeipräsidium, am Alex, nach rechts … Der Wagen bog rechts ein, Stresemannstraße, Albrechtstraße Nr. 8, Gestapo, ein altes herrschaftliches Palais, kühl, vornehm, äußerst ruhig. Hier saß die Geheime Staatspolizei. Was war geschehn? War ich durch mein Taumeln und Rennen aufgefallen? Hatte ich laut gesprochen? Ich rekapitulierte in meinem Gedächtnis alle Treffs, alle letzten Personen, den Transport der Rotaprint; nichts. Hinter dem Hoftor standen als Doppelposten zwei blutjunge SS-Leute mit Studentengesichtern à la Potsdam. Der Hof war leer, von einer monumentalen Stille. An einem inneren Hauseingang übergaben mich die beiden Bullen dem Innenposten, gegen Quittung, unbeschädigt. Jetzt ging es über Treppen und Gänge, über Teppiche und Galerien, alles sehr geschmackvoll und solide, die Türen aus glatt poliertem Holz ohne Füllung.

„Warten!“

Ich stand in einem eleganten Büroraum. Durch das Fenster schaute ich auf einen parkähnlichen Garten; darüber flammte die Lichtreklame eines Tanzpalastes oder Kinos, vielleicht des „Europahauses“; vor mir an der Schreibmaschine saß eine wasserstoffblonde Thusnelda mit Nackenknoten. „Ach bitte, gehen Sie doch nach der Mitte!“, meinte sie süß. „Aus dem Fenster ist nämlich letzte Woche jemand herausgesprungen; nachher sind wir noch daran schuld.“

Dann kommt das Verhör, zwei Stunden, drei Stunden lang … Ich darf sitzen auf einem Ledersessel. Mir gegenüber sitzt der SA-Gruppenführer Lange. Ich kannte sein Gesicht aus den Zeitungen; es ist immer dasselbe, ob man diese Gesichter bei der Hochzeit von Goebbels sieht oder bei der Monstre-Demonstration in Nürnberg oder vor Gericht, ein Gesicht wie ein Stück bemalte Wand.

„Nun erzählen Sie mal!“

Anni hält dicht. Eine Erzählung aus Hitlerdeutschland von Friedrich Wolf: TextAuszug