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Die Geige im Feuer von Harald Wieczorek, Konstantin Wieczorek (Sprecher)
Autor:
Harald Wieczorek, Konstantin Wieczorek (Sprecher)
Format:

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Veröffentl.:
27.01.2022
ISBN:
978-3-96521-513-9 (mp3)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 132 Seiten, 256 Min. (MP3)
Kategorien:
Belletristik/Jüdisch, Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert, Belletristik/Liebesroman/Multikulturelle Beziehungen, Belletristik/Thriller/Politik, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Verbrechen
Historischer Roman, Kriegsromane: Zweiter Weltkrieg, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Liebe und Beziehungen, Familienleben, Historische Liebesromane, Thriller / Spannung, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Tod, Trauer, Verlust, Historische Abenteuerromane, Deutschland
Faschismus, Nationalsozialismus, KZ, Konzentrationslager, 2. Weltkrieg, Gräuel, Orchester, Musiker, Geige, KZ-Orchester, Jude, Holocaust, Vergewaltigung, Liebe, Deportation, Verrat, Hass, Zusammenhalt, Menschlichkeit, Grausamkeit, Freundschaft, Flucht, Versteck, Familie
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Es war schon spät am Nachmittag, als der Lkw durch das Tor auf das KZ-Gelände fuhr. An der rechten Seite war das KZ-Orchester aufgestellt, die Musiker in Häftlingsklamotten spielten zur Begrüßung der Neuankömmlinge fröhliche Operettenmelodien. „Empfangskomitee“, lachte einer der SS-Männer. Auf dem Appellplatz standen zwei große Gruppen von Gefangenen. Die Männer waren kahl rasiert, sehr hager und standen stumm in Reih und Glied.

Ein Offizier in maßgeschneiderter SS-Uniform lief vor ihnen auf und ab. Josef musste sofort an Lisa denken, mit dem unsinnigen Gedanken, dass die Uniform mit Sicherheit in der Firma ihres Vaters hergestellt wurde. Der Mann war nicht groß, aber wirkte durch sein Auftreten gefährlich und angsteinflößend. Sein zynisches Grinsen verlieh ihm etwas Teuflisches. Seine Augen waren hellblau und eiskalt. Er trug eine Pistole und hatte einen Gummiknüppel in der Hand. Hinter ihm, vor einem kleineren Gebäude, stand breitbeinig mit auf dem Rücken verschränkten Armen ein Lageradjutant, größer als der andere, mit Nickelbrille und leicht gerötetem Gesicht.

Nachdem der Lkw angehalten hatte, sprangen die beiden SS-Soldaten ab und machten Meldung. Die Gefangenen mussten die Ladefläche verlassen und sich in einer Reihe aufstellen. Der Offizier, Stellvertreter des Adjutanten, trat vor die kleine Gruppe und musterte sie abschätzend. Vor Josef blieb er stehen und klopfte ihm mit dem Gummiknüppel auf die Brust. „Hier fehlt doch etwas!“ Er blickte auf die Liste, die ihm einer der Wachmänner gegeben hatte und hob die Augenbrauen. „Sieh mal einer an. Josef Zweig.“ Verwundert schüttelte er den Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein.“ Er blickte noch einmal auf die Liste. „Zweimal abgehauen.“ Wütend wandte er sich an die beiden SS-Männer. „Wieso ist er hier und liegt nicht mit einer Kugel im Kopf auf dem Müll?“ Keiner der beiden Wachmänner antwortete. Ohne zu zögern, zog der Offizier seine Pistole. „Das werden wir gleich nachholen.“ „Er ist ein Musiker. Ein hervorragender Geigenspieler“, rief jemand aus der großen Gruppe vom Appellplatz. Der Offizier fuhr herum. „Was? Wer redet hier ungefragt?“

Dann lief er mit energischem Schritt zu den Gefangenen. Ein älterer, aber rüstiger Mann trat vor. „Ich kenne ihn und wollte nur melden, dass er ein guter Geiger ist.“ Der Knüppel traf den alten Mann hart in die Magengegend. Mit schmerzverzerrtem Gesicht fiel er auf die Knie und atmete schwer. „Niemand spricht hier unaufgefordert, auch nicht ein gottverdammter Rabbi.“ Josef schaute auf den Mann, der vor dem Offizier kniete. Auch wenn der jetzt sehr dünn und kahl rasiert war, erkannte er ihn sofort. Es war der Rabbi aus seinem Ort. Der Offizier hatte seine Pistole noch in der Hand. „Du möchtest also auch erschossen werden.“ „Glauben Sie an Gott?“, schwer atmend brachte der Rabbi diese Frage heraus. „Ob ich an Gott glaube? Das fragt mich ein verdammter Jude? Ihr Schweine wart es doch, die unseren Herrn Christus verraten und umgebracht haben.“

Mit Wucht schlug er dem Rabbi den Knüppel auf den Rücken. Mühevoll hob der alte Mann seinen Kopf. „Unser Leiden hier ist nur von kurzer Zeit. Euer Leiden wird ewig sein!“ Der Offizier hielt dem Rabbi die Pistole an den Kopf und drückte ab, aber es klickte nur. „Oh nein, Jude. Ich werde deinen Leidensweg nicht verkürzen.“ Dann trat er ihn mit Wucht in den Bauch. Der alte Mann fiel auf seine Arme und erbrach sich. Mit hämischem Grinsen stellte der Offizier seine Stiefel in dessen Nacken und drückte das Gesicht in das Erbrochene. Danach drehte er sich um und marschierte zurück auf Josef zu. „Nun zu dir“, er hob die Waffe. „Bringen Sie den Juden zu mir ins Büro.“ Der Adjutant hatte die Szene genau beobachtet. Nun wandte er sich um und ging in das hinter sich liegende Gebäude. Der Offizier zitterte leicht, als er seine Pistole widerwillig einsteckte. Dann packte er Josef am Mantel und warf ihn zu Boden. „Los, Jude. Aufstehen!“ Ein heftiger Fußtritt verstärkte diesen Befehl. Stolpernd lief Josef in Richtung des Gebäudes, in dem der Adjutant verschwunden war. Der Offizier öffnete die Tür, stieß Josef hinein, folgte ihm und schloss sie wieder hinter sich.

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