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Das Slawenlied. Roman aus den letzten Tagen Österreichs und den ersten Tagen der Tschechoslowakei von F. C. Weiskopf
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
01.01.2026
ISBN:
978-3-68912-617-9 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 461 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Politik
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Historischer Roman, Kriegsromane: Zweiter Weltkrieg, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories
Antikriegsliteratur, Nationalbewegung, Tschechische Befreiung, Zerfall Österreich-Ungarns, Soziale Gerechtigkeit, Revolution, Aufbruchsstimmung, Selbstbestimmung, Erster Weltkrieg, Militarismuskritik, Soldatenmeuterei, Frontalltag, Jugend im Krieg, Identitätssuche, Unterdrückung, Imperiumsende, Widerstand, Hoffnung, Gesellschaftswandel, Erwachsenwerden, Kameradschaft, Propaganda, Politischer Umbruch, Klassenkampf, Neue Ordnung, Freiheitskampf, Militärjustiz, Tragik, Freundschaft, Verlust der Unschuld, Flucht nach vorn, Moralische Entscheidung, Historischer Roman, Republikgründung, Slawische Kultur, Befreiungsdrama, Teilnahmeverweigerung, Menschlichkeit, Zukunftsvision, Systemkritik
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Seit dem fünfzehnten März sind einige Wochen vergangen.

Vor zwei Monaten haben wir noch deutsche Aufsätze geschrieben und lateinische Verse übersetzt, und heute lernen wir, wie die „Putzrequisiten“ zu gebrauchen sind, und zerlegen das „Mannlicher-Repetier-Gewehr, Modell 98 mit Geradezug-Kolbenverschluss“.

Vor zwei Monaten durften wir nur außerhalb des Weichbildes der Stadt rauchen – und heute ist es uns erlaubt, einen Menschen niederzuschießen, wenn er auf dreimaliges „Halt! Wer da?“ nicht stehenbleibt.

Vor zwei Monaten war es uns nicht gestattet, ohne Erlaubnis der Schulbehörden eine Tanzstunde zu besuchen, – und heute unterrichtet man uns, wie man nach dem Geschlechtsverkehr eine prophylaktische Einspritzung vornimmt.

Es ist viel geschehen in diesen wenigen Wochen. Die Zeit läuft. Alles verändert sich. Und doch ist eigentlich nur wenig geschehen. Die Zeit steht still, und alles bleibt unverändert.

Man spricht nicht davon, dass die Deutschen wieder eine Riesenoffensive begonnen haben; man spricht von der gekürzten Brotration.

Man denkt nicht daran, dass unsere Abteilung vielleicht schon in einem Monat in die Etappe kommen wird; man denkt daran, dass die Kappenrosette immer genau über der Nase sitzen muss und dass der oberste Mantelknopf, die dattelförmige „Olive“, senkrecht in der Schlinge des Mantelkragens zu stecken hat.

Wir üben uns schon täglich im Werfen von scharfen Handgranaten, – und meine Mutter schreibt mir noch: „Gib nur recht acht auf Dich, mein Junge, besonders auf den Hals. Jetzt kann man sich so leicht erkälten!“

Wir fahren nach Hause. Zu zweit. Der Zweite ist nicht Hans – der hat heute Nacht Wachtdienst –, sondern Boruvka.

Boruvka, Karl Maria Anton Boruvka ist der Älteste in unserer Kompanie, aber man sieht ihm seine fünfunddreißig oder sechsunddreißig Jahre nicht an, sondern hält ihn für höchstens zwanzig.

Er ist klein, rund, wabbelig, bringt es trotz allen Bemühungen zu keinem richtigen Schnurrbart und spricht in hohen Fisteltönen. Sein rosiges, pralles Gesicht verliert nicht einmal durch die Augengläser etwas von seiner Kindlichkeit; die Brille sieht vielmehr aus wie „von Vater geborgt“.

Man nennt ihn allgemein das Rabenschaf. Diesen Spitznamen hat er selbst erfunden, wie er überhaupt die meisten Anekdoten und Witze, die ihn lächerlich machen, selbst erfindet und in Umlauf setzt.

Von Beruf ist er eigentlich Lehrer. „Aber durchgegangener, bitteeeh“, wie er niemals vergisst, hinzuzufügen, „weil mir die Kinder leid getan haben, auf die ich losgelassen wurde, bitteeeh!“

Das Slawenlied. Roman aus den letzten Tagen Österreichs und den ersten Tagen der Tschechoslowakei von F. C. Weiskopf: TextAuszug