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Das pasteurisierte Freudenhaus. Satirische Zeitgedichte von Erich Weinert
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
04.06.2025
ISBN:
978-3-68912-511-0 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 340 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Politik
Lyrik, Poesie, Moderne und zeitgenössische Lyrik (ab 1900), Einzelne Dichter
Antifaschismus, Antimilitarismus, Antisemitismus, Autoritäten, Behörde, Bildungsbürger, Bürokratie, Burschenschaft, Dichtung, Doppelmoral, Faschismus, Frauenbild, Freudenhaus, Gesellschaftskritik, Hitler, Inflationszeit, Ironie, Kabarett, Klassenkampf, Klassenunterschiede, Kleinbürger, Krieg, Maskerade, Militarismus, Moral, Naionalsozialismus, Nationalismus, Parteipolitik, Patriotismus, Politik, Polizei, Presse, Redeverbot, Religion, Satire, Sexuelle Heuchelei, Verspotter, Volksverhetzung, Weimarer Republik, Wortwitz, Zeitgedichte, Zensur, Zynismus, Zweiter Weltkrieg
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Und so was wählt!

1924

Da sitzen sie und meckern sachverständig

Um einen Grand mit Einem aus der Hand.

Doch plötzlich wird der deutsche Geist lebendig,

Furor teutonicus im Skatverband.

Heil Wilhelm! Nieder mit dem Sattlermeister*!

Das Vorhemd kracht im kriegerischen Zorn.

Es riecht so muffig nach Gesinnungskleister

Wie Sauerteig von altem Schrot und Korn.

Man steht geschlossen wie die Wacht am Rheine,

Für Kaiser und für Reich, beseelt

Vom Geist der Militärvereine. -

   Und so was wählt!

 

Da sitzen sie, die Streuselkuchenschwestern

Und sticken Kissen oder sonst so was.

Man liest Romanfortsetzungen von gestern;

Da werden Augen und so weiter nass.

Es war so schön mit Prinzen und Prinzessen!

Dann protestiert man gegen schwarze Schmach.

Die wird man den Franzosen nie vergessen.

Ein echter Deutscher hält, was er versprach!

Das ist die deutsche Treue deutscher Frauen,

Mit Rudolf Herzog** sanft vermählt,

Im Drange, wiederaufzubauen! –

   Und so was wählt!

 

Da sitzen sie, bei hochprozentiger Lösung,

Die Sekundaner mit Bewährungsfrist,

Und saufen Mut zum Zweck der Volksgenesung

Und brüllen Hurra über jeden Mist.

Epheben mit bemalten Hühnerbrüsten

Umarmen sich in Selbstbefriedigung

Und leisten Schwur auf Handgranatenkisten

Und bringen die Franzosen auf den Schwung,

Dem deutschen Barden straffen sich die Nerven

Ob dieser Jugend, die krakeelt.

Das sind des Vaterlands Reserven! –

   Und so was wählt!

 

* Friedrich Ebert, der erste Präsident der Weimarer Republik, war von Beruf Sattler.

** Ein vom Bürgertum viel gelesener nationalistischer Unterhaltungsschriftsteller.

Von allerhand Tieren

1924

Einst hatt ein Löwe sein Getier versammelt

Und hatte lange und ergrimmt

Im Gottesgnadenton gestammelt

Und schließlich feierlich bestimmt:

Man müsse sich zum heil’gen Kriege rüsten,

Zur Rettung der Nation und Dynastie! –

Da scholl, bewegt aus Untertanenbrüsten,

Ein Hoch dem Kriege und der Monarchie.

Da stiegen alle Esel von Kathedern

Und zeigten militärische Allüren.

Die Füchse spitzten ihre Gänsefedern

Und schrieben Leitartikel und Broschüren.

Der Löwe schrieb: „An meine braven Schafe!

Die Stunde ruft! Erwacht aus eurem Schlafe!

Verkennt den Ernst der großen Stunde nicht!“

Da taten auch die Schafe ihre Pflicht.

Sie stürmten wild an ihre Landesgrenzen,

Dem Feind die Hörner in das Herz zu bohren.

Im Lande blieben die Intelligenzen

Als unabkömmliche Kulturfaktoren.

Die Esel stiegen wieder aufs Katheder

Und sprachen von heroischer Verklärung.

Die Schweine handelten mit Fett und Leder

Und garantierten so die Volksernährung.

Die Geier stürzten sich auf die Tribute

Und schufen mit den Wölfen Syndikate. –

Die Schafe aber zahlten treu dem Staate

Mit ihrer Wolle und mit ihrem Blute.

Man schreit Hurra. Es hagelt nur von Siegen.

Rein überschaflich sind der Schafe Kräfte.

Die Wälder füllen sich mit Beutezügen.

Und alle Welt macht glänzende Geschäfte.

Die Wölfe schmücken sich mit hohen Orden.

Die Schweine werden schier zum Platzen mollig.

Doch nur die Schafe scheinen nicht mehr wollig

Und sind erheblich magerer geworden.

Die kamen furchtbar auf den Hund.

Die Sache hatte einen tiefen Grund:

Das Schweinevolk in höhern Positionen,

Das fraß begeistert doppelte Rationen. –

Doch so was war den Schafen selbst zu bunt.

Und eines Nachts beschleicht ein düstres Fatum

Die Gottbegnadeten im fetten Schlafe:

Die Hammelschaft erlässt ein Ultimatum

Und konstituiert die Republik der Schafe. –

Da flohn die Heimathelden in die Wälder;

Der Löwe selbst verschwand im Siegerkranz;

Das Schweinevolk versteckte seine Gelder.

Man zitterte vor jedem Lämmerschwanz.

Nun fühlten sich, von Etsch bis Belt,

Die Schafe über alles in der Welt.

Dann gaben sie, als einig Volk von Brüdern

Für jedes Raubtier volle Amnestie.

Das kroch sogleich heran, sich anzubiedern,

Und predigte von Gleichheitsharmonie.

Es fühlte sich als Schafe unter Schafen

Und huldigte Verfassungsparagrafen.

Gefallen waren die sozialen Hürden,

Und Wölfe, Geier, Esel, Schweine

Bekamen wieder Amt und Würden

Und gaben wieder jedem Schaf das Seine.

Der Oberhammel sprach zu seinen Heeren:

Wir brauchen nichts als unsers Leibes Nahrung!

Die uns regieren, haben die Erfahrung.

Drum lasst euch nur verfassungsmäßig scheren! –

Da wurden gleich die Esel wieder keck.

Die Schweine wurden wieder fett und fetter.

Die Füchse schufen nationale Blätter,

Und selbst der Löwe kroch aus dem Versteck.

Die Wölfe trugen Orden auf den Lenden.

Die Geier schluckten hohe Dividenden. –

Und eh man sich versehn, war weit und breit

Auf einmal wieder gute, alte Zeit. –

Und auch die Wölfe hatten unterdessen,

Wo sie als Staatsanwälte figuriert,

So manchen armen Hammel aufgefressen,

Der einst für Hammelfreiheit agitiert.

Die Schafe lagen bei den Wiederkäuern

Und kauten Gras und zahlten ihre Steuern.

Und riss zuweilen eine Lammsgeduld,

Dann rief das Oberschaf: Nur kein Tumult!

Ertragen wir mit Würde Gottes Strafe!

Denn wir sind auch nicht ohne Schuld.

Das sahen denn die treuen Lämmer ein,

Die nichts verstehn und alles gern verzeihn,

Und kehrten heim zum großen Dauerschlafe. –

Es waren eben veritable Schafe!

Geist und Stoff

1925

Die Eingeschriebene Frida Stumpf

Verließ eines Tages den Sündensumpf

An der Hand eines Philologen.

Er sagte: Fräulein, ich liebe Sie!

Worauf sie in seine chambre garnie

Nach der Uhlandstraße gezogen.

 

Er las ihr vor aus der Odyssee;

Frida lag auf dem Kanapee.

Er nannte sie seine Hetäre.

Und abends, da saß sie auf seinem Knie.

Da sprach er von seliger Harmonie

Und ob sie zufrieden wäre.

 

Im Sexuellen verstand er keinen Spaß;

Er nahm es ernst und tat es mit Maß

An Hand einer kleinen Tabelle.

Selbst Fridas Technik verlockte ihn nicht.

Punkt zehn Uhr fünfzehn nahm er das Licht

Und verließ ihre Kammerschwelle.

 

Doch einmal, da folgte sie ihrer Natur,

Denn ihr Zimmer lag separat am Flur.

Und schon war sie wieder im Sumpfe.

Der Doktor kam früh um sieben ans Bett,

Da fand er bei ihr ein neues Korsett

Und einen Hundertmarkschein im Strumpfe.

 

Da nahm er das Mädchen Frida Stumpf

Und stieß es zurück in den Sündensumpf.

Sie sei ein verworfenes Mädchen! –

Doch ging die Sache ihm sehr ans Herz.

Er schrieb Elegien im Stil von Properz

Und auch soziale Tragödchen.

 

Die Tabelle reichte noch bis zum April.

Und manchmal des Abends küsste er still

Ihr Strumpfband, das violette.

Und sprach, indem er sich langsam besoff:

Das ist der Konflikt zwischen Geist und Stoff!

Und ging mit sich selber zu Bette.

Das pasteurisierte Freudenhaus. Satirische Zeitgedichte von Erich Weinert: TextAuszug