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Eine neue Weltordnung – von der unipolaren zur multipolaren Welt von Lutz Vogt
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Preis E-Book:
9.99 €
Veröffentl.:
01.04.2024
ISBN:
978-3-68912-005-4 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 287 Seiten
Kategorien:
POLITIKWISSENSCHAFT / Internationale Beziehungen / Rüstungskontrolle, POLITIKWISSENSCHAFT / Internationale Beziehungen / Verträge, POLITIKWISSENSCHAFT / Public Policy / Militärpolitik, POLITIKWISSENSCHAFT / Sicherheit (national &; international), POLITIKWISSENSCHAFT / Frieden, POLITIKWISSENSCHAFT / Internationale Beziehungen / Allgemein
Atomwaffen, Chemische und biologische Waffen
Frieden, Krieg, USA, Russland, 2. Kalter Krieg, China, Ukraine, Neue Seidenstraße, Yuan-System, Taiwan, Indien, US-Dollar, Technologie, UNO, OSZE, ASEAN, OPEC, GECF, SCO, BRICS, G-20, KI, Der Hohe Norden, Das nuklear-strategische Quartett, Rüstungskontrolle, Atomwaffen, Biologische Waffen, Chemische Waffen
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BRICS

Die BRICS-Staatengruppe ist die andere große neue internationale Struktur neben der SCO, die am 16. Juni 2009 als Gegengewicht und Alternative zu westlich dominierten Strukturen in der Welt geschaffen wurde.

Die BRICS-Staaten-Gruppe mit dem Generalsekretariat in Shanghai ist eine noch junge Organisation, hat aber schon eine beachtliche Anziehungskraft auf andere Länder entwickelt. Die BRICS werden zunehmend als politische und wirtschaftliche Alternative, nicht aber als Ersatz, zur westlich dominierten Weltordnung gesehen. Die Mitglieder dieser Gruppe von Staaten folgen trotz verschiedener Interessen und bestehender Probleme untereinander in der Tat und nicht nur in Worten ihrem Gründungsversprechen – der Gleichberechtigung und Souveränität aller Mitglieder.

Die Gruppe der sogenannten BRICS-Staaten will einen Ausweg aus den ungleichen und deshalb auch als ungerecht empfundenen Beziehungen zur alten, von den USA dominierten Weltordnung öffnen. Es soll eine „multipolare“ Alternative zur „unipolaren“ US-Welt sein. Dass dies Zeit brauchen würde, war den namensgebenden Gründerstaaten von Beginn an bewusst.

Der Einfluss der BRICS-Gruppe wuchs praktisch vom Moment ihrer Gründung an. Diese Staatengruppe umfasste seit 2009 die zwei bevölkerungsreichsten Länder (China und Indien) und drei Atommächte (Russland, China, Indien), darunter mit Russland die einzige Atommacht, deren Potential bis heute dem der USA Paroli bieten kann. BRICS-Mitgründer sind die Rohstoff- und Technologie-Supermacht Russland und die Produktions- und Technologie-Supermacht China. Bereits die formale Gründung dieser Staatengruppe schuf für ihre Mitglieder wie perspektivisch auch für alle anderen interessierten Staaten eine starke Alternative zu den USA und der von ihr dominierten Welt.

Von besonderer Bedeutung war von Anfang an das Grundprinzip für jegliche Beschlüsse zwischen den BRICS-Mitgliedern – der Konsens. Das ist ähnlich wie in der KSZE, die ja anders als ihr Name ausdrückt, eher eine euroatlantische Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit war. Auch die KSZE konnte nur funktionieren, weil ihr eigenes 1. Grundprinzip, das der souveränen Gleichheit aller Staaten, seinen Ausdruck ebenfalls im Konsens für alle Beschlussfassungen fand. So waren von Anfang an ihre Verfahrensregeln. Diese positiven Erfahrungen aus der KSZE (nicht der OSZE!) machen auch die Anziehungskraft der BRICS-Gruppe aus.

Darüber hinaus gibt es eine weitere organisatorisch-formale Ähnlichkeit zur KSZE. Die BRICS haben (zumindest bisher) keine festen Organisationsstrukturen, die ja stets eine Art Eigenleben auf Kosten ihrer Mitgliedstaaten entwickeln. Das, was für ihre Kooperation, für ihr gesamtes „Funktionieren“ notwendig ist, stellen die jeweils auch im Konsens bestellten „Zweckstrukturen“ zur Verfügung. Nebenbei gesagt, gibt es hier sogar gewisse Ähnlichkeiten zu den Verfahrensregeln der politischen Strukturen des Warschauer Vertrages.

Die BRICS-Gruppierung verfügt über eine eigene internationale Entwicklungsbank. Diese Bank hat ihren Hauptsitz ebenfalls in Schanghai und für Afrika einen weiteren Sitz in Sandton/Südafrika. Neben den Gründungsmitgliedern der BRICS gehören zur New Development Bank – NDB – auch Ägypten, Bangladesch und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Gegründet als ausdrückliche Alternative zu Weltbank und Internationalem Währungsfonds hat jedes Mitglied in der NDB eine Stimme. Alle NDB-Mitglieder sind gleichberechtigt, während das Stimmgewicht in der Weltbank von der jeweiligen Einlagenhöhe abhängig ist. Dieses demokratische Stimmrecht in der NDB unterscheidet sie grundlegend von Weltbank und IMF als Teile des sogenannten Dollar-Systems, in denen die USA mittels ihrer Finanzmacht anderen Staaten als Kreditnehmer auch die politischen Ziele der USA mit gewaltsamen, finanzellen Mitteln aufzwingen können. Ein Schlüsselelement jeder globalen (oder auch regionalen) Ordnung sind die vorherrschenden internationalen Finanzbeziehung und deren Regularien und Institutionen. Nach wie vor ist dies eine der stärksten und am besten verteidigten Bastionen der USA. Das auf dem US-Dollar basierende System gehört auch zu den am wenigsten öffentlich sichtbaren Elementen der von den USA beherrschten internationalen Beziehungen. Kapital ist jedoch nicht das oft zitierte „scheue Reh“. Es ist in der Praxis oft ein sehr gut getarnter, mächtiger Löwe, der sein Revier mit Macht zu verteidigen weiß. Bei Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf.

Mit der New Development Bank der BRICS-Gruppe entwickelte sich seit 2009 ein alternatives Angebot zu den bisherigen, vor allem von den USA dominierten internationalen Finanzstrukturen. Dieses alternative Angebot entstand nicht nach dem Prinzip „Entweder-Oder“, sondern gemäß dem Grundsatz „Sowohl-Als-Auch“. Anders kann es angesichts der realen wirtschaftlichen und politischen Machtverhältnisse auch (noch) nicht sein. Die NDB (und die von China dominierte AIIB) üben in zunehmendem Maße bereits durch ihre bloße Existenz und immer mehr auch durch Zahl und Größe der durch sie kreditierten Projekte ihren Einfluss auf die Banken und sonstigen Strukturen des Dollar-Systems aus.

Innerhalb der BRICS-Gruppe geht es, entgegen immer wieder auftauchenden Behauptungen, nicht um die Schaffung supranationaler Strukturen mit einem länderübergreifenden, eigenen Finanzsystem. Dazu sind nicht zuletzt die Erfahrungen der EU abschreckendes Beispiel genug. Es geht um offene, für alle nutzbringende Alternativen zum Dollarsystem und um den Aufbau gleichberechtigter Finanz- und Wirtschaftsstrukturen. Das kann, wie die Praxis zeigt, nur dadurch erfolgen, dass die eigenen Währungen der BRICS-Staaten (und der NDB-Mitglieder) in wachsendem Umfang für den Handel zwischen ihnen genutzt werden.

In ernsthafter Weise wird in den BRICS darüber debattiert, in der Zukunft schrittweise einen Mechanismus für den Zahlungsaustausch im gegenseitigen Handel und – falls das künftig sinnvoll werden sollte – irgendwann auch eine gemeinsame Verrechnungswährung für den Intra-BRICS-Handelsaustausch zu schaffen. Dies wird jedoch erst geschehen, wenn der Waren-und Finanzverkehr der Mitgliedsländer derartige Strukturen erfordert. Die künstliche Beschleunigung dieser Prozesse, selbst als theoretische Variante, würde den Beziehungen zwischen den BRICS-Ländern eher schaden als nutzen. Der BRICS-Verbund wurde auch nicht geschaffen, um eine sogenannte De-Dollarisierung der Welt zu erreichen. Einen größeren Unfug kann man sich kaum vorstellen. Auch diese immer wieder, von wem auch immer, in die Welt gesetzte Behauptung entspricht in keiner Weise den wirtschaftlichen und finanziellen Realitäten in der Welt. Das Gegenteil ist der Fall. Seit die USA selbst, in völliger Verkennung ihrer real verbleibenden Macht, finanzwirtschaftliche Sanktionen als Mittel zur Erzwingung ihrer politischen Ziele in großem Stil einsetzen, stoßen sie selbst immer mehr Länder, Industriezweige und Handelsströme aus ihrem Dollarsystem. Es sind die USA selbst, die damit die De-Dollarisierung betreiben, die sie anderen Seiten unterstellen. Jede finanzwirtschaftliche Sanktion führt dazu, dass die Partner der USA das Vertrauen in die USA und das Dollar-System verlieren und sich immer mehr überlegen, ob und wie sie ihre Interessen außerhalb dieses Systems sichern können. Nach der Blockierung riesiger privater und staatlicher Assets Russlands seit Beginn des Ukrainekrieges fließen eben auch viele Finanzströme nicht-russischer Eigentümer nach außerhalb des Dollarsystems. Nur wenige wollen in Zukunft durch eigenes Nichtstun in ähnliche Situationen kommen, wie russische private und staatliche Strukturen, deren Assets im Westen faktisch (nicht immer auch de-jure) enteignet wurden.

Sollten die westlichen Führungsmächte innerhalb der „G7“ in ihrem verblendeten Hass gegen Russland tatsächlich den nächsten Schritt gehen und Russlands im Westen „eingefrorene“ Vermögenswerte auch formal enteignen, kann dies von jedem dritten Staat nur als Diebstahl gewertet werden. Bei Geld hört nicht nur die Freundschaft, sondern auch jeder Propaganda-Firlefanz auf. Dann schießen sich die westlichen Staaten selbst die finanziellen Grundlagen ihrer globalen Macht weg. Nur Irre oder völlige Vasallen werden dann noch Vertrauen in jedwede Beziehungen zum Westen haben. Weiterbestehende sachliche Notwendigkeiten mit dem Westen zu verkehren, sollten nicht mit Vertrauen verwechselt werden. Das sind zwei vollkommen getrennte Angelegenheiten.

In diesem Fall würde folgerichtig der Druck, oder besser die Notwendigkeit wachsen, dass sich all die „anderen“ verstärkt an die Arbeit machen müssen, um eigene Finanzstrukturen aufzubauen, denen sie untereinander vertrauen können. Die angedachte Enteignung russischer staatlicher und privater Vermögenswerte durch „den Westen“ wäre dann tatsächlich mal wieder ein weiteres Datum, das einen geschichtlichen Wendepunkt markiert. Historiker wird’s freuen.

China hat zum Beispiel seit Anfang 2022 damit begonnen, seine US-Staatsanliehen (Treasury) systematisch abzubauen. Russland hat seine entsprechenden Assets schon vor dem Ukrainekrieg auf ein technisches Mindestmaß reduziert. Das hat aber alles zumindest noch nichts damit zu tun, dass die BRICS-Staaten und andere, selbst aktiv eine vollständige De-Dollarisierung ihres internationalen Handels betreiben.

 

Eine neue Weltordnung – von der unipolaren zur multipolaren Welt von Lutz Vogt: TextAuszug