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Bei der Wahrnehmung ihrer Umwelt spielen jedoch andere Sinnesorgane eine noch größere Rolle als die Augen. Alle Signale, die die Schmetterlinge empfangen, müssen im »Faltergehirn« verarbeitet werden. Es umschließt in der Kopfkapsel den Vorderdarm und setzt sich dann in einer Kette paariger Bauchganglien als Nervensystem mit dem Bauschema einer Strickleiter bis in den Hinterleib fort.
Das scheinbar einfache, in Wirklichkeit jedoch sehr empfindliche Nervensystem verarbeitet nicht nur die Reize der Lichtwellen, die von den Komplexaugen aufgenommen werden, sondern auch Töne und vor allem sehr viele unterschiedliche Düfte. Falter richten sich sehr nach chemischen, das heißt nach duftenden Reizen. Dafür haben sie besonders empfindliche Sinnesorgane. Das sind ihre Fühler - ihre Antennen: Schmetterlinge nutzen sie nicht zum Tasten und Fühlen, sondern grob gesagt, sind sie die »Nasen« der Schuppenflügler.
Schmetterlingsantennen gibt es in höchst unterschiedlicher Art. Sie sind fadendünn, borstenartig, gesägt oder klöppelförmig. Andere sehen spindelförmig, gekämmt oder gefiedert aus. Neben anderen Kennzeichen kann auch die Gestalt der Fühler schon einiges darüber aussagen, zu welcher Schmetterlingsfamilie ein Falter gehört. Dicke und kantige Antennen haben die Schwärmer. Die Männchen vieler Spanner-Arten tragen kammförmige Fühler, und unsere farbschönen Tagschmetterlinge werden nach der Gestalt ihrer Antennen auch »Keulenhörner« genannt. Ihre Fühler sind fein und dünn und dennoch sehr fest. Sie enden in einem Klöppel oder einer flachen Scheibe, sehen also einer Keule recht ähnlich.
Falterweibchen tragen gewöhnlich einfachere Antennen als ihre Männchen. Dafür gibt es eine einleuchtende Erklärung. Die männlichen Schmetterlinge reagieren auf Duftstoffe, die von den Weibchen am Hinterleib abgesondert werden. Diesem Duft folgen die Männchen und finden die Weibchen, um sich mit ihnen zu paaren.
Die kammförmigen Antennen eines Spanner-Männchens erscheinen schon unserem bloßen Auge sehr fein und empfindlich. Aber erst die starke Vergrößerung eines Mikroskops macht uns deutlich, dass jede einzelne »Zinke« solch eines »Kammes« noch mit einer Unmenge winzig kleiner haarartiger Sinnesorgane besetzt ist. Das Antennenpaar eines Nachtschmetterlings kann mehr als 100 000 dieser Sinneszellen tragen. Hinzu kommen noch 500 bis 1000 Riechgruben mit Sinneskegeln, die ebenfalls auf Duftstoffe ansprechen. Mit einer solchen Vielzahl empfindlichster Duftempfänger können die Männchen chemische Lockstoffe von Weibchen der eigenen Art auf große Entfernungen wahrnehmen und ihnen entgegenfliegen. Versuche ergaben, dass unsere heimischen Goldafter-Männchen auf Duftreize von Weibchen reagierten, die mehr als 3 Kilometer entfernt waren. Männliche Seidenspinner folgten dem Duftstoff ihrer Weibchen sogar über 10 Kilometer. Dabei waren nur so wenige Teilchen dieses Duftstoffes in der Luft enthalten, als würden 100 Liter davon in den Wassermassen aller Ozeane unserer Erde verdünnt sein!
Falter haben jedoch nicht nur erstaunliche Empfänger für chemische Duftreize. Sie können auch Ultraschall wahrnehmen. Dabei haben einige Arten aus dieser Fähigkeit sogar ein besonderes Abwehrsystem gegen die sie jagenden Fledermäuse entwickelt.
Fledermäuse finden sich in der Dunkelheit mithilfe ihrer Schreie und des zurückklingenden Echos zurecht. Ultraschall können Menschenohren nicht wahrnehmen. Die Fledermäuse aber steuern ihren Flug nach dem Echo der Schallwellen. So orten sie auch fliegende Beute, zu denen die Nachtschmetterlinge gehören. Einige Nachtschmetterlinge sind jedoch in der Lage, Fledermausschreie zu »hören«.
Die Nachtfalter tragen keine Ohren am Kopf. Ihre »Ohren« sind kleine Gruben in den Seiten der Brustringe oder des Hinterleibs. Von außen sind sie mit einem feinen, behaarten Häutchen überspannt, und im Inneren dieser Gruben vibriert ein zweites Trommelfell. Zwischen den beiden Häutchen sitzt ein empfindlicher winziger Stift, der mit Nervensträngen verbunden ist. Mit diesen »Falterohren« empfangen die Nachtschmetterlinge die Peiltöne ihrer Jäger. Aus Versuchen wissen wir, dass beispielsweise die Ordensbänder - das sind große Nachtfalter mit farbigen Hinterflügeln - Fledermausschreie bereits aus einer Entfernung von 30 Metern wahrnehmen können. Sie lassen sich dann aus dem Flug zu Boden fallen oder fliegen im Zickzack davon. Das ist ein großer Vorteil für sie, denn die Fledermäuse können ihre Beute erst auf eine Entfernung von 4 Metern genau orten.