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Wir nahmen die Abkürzung durch das Wäldchen. Der Trampelpfad war moddrig und voller Pfützen, und Simon musste seine Socken ausziehen, weil er Sandalen anhatte. Als wir die Geräusche hörten, blieben wir stehen und horchten. Zuerst lachten wir und machten die üblichen blöden Bemerkungen. In den Büschen am Bahndamm verkrochen sich öfter Pärchen, die sonst nirgends hin konnten. Vor allem Ausländer aus dem Silo mit ihren Freundinnen. Konrad war mächtig hinterher, vor allem achtete er drauf, dass farbige Männer keine weißen Frauen mit ins Silo nahmen. Scheuni sagte, dass er sich was Besseres vorstellen könnte, als bei diesem miesen Wetter im nassen Gras rumzuliegen. Da drang grölendes Gelächter von mehreren Männern aus den Büschen und dann so ein ersticktes Ächzen. Das klang nicht wie ein Liebespaar.
Chuck zischte: "Mann, das is 'n Überfall!"
Gecko griff in die Büsche und zerrte die Zweige auseinander.
Vier Typen machten sich an 'ner Frau zu schaffen. Sie hielten die Frau auf dem Boden fest. Die Frau hatte lange rote Haare. Die Frau war meine Mutter.
Ich schrie, und wir hasteten hin. Die Typen lachten und waren schon weg. Wir hörten ihre Mopeds abfahren.
Mom kniete sich hin und stand auf. Mein Herz schlug wie 'ne Dampframme. Ich fasste nach Moms Hand, aber sie schüttelte mich ab und strich bloß immer an ihren Sachen rum. Sie war total mit Schlamm beschmiert, die Jeans, die Haare, das Gesicht, aber verletzt war sie nicht. Nur ihre Bluse war zerrissen. Und die Skizzenmappe war hin. Scheuni klaubte die Zeichnungen aus dem Modder. Nur noch dreckige, nasse Lappen. Gecko wickelte Mom in seine Jacke, und Simon gab ihr sein Basecap, aber sie sah trotzdem furchtbar aus.
"Was wollten die?", fragte Scheuni entsetzt.
Chuck sagte: "Na was schon."
Simon meinte, wir müssten die Polizei holen.
Ich sagte gar nichts. Ich zitterte. Mom sagte auch nichts. Sie schluchzte und wischte sich mit ihren dreckigen Händen die Tränen ab. Simon zog sein T-Shirt aus, damit sie was hatte, womit sie sich wenigstens ein bisschen sauber machen konnte. Dann gingen wir alle zu uns nach Hause. Der Fahrstuhl hielt gerade im Erdgeschoss, heraus kam die Geldermann mit ihrem Pinscher. Sie ging an uns vorbei, glotzte Mom an und murmelte irgendwas zwischen den Zähnen, es klang wie Geschmeiß.
Scheuni sagte: "Kack ab, Alte."
Mom wollte die Polizei nicht anrufen. Es wäre ja nichts weiter passiert, und sie hätte keine Lust, irgendwelchen Polizisten zu erklären, was sie abends um halb neun in den Büschen am Bahndamm gewollt hätte. Die würden bestimmt fragen, ob sie häufig wechselnden Geschlechtsverkehr hätte.