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Die Beurteilung von Elisabeth Schulz-Semrau
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
05.05.2020
ISBN:
978-3-86394-370-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 277 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert, Belletristik/Moderne Frauen, Belletristik/Politik
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Liebesromane, 20. Jahrhundert (1900 bis 1999 n. Chr.)
20. Jahrhundert, DDR, Liebe, Eltern-Kind-Konflikt, Generationenkonflikt, Künstler, Westberlin, Republikflucht, Spitzel, Vertrauen
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Und dann fällt ihr aus der Mitte des Hefts ein langer Brief entgegen, eine Reisebeschreibung über seinen Westberlinbesuch an seinen Freund Heinrich Rex.

Warum nur hat er ihn nicht abgeschickt, grübelte sie. Man lässt doch nicht jemanden über zehn Seiten an seinen Erlebnissen teilhaben und vergisst es dann einfach.

Sie jedenfalls ist froh, den Brief gefunden zu haben, und jetzt erst empört sie sich über das Misstrauen dieses Genossen Minze ihrem Sohn gegenüber.

Nur — was verlangt sie von einem Fremden?

Lieber König Heinrich, weil Du es doch wissen wolltest, genau, wie Du sagtest, so verlief meine Reise nach Schlaraffia:

Schon der Anfang wurde ein besonderes Kapitel. Ich hatte mich früh in Friedrichstraße angestellt. War mir schon komisch unter all den Rentnern. Sie beäugten mich auch ziemlich misstrauisch. Auf der Rückfahrt, aber noch auf jener Seite, sprach es dann einer aus, sagte: Entweder Sie sind so’n Intelligenzler, oder Sie sind von der anderen Feldpostnummer!

Sie gingen übrigens ziemlich rücksichtslos miteinander um. Wenn da einer nicht mehr konnte, sich auf eine Bank setzte, knurrten die anderen, wollten ihn nicht wieder in die Schlange lassen.

Was sich da aber auch alles aufgemacht hatte. Einige hielten sich gerade noch an ihren Taschenwägelchen aufrecht. Irgendwie taten sie mir leid in ihren feinsten Sachen. Bestimmt stöhnten einige von den Leuten drüben, die von ihnen heimgesucht wurden: Schon wieder diese Tante Martha aus dem Osten ...

Als ich dran war, stellte sich heraus, dass ich nur zweihundert Mark mitnehmen durfte, ich hatte mein ganzes Gehalt einstecken. Also raus aus der Schlange, das Geld an einer Wechselstelle deponieren. Zwanzig West hatte ich eins zu vier bei Ralf getauscht, erwähnte das natürlich nicht. Ich konnte doch nicht ohne einen Pfennig dahin. Sollte ich mir vielleicht was erbetteln? hatte ich gedacht. Also wieder in die Reihe, zur nächsten Kontrolle. Der Polizist drehte meine Papiere, sagte, hier sind Sie falsch, Sie haben doch eine Dienstreise. Nun hatte ich zwar an einem gesonderten Eingang gelesen: Für Diplomaten und Dienstreisende, und hatte auch einige bedeutsame Männerchen mit Lords an den Rentnern vorbeischreiten sehen, hatte mich denen aber nicht zugehörig gefühlt. Dafür durfte ich nun zurückgehen, bekam aber sofort meinen »Passport ins Land meiner Träume«.

Die andere Bahnsteighälfte von Friedrichstraße war schon Westen. Ich grübelte, ob das nicht das Stück war, von dem ich damals als kleiner Junge mit den Eltern zum Berliner Ensemble rübergegangen bin.

Aber lange konnte ich gar nicht nachdenken, da wurde ich von zwei Armen umklammert, lange Haare mit einem »mit Tosca kam die Zärtlichkeit«-Duft fegten mir übers Gesicht.

Du, ich hab’s gefühlt, dass ich dich hier treffe, sagte Tanja, ich musste einfach vorfahren.

Wir hatten uns um neun am Bahnhof Zoo verabredet. Trotz meiner blöden Verirrungen war ich früher dran als gedacht.

So einfach war das also. Wir saßen in einer S-Bahn, und der Bahnhof hieß immer noch Friedrichstraße und war doch die andere Welt. Nachdem die Omas und Opas eingesammelt waren, fuhr die S-Bahn los. Ich fühlte mich erregt, gespannt zum Platzen, krampfte meinen Blick aus dem Fenster, als würde dahinter — ja was eigentlich?

Nachdem ich den Künztler angerufen und für den Nachmittag einen Termin vereinbart hatte, verließen wir den Bahnhof.

Erst später fiel mir ein, dass ich den Eingang zum Zoo gar nicht entdeckt hatte. Die Budapester Straße. Geschäfte, Geschäfte, Geschäfte.

Hatte ich vier Augen oder acht? Waren, Preise, Werbung. Himmlischer Vater, wer da nicht einverleibt wurde.

 

 

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