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Werkmeister Bohnenstroh und seine Erfahrungen von Adam Scharrer
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Preis E-Book:
0.99 €
Veröffentl.:
07.05.2025
ISBN:
978-3-68912-473-1 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 66 Seiten
Kategorien:
Absturz, Antisemitismus, Arbeitslosigkeit, Armut, Eltern-Tochter, Entfremdung, Familienkonflikt, Gesellschaftskritik, Ideologiekritik, Kleinbürgertum, Konservatismus, Lebenslüge, Nationalismus, Selbsttäuschung, Sozialkritik, Tragikomödie, Verfall, Vorurteile, Weimarer Republik, Wirtschaftskrise
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Ein Jahr später traf ich Herrn Bohnenstroh dann wieder in einer Mieterversammlung. Dort belehrte er uns, wie der Kampf gegen das Wucherkapital geführt wird und dass die Juden uns im Sack haben, dass sie das deutsche Volk ausziehen wie eine Spinne. Er hat laut und lange gesprochen, aber ein paar Arbeiter sind dann bös mit ihm umgegangen. Wenn das deutsche Volk intellektuell und physisch so minderwertig sei, erklärten sie, dass eine an Zahl verhältnismäßig geringe Rasse sich so hoch über es erhebt, dann wäre dieses Volk doch sowieso unfähig, sich zu „erneuern“. Dann wäre es besser, all jene, die ihre eigene Minderwertigkeit so offen bekennen, kurzerhand totzuschlagen. Herr Bohnenstroh saß ganz geknickt. Er hatte nicht mit Einwürfen gerechnet, die er nicht begriff, und ahnte wohl, dass eine neue Entgegnung ihm eine neue Blamage bringen würde. Er verfärbte sich und war ganz benommen, als er unter die gezählt wurde, die totzuschlagen seien. Und dass man ihm das so ins Gesicht sagte, das wäre eine Rohheit, meinte er.

Das sagte er jedoch nur zu mir. Draußen im Hof. „Ich bin über fünfzig Jahre alt und weiß aus Erfahrung, dass ein Mensch, der ehrlich vorwärtsstrebt, nicht untergeht.“ Dann begann er von seinem Betrieb zu erzählen. Als der große Abbau kam, wäre auch beinahe er drangewesen. Aber die Firma habe gewusst, wer er sei, was er könne. Und dass manch einer mit dran glauben musste – das sei nicht die Schuld seines Chefs. Dieser sei ein rechtschaffener Mann. Er hat den Betrieb hochgebracht, ohne dem Zinskapital die Hand zu reichen. Das ging nur, indem jeder Mann im Betrieb das einsah und das Letzte hergab. „Glauben Sie mir, das Herz hat mir geblutet, als ich sah, wie der Mann gekämpft hat. Diese Unsummen von Steuern, die dem Betrieb doch glatt entzogen wurden! Und wenn der Mann nicht durchgehalten hätte, wer würde am stärksten betroffen? – die Arbeiter! Sie fliegen auf die Straße. Heute haben wir es geschafft, trotz der Konkurrenz. Man muss eben die Dinge richtig kennen. Ich weiß, was ich sage, was ich will, auch wenn das mitunter falsch verstanden wird. Dass sich die Arbeiter aufhetzen lassen, das ist der Fehler. Und dahinter steckt doch nur der Jude, glauben Sie mir. Ich bin über fünfzig Jahre alt, ich habe meine Erfahrungen.“

Werkmeister Bohnenstroh ging dann. Er hatte doch noch Gelegenheit gefunden, zu beweisen, dass er mehr Respekt verdient als diese rohen Menschen aus dem Hinterhaus. Man sah es ihm an. Nur eines störte ihn: dass ich gar nicht widersprach. Er sagte: „Ich weiß, Sie haben eine andere Meinung, aber Ihre Meinung achte ich. Mit Ihnen kann man wenigstens reden.“

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