Home
eBook-Shop (nur Verlagstitel)
Links
Warenkorb
Damals, als die erste Nachricht von der Azimut eintraf, stellte sich jedermann einen triumphalen, glanzvollen Empfang für diese Kosmonauten vor. Man traf Vorbereitungen, um die Menge prominenter Persönlichkeiten, die ganz sicher von der Erde zum Mond herüberkommen würden, in Port Selena unterzubringen. Ganze Etagen neuer Kasematten wurden angelegt, denn wohl oder übel musste jedes aus dem Kosmos heimkehrende Raumschiff zuerst den Quarantänehafen anfliegen. Mit einigen vorsichtigen Kompromissen hinsichtlich der medizinischen Sicherheitsbestimmungen wäre ein solch triumphaler Empfang durchaus möglich gewesen. Nun aber hatten die Umstände diese Vorstellung in das Gegenteil verkehrt. Umfangreiche Absperrungen und strenge Isolierung nicht nur der zurückkehrenden Expedition, sondern auch des gesamten Quarantänehafens waren angeordnet worden. Der Arzt seufzte.
Jetzt lag es in der Hand der Mediziner, die Besatzung der Azimut zu retten und die Krankheit niederzuzwingen, bevor sie auf andere Mondbewohner oder gar auf die Erde übergriff. Schon einmal war die Mehrzahl der Wissenschaftler und Techniker einiger Mondstationen an einer vom Mars eingeschleppten Seuche schwer erkrankt. Der Kosmos ließ nicht mit sich spaßen. Die Patienten aus der Azimut waren nicht zu beneiden. Ihnen standen auch nach der Heilung noch monatelange Tests und Isolierungen bevor. Die wegen des Sixtafiebers verschärften Quarantänebestimmungen erlegten diesen Raumfahrern und jedem Mitarbeiter der Kliniken von Port Selena eine schwere Prüfung auf.
Auf der Erde war vor über zweihundert Jahren der generelle Impfschutz verwirklicht worden, und es gab kaum noch Infektionskrankheiten. Mit der Zunahme der kosmischen Expeditionstätigkeit und besonders der Flüge zur Venus und zum Mars bestand aber die Gefahr, dass neue, unbekannte Krankheiten auf die Menschheit übertragen werden konnten. Einzig Professor Halldorn und seine Ärzte hatten es in der Hand, ob Port Selena auch diesmal der wirksame Schutz gegen die Infiltration fremder Krankheitserreger blieb, der er bisher gewesen war.
Drüben auf der Erde an den Bildschirmen bewunderten sicherlich viele Menschen den Mut der Frauen und Männer in den Sanitätstransportern, denn es konnte leicht passieren, dass sie die nächsten Opfer des Sixtafiebers wurden.
Der Arzt schrak leicht zusammen, als eine fremdartige, etwas sirrende Stimme aus dem Lautsprecher ertönte. Sie teilte mit: Vern 7 Mol gelandet. Gravitron mit Unterdrall geblockt. Einschweben sofort möglich. Galaktische nicht an Bord. Lebende inaktiv. Gebe Unentbehrlichkeitssignal. Erwarte Teleportation. Schleusen öffnen auf Code Null. Kreislaufkammer im Zentrum. Erreichbar über Antigrav zwei.
Klaus Heise lauschte auf die vielen rätselhaften Worte. Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis die Techniker die unbekannten Begriffe, zum Beispiel Code Null und Antigrav, gedeutet hatten. Offenbar war das aber gar nicht so schwierig, denn die Fahrzeuge des Ko-In-Ko, des Kosmonautischen-Ingenieur-Kontrolldienstes, standen schon dicht neben dem Kugelraumer und trafen zusammen mit den Mannschaften der Sanitätstransporter Vorbereitungen zum Einschleusen.
Bereits zehn Minuten später öffnete sich die Schleuse der eridanischen Raumkugel. Alle im Chefzimmer versammelten Ärzte beugten sich gespannt vor. Auf dem Hauptschirm wurde das Innere des Kugelraumers sichtbar: zunächst nichts weiter als Gänge oder Schächte, über deren Böden oder Wände magische Lichtpfeile rasten, den Weg markierend, den die Leute zu gehen hatten. Die Ko-In-ko-Techniker hatten eine irdische Telekamera mitgenommen. Man sah, wie die Trupps durch fremdartig geformte Räume gingen und schließlich einen diffus erleuchteten Saal mit eigenartigen Gerätschaften erreichten. Die Raumfahrer der Trans-Sol-Expedition fand man in speziellen Zellen, von Messgeräten umgeben und durch dünne Schläuche mit einer Anlage verbunden. Die Bergungsgruppen lösten sie von diesen Verbindungen und hoben sie aus ihren Medozellen. Sie verschwanden mit den Tragen im Aufzug. Die leuchtenden Markierungspfeile jagten jetzt einander in entgegengesetzter Richtung und zeigten den Weg zur Schleuse. Dort wartete einer der Transporter. Er war über eine inzwischen errichtete Rampe hereingesteuert worden. Schon wurde wieder die Ausschleusung eingeleitet. Zwei Leute des Sanitätsdienstes sprangen den Tragen nach und nahmen im hermetisch schließenden Transporter ihre Sitze ein. Dann rollte das Fahrzeug die Rampe herunter, machte dem nächsten Transporter Platz und fuhr auf einen der Eingangstunnel von Port Selena zu.
Das war der Augenblick, an dem die Arbeit für Professor Halldorn begann. Er gab Klaus Heise und den anderen Ärzten mit der Hand ein Zeichen. Der gesamte medizinische Stab der lunaren Quarantänekliniken setzte sich in Bewegung, um in den bakteriologischen, immunologischen und serumologischen Abteilungen die Arbeit aufzunehmen. Es galt, die erkrankten Raumfahrer zu untersuchen, die Ursache des Sixtafiebers aufzuspüren und ein Medikament dagegen herzustellen.