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Meineid auf Ehrenwort. Kriminalroman von Heiner Rank
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
12.05.2020
ISBN:
978-3-86394-718-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 309 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Thriller/Spannung, Belletristik/Thriller/Politik, Belletristik/Krimis & Detektivgeschichten/Polizeiprozesse
Kriminalromane und Mystery: Polizeiarbeit, Thriller / Spannung, Politthriller/Justizthriller
R, Krimi, Potsdam, Filmstudio, 2. Weltkrieg, Geiseln, Verbrechen, Mord, Brandstiftung, Kripo
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Einer sagt aus

Es gab keinen vielstimmigen Entsetzensschrei und keinen Schock; die Größe des Raumes verhinderte es, dass alle auf einmal des Geschehenen inne wurden; es gab eine allmählich sich ausbreitende, schleichende Panik, und das war schlimmer.

Simonow stürmte, im Wege Stehende rücksichtslos beiseite drängend, auf den Niedergeschossenen zu. Andere, wie der Aufnahmeleiter Schwarz, folgten seinem Beispiel. Derdey hatte große Mühe, zu verhindern, dass Weymuth unsachgemäß berührt oder gar seine Lage verändert wurde.

„Man kann ihn doch hier nicht so liegen lassen, vielleicht ist er noch zu retten!“

Hjalmar Schwarz schrie Derdey fast an und gebärdete sich äußerst aufgeregt. In ungläubigem Staunen gingen dabei seine Blicke immer wieder zwischen dem Kommissar, der großen Folie, auf der jetzt kein Bild mehr zu sehen war, und dem reglosen Mann auf dem Boden hin und her.

Inzwischen flog es wie ein Lauffeuer durch die weite Halle:

Mord – Weymuth ist ermordet!

An den Notausgängen entstand Gedränge; Bühnenarbeiter wurden von aufkreischend Davonstiebenden beiseite gestoßen, einer überschrie den andern.

Kommissar Hegewald warf sich energisch den Fliehenden entgegen:

„Halt! Keiner verlässt den Raum! Kriminalpolizei!“

Aber die Schar der in Panik Versetzten drohte ihn schreiend zu überrennen.

Da kam Oberleutnant Globow ihm zu Hilfe. Mit hartem Gesichtsausdruck stemmte er sich den Fliehenden entgegen. Der Anblick der sowjetischen Uniform lähmte wirklich für einen Moment die Entschlusskraft der verstörten Leute. Und diese Atempause benutzte Hegewald, um hastig die neben dem Ausgang befindliche Alarmanlage in Tätigkeit zu setzen. Globow griff unterdessen energisch zu seiner Pistolentasche; eine Handbewegung, die den Menschen vor ihm einen neuen Schreck einjagte und sie vollends zurücktrieb.

Aus dem jungen, klugen Gesicht des Oberleutnants schwand der harte Ausdruck; schon wollte er seine Hand wieder zurückziehen, als er stutzte. Ungläubig fasste er von neuem in seine Pistolentasche. Ein heißer Schreck durchfuhr ihn, und verwirrt suchte sein Blick Issajew, blieb dann aber schließlich auf Kapitän Simonow haften.

Jetzt kamen, durch die Alarmanlage herbeigerufen, Feuerwehrleute ins Atelier gestürmt. Hegewald beauftragte sie mit dem Absperren der Notausgänge und ließ durch sie einen Arzt und ein VP-Kommando herbeitelefonieren.

Globow schien das alles nicht zu merken. Langsam nahm er – und jetzt endgültig – die Hand aus seiner Pistolentasche, deren Inhalt dabei zutage fördernd. Er hielt eine kleine, schwarz angestrichene Holzpistole, eine lächerliche Attrappe, in der Rechten, und ein schweres, hühnereigroßes Stück Metall. Es hatte durch sein Gewicht eine frühzeitige Entdeckung des Tatbestandes verhindert, welcher dem Oberleutnant jetzt erschreckend zum Bewusstsein kam: Ihm war seine Dienstwaffe gestohlen worden.

*

Wohl ein Dutzend Menschen umstanden den Niedergeschossenen. Man begann ruhiger und sachlicher zu denken, und auch der Aufnahmeleiter Schwarz schwieg jetzt. Ein Feuerwehrmann bemühte sich um den Verletzten, dessen Herz noch schlug, wie Simonow inzwischen festgestellt hatte. Aber der Arzt war noch nicht gekommen, und alles, was man tun konnte, war zunächst, Weymuth auf eine Bahre zu betten und zu versuchen, durch einen Notverband übermäßigen Blutverlust zu verhindern. Derdey und auch Simonow wirkten in der Runde beinahe etwas hilflos, denn sie schienen nichts anderes zu tun als die anderen auch: zu warten. In Wahrheit aber waren beide – jeder auf seine Art – in angestrengtes Nachdenken versunken. Simonow sah man davon gar nichts an. Sein volles Gesicht wirkte unbeteiligt, schien fast zu lächeln. Und doch ging er hastig in Gedanken die Umstehenden durch, suchte sich krampfhaft zu erinnern, wo der oder jener gestanden hatte, als das Licht vorhin wieder aufgeflammt war. Da war Düsterhöfft – warum beobachtete der jetzt so forschend, ja beinahe lauernd, den Gesichtsausdruck der beiden Kriminalisten? Er hatte vorhin doch wohl an der Seitenwand gestanden, etwa in Höhe der Folie. Er hätte also … Oder?

Und Dr. Coolsdorf? Simonow konnte sich nicht entsinnen, ihn bemerkt zu haben, als das Licht wieder anging. Wo war er gewesen? Bost, der Personalchef? Ach, der diskutierte ja immer noch mit dem Kameramann. Hatte er auch vorhin getan. Der kam nicht in Frage.

Aber – ja – Dr. Huppert! Der stand direkt an der Folie, keine zehn Schritte von Weymuth entfernt. Wie nervös er jetzt aussah, beinahe gehetzt …

„Genosse Kapitän!“

Derdeys Stimme riss Simonow plötzlich aus seinen Überlegungen. Der Kommissar war ganz aufgeregt, als sei ihm eben eine Tatsache von entscheidender Wichtigkeit eingefallen.

„Wir kriegen das raus … Der Schusskanal! Er verrät uns ja, wo der Mörder gestanden hat!“

Simonow aber war skeptisch:

„Dazu müssten wir wissen, an welcher Stelle sich Weymuth befand, als …“

„Das weiß ich ja! Er stand fast vor mir! Hier!“

Und erregt markierte Derdey die Position, die Weymuth nach seiner Ansicht eingenommen hatte, als die Kugel ihn traf.

„Und dort –“

Er wies auf das kleine Loch in der Folie.

„Dort hat die Kugel die Wand durchschlagen! Also muss der Täter den Schuss von einem Punkt aus abgegeben haben, der hinter der Wand auf der Verlängerung der Linie liegt, die man zwischen dem Standort Weymuths und dem Loch in der Folie ziehen kann!“

Von Derdeys Eifer plötzlich angesteckt, ließ sich Simonow eilig ein Stück Kreide geben und markierte diese Linie auf dem Fußboden.

„Das stimmt auch mit dem Schatten überein, der da plötzlich hinter der Wand erschien!“

Derdey setzte seine Erklärungen fort, während er mit Simonow in die durch die Folie abgeteilte andere Hälfte des Ateliers trat, denn dort wollte der Kapitän die Kreidelinie über die Bildwand hinaus verlängern. Derdey sah sich um und maß mit großen Schritten verschiedene Wegstrecken ab.

„Hier ging die Person, die den großen Schatten auf die Folie warf. Und hier an diesem Punkt schneidet sie unsere Linie. Hier schoss sie also! Stimmt überein. Wir brauchen nur noch nach diesem Schattenwerfer zu suchen.“

Kapitän Simonow kam nicht dazu, sich zu äußern, denn in diesem Augenblick trat mit ernstem Gesicht Oberleutnant Globow zu ihm und sagte ihm auf russisch einige Worte, die eine verblüffende Wirkung ausübten. Simonow richtete sich ruckartig auf und sah den zerknirscht dreinschauenden Oberleutnant entsetzt an. Dann wandte er sich kurz an Derdey:

„Entschuldigen Sie, Genosse.“

Rasch verließ er mit Globow das Atelier.

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