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Schneidermeister Ludwig Schnabel (1854 -1931) und Dienstmagd Lina Erler(1859 – 1939)
Wir bleiben noch in Sachsen, begeben uns aber in den Nordwesten der Region, an die sächsisch-thüringische Grenze in der Nähe der Stadt Meerane.
Dort kam in dem Dörfchen Tettau 1854 der spätere Schneidermeister Franz Schnabel zur Welt. Seine Frau wurde die 1859 in Zumroda geborene Dienstmagd Lina Erler. Geheiratet haben sie 1886. Wie man alten Urkunden entnehmen kann, wohnten und arbeiteten sie ihr Leben lang in Tettau. In diesem Dorf wurde dann 1890 meiner Frau Brigittes Oma Paula als eins von fünf Geschwistern geboren.
Paula sehen wir auf dem Familienfoto vorn links. Hinter ihr steht Ehemann Arthur Schneider.
Die anderen Geschwister hießen Elsa und Antonia, Paul und Albert.
Der Vater von Franz war Gasthofbesitzer, der Vater von Lina Schneidermeister.
Kleidung „von der Stange“, in den gängigen Größen, nach neuster Mode, das gab es damals noch nicht. So hatte das Dorf auch oft seinen Dorfschneider, genauso wie seinen Gasthof. Reich werden konnte man in beiden Erwerbszweigen nicht. Hier hat auch die Redewendung vom „armen Schneiderlein“ ihren Ursprung.
Damit ist nun nicht verwunderlich, dass die Schneidertochter Lina als Dienstmagd tätig war, also in fremdem Haushalt oder Bauernhof einer Herrschaft diente.
Was berichtet die Familiensaga noch?
Von Sohn Paul wissen wir, dass er zuletzt als Niederlassungsleiter der Firma Siemens jahrelang bis 1945 in Tetschen-Bodenbach tätig war, also im heutigen Tschechien. Dann setzte ja die Vertreibung der Deutschen ein. Er gelangte aber rechtzeitig zu seiner Schwester Paula nach Schönberg bei Meerane. Das lag in der sowjetischen Besatzungszone. Von dort sollte er in den amerikanischen Bereich zum Stammsitz seiner Firma wechseln. Dieser Zonentausch war aber schon damals nicht ohne weiteres möglich, und in den sich darum drehenden organisatorischen Wirren muss er einen Kreislaufkollaps mit tödlichem Ausgang erlitten haben. Das tragische Ende einer erfolgreich begonnenen Berufskarriere.
Paula half auch in einer anderen familiären Situation: Schwester Elsa hatte sich in einen jungen Mann verliebt. Sich einmal ungestört treffen zu können, also nicht unter Aufsicht der Eltern oder eines anderen „Anstandswauwaus“, war in dieser Zeit, noch dazu auf dem Dorfe, nicht so einfach. Was tun? – Elsa besuchte ganz offiziell ihre im Nachbardorf lebende Schwester Paula und traf sich dort heimlich zum Austausch von Zärtlichkeiten mit ihrem Auserwählten. Das war aber nicht in irgendeiner Besenkammer, wie das heute Prominente manchmal machen, sondern in der am heimischen Gasthof pausierenden Postkutsche. Wie oft und wie lange? Ich weiß es nicht – wer braucht’s zu wissen? Auf alle Fälle vermeldet hier der Familienklatsch ein gutes Ende. Die beiden heirateten schließlich und wurden glücklich miteinander.
Doch stopp!! Das soll sich um 1920 ereignet haben. Gab es denn zu dieser Zeit noch Postkutschen? – Doch, die gab es. Postkutschen und sogenannte Botenwagen sind bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert zur Beförderung von Postsendungen und auch zahlenden Fahrgästen unterwegs gewesen. Wir werden später noch einmal davon hören.