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In diesem Augenblick hört sie erneut ein Knacken hinter sich, ein Rascheln und schnelle, knirschende Schritte. Vernimmt das Geräusch zurückschnellender Zweige. Sie will sich umdrehen, kommt aber nur halb dazu. Sie sieht ein Paar Hosenbeine, ein Paar dunkelbraune Lederschuhe. Dann ist ihr die Sicht durch eine Decke genommen, die ihr über den Kopf geworfen wird. Zwei Arme umschlingen sie so fest, dass sie sich nicht wehren kann. Eine nuschelnde, krächzende, offenbar verstellte Stimme sagt: «Ruhig, Franzi, ruhig, bleib ganz cool! Wenn du still bist, geschieht dir nichts. Ich werd dir was erzählen, und du hörst zu, okay?»
Was heißt okay, Franzi hat keine Wahl! Sie bleibt ganz und gar nicht cool, aber sie verhält sich mucksmäuschenstill, nickt nur unter der Decke. Der Schrei, den sie ausstoßen wollte, ist ihr im Hals stecken geblieben.
«Ihr hört auf, nach dem Obdachlosen zu suchen, verstanden! Auf dem See ist nichts passiert, du hast dich gestern geirrt!» Während der Fremde spricht, zerrt er Franzi vom Wasser weg hinter einen Strauch.
«Verstanden? Du hast nichts gesehen!», wiederholt der Mann. Ein Mann ist es bestimmt; denn die Fäuste, mit denen er sie gepackt hält, sind eisenhart.
«Ja», haucht Franzi verzweifelt und muss unter der alten, kratzenden Decke husten.
Er lockert den Griff etwas, so dass sie besser Luft bekommt. Jetzt sieht sie auch wieder etwas: den steinigen Boden und seitlich einen Fuß des Fremden. Genauer gesagt, einen seiner Lederschuhe. Auf dem Spann befindet sich ein eigenartiger Schmuck...
«Ich bin nicht böse, ich will dir nichts tun, Franzi.» Die Stimme klingt nun beinahe weinerlich. «Es war Pech, hörst du, ein Unglück, wie es manchmal leider passiert. Und es hat ja bloß einen Säufer erwischt, einen Kerl, der nichts wert war. Du wirst niemandem etwas davon erzählen, und niemand wird ihn vermissen.»
Dieser Schuh und der Schmuck darauf! Zwei Schnallen rechts und links mit einem gelben, sechseckigen Messingstück in der Mitte. Das heißt, links fehlt dieses Plättchen. Franzi würde das vielleicht gar nicht auffallen, sie würde sich nicht mehr an das Ding erinnern, hätten sie nicht heute früh vor dem Kerl mit dem Hund ihre Taschen ausleeren müssen. Nick hatte das Messingstück unter all ihrem Krimskrams.
«Du bist auch mir nicht begegnet, verstanden! Ich lass dich jetzt wieder frei, aber ich wiederhole: Zu niemandem ein Wort! Ich hab euch alle drei im Blick und dich ganz besonders. Ich erfahr es, wenn du was verrätst! Hier, spürst du mein Messer?» Er drückt ihr etwas Spitzes in die Seite. «Wenn du was erzählst, geht es dir dreckig, furchtbar dreckig!»