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Der weiße Stuhl. Zweiter Versuch einer Rehabilitation von Hans-Ulrich Lüdemann
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Preis E-Book:
8.99 €
Veröffentl.:
21.03.2013
ISBN:
978-3-86394-876-4 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 610 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Biografisch, Belletristik/Medizin, Belletristik/Politik
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Biografischer Roman
Querschnittlähmung, Schizophrenie, Identitätsverlust, Autobiographie, Schriftsteller, DDR, Gesundheitswesen
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Frau Dr. Boonenkamp steht wie ein kleines schüchternes Mädchen zwischen den beiden Betten. Der Gang ist schmal, trotzdem wirkt die zierliche Gestalt der Stationsärztin wie verloren.

„Ich musste mir erst einen Ruck geben, Herr Jonas, ehe ich wagte, zu Ihnen zu kommen. Um Ihnen zu sagen, dass es nun wieder nichts wird mit Ihrer Operation. Sie haben ja selbst erlebt, in der Nacht, dass da etwas nicht in Ordnung ist. Hoffen wir auf die nächste Woche, Herr Jonas ..."

„Da haben die Orthopäden ihre eigenen Patienten, die auf eine Operation warten!" Kapitän Jonas hat die Hände unter dem Kopf zu liegen. Eine Falte des Unmuts steht zwischen seinen Augenbrauen.

„Aber Ihr Termin ist eingetaktet!", versucht Dr. Boonenkamp den Vorwurf abzuwehren, dass es auch nächste Woche nichts werden wird mit einer Fersenbeinresektion.

„Das ist er seit April dieses Jahres, Frau Doktor!", gibt Horst Jonas ungerührt zurück.

Die Stationsärztin beugt sich vor und legt besänftigend eine Hand auf die Brust des Patienten: „Erholen Sie sich, Herr Jonas! Je ausgeruhter Sie sind, desto erfolgreicher werden Sie die Operation überstehen. Ihnen läuft doch nichts davon ..."

„Bin ja Rentner!", hält Kapitän Jonas Zorn sprühend dagegen. „Das Gerede macht mich noch fertig! Als ob das WUNDHAUS ein Sanatorium ist! Zu Hause wartet der Garten. Die Laube müsste gepönt werden bei diesem trockenen Wetter. Und wenn das nicht wäre - ich könnte mir vorstellen, dass ich liebend gern auf der kleinen Veranda sitzen würde. Mit meiner Frau! Nur so! Dabei könnte mir, meinetwegen, die Zeit weglaufen, Frau Doktor! Aber doch nicht hier!"

WUNDHAUS statt WALDHAUS? Unangenehm berührt von Jonas Ausbruch, schaut die Ärztin zum zweiten Patienten hinüber. Aber Vierck tut, als interessiere ihn nicht, was besprochen wird. Ausdruckslos starrt der Mann zur Decke. Als ob er die Wasserflecken dort vorher noch nie bemerkt hätte.

„Vielleicht versöhnt Sie das." Dr. Boonenkamp wendet sich wieder zu Jonas. „Wenn Sie jetzt mit Ihrer Frau telefonieren. Sie könnte Sie doch abholen? Urlaub bis Montagmittag. Wäre das nicht ein Angebot, Herr Kapitän?" Die Frau lächelt, weil sie die Anrede besonders betont.

„Wenn ich meine Frau erreiche!", murrt Horst Jonas. Mehr aus Prinzip. Versöhnend ist der Vorschlag schon. Übers Wochenende das bedrückende WUNDHAUS mit Haus und Garten zu tauschen. „Aber eigentlich ..." Er dreht den Kopf und mustert seinen Bettnachbarn, der scheinbar noch immer das größte Interesse an den Deckenflecken hat.

„Nicht einverstanden?", fragt Dr. Boonenkamp Stirn runzelnd. Sie schaut demonstrativ auf ihre Armbanduhr.

„Seinetwegen kann ich nicht!", flüstert Horst Jonas.

„Wegen Herrn Vierck?" Frau Dr. Boonenkamp stutzt.

„Muss aufpassen, dass er richtig gedreht wird und so. Der lässt sonst alles mit sich machen ..."

Die Frau im weißen Kittel schüttelt den Kopf. So etwas hat sie noch nicht erlebt - dass ein Patient aus Fürsorge für einen Bettnachbarn keinen Urlaub antreten will!

„Gucken Sie sich nur mal seinen Fuß an!", fordert Jonas. „Gestern früh zum letzten Mal gekühlt und verbunden!"

„Steht doch alles auf dem Verbandsplan, Kapitän! Da machen Sie sich mal keine Sorgen!"

„Papier ist geduldig!" Horst Jonas winkt ab.

„War der Verbandswagen etwa noch nicht hier? Heute Vormittag?" Wieder schaut die Ärztin zur Uhr.

„Bis jetzt nicht, Frau Doktor!"

„Ich werde das veranlassen! Und Sie telefonieren mit Ihrer Frau! Sie können das in meinem Dienstzimmer tun. Und was Herrn Vierck angeht", die zierliche Frau wendet den Kopf zum zweiten Bett, „Doktor Vonderhaiden ist spätestens am Abend zurück. Er hat das Wochenende über Dienst und wird sich um unseren Patienten kümmern, Herr Jonas."

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