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Die Geschichte der Gussmanns. Roman von Wolfgang Licht
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Preis E-Book:
8.99 €
Veröffentl.:
20.08.2012
ISBN:
978-3-86394-760-6 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 662 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Verbrechen, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Jüdisch, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Familienleben
Historischer Roman, Kriegsromane, Kriminalromane und Mystery, Familienleben, Belletristik: religiös, spirituell, Bezug zu Juden und jüdischen Gruppen
Faschismus, 2. Weltkrieg, Weltwirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Widerstandskampf, KZ, Zuchthaus, Arbeitsdienst, Judenpogrom
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Ziel der Aktion war das Kaufhaus Altenbrunn in der Reichsstraße. Das Haus war als Kuppelbau konstruiert. Elisabeth kannte es. Man konnte in jeder Etage nach ihrer Mittelachse hin bis an ein Geländer gehen und von dort ins Erdgeschoss hinabschauen. Boroff wartet auf uns vor dem Westeingang, sagte Charlotte weiter. Wir fahren einzeln mit dem Fahrstuhl bis zum obersten Stockwerk. In Richtung Treppenhaus befindet sich hinter einem Mauervorsprung eine schmale eiserne Tür, die zu einem Quergang führt, der oberhalb der letzten Etage verläuft. Er ist wohl aus Sicherheitsgründen angelegt. Dieser Quergang ist mit einem Geländer aus Eisenstäben gegen das Kaufhausinnere abgesichert. An den Paketen ist jeweils eine Reißleine angebracht, die mit dem Umschlagpapier fest verbunden ist. Ihr freies Ende binden wir an einen der Eisenstäbe des Geländers. Dann werfen wir die Pakete mit einem Schwung darüber. Das an der Leine festgehaltene und entsprechend perforierte Einschlagpapier reißt auf, und die Flugblätter schweben zu Boden. Das Wichtigste, sagte Charlotte plötzlich mit leiser Stimme, wir müssen sofort nach dem Werfen verschwinden. Die Fallzeit der Flugblätter ist auch unsere Zeit.

Sie verließen den Schuppen, Elisabeth, die noch einmal nach der Werkstatt gesehen hatte, glaubte das Gesicht des Schuhmachers zu bemerken, das sich aber in diesem Augenblick wegdrehte.

Sie gingen einen schmalen Gang zwischen hohen Hausmauern entlang und befanden sich mit einem Male mitten im dichtesten Menschengewühl. Es war häufig nicht möglich, nebeneinander zu gehen, und Elisabeth war besorgt, dass ihr jemand im Gedränge womöglich die Tasche, die sie fest an den Henkeln hielt, abreißen könnte.

Besonders empfindlich war sie heute gegenüber dem klaren Licht, das von einem wolkenlosen Himmel auf die Straßen fiel. Die auf sie eindringenden farbigen und gegenständlichen Reize erregten sie. Wohl deshalb, weil sie alles, was ihr vor Augen kam, rasch übersehen wollte, um gewissermaßen als erste und vorzeitig jede mögliche Gefährdung oder auch nur Unregelmäßigkeit zu erkennen. Dieser Vorgang angestrengter Beobachtung führte zu einer zunehmenden Unruhe. Sie begriff: Sie hatte helle Angst. Sie presste die Zähne aufeinander, um das Zittern ihres Körpers zu unterdrücken, das in dem Augenblick, als sie es wahrnahm, so stark wurde, dass es ihr die Kontrolle der einfachsten Bewegungen erschwerte. Als Charlotte sie in diesem Augenblick ansah, zwang Elisabeth sich zu einem Lächeln, das ihr vorkam, als schneide sie Fratzen.

Plötzlich sah sie das Kaufhaus vor sich, und ihr blieb beinahe das Herz stehen. Gleich darauf entdeckte sie Peter Boroff im Windfang des Einganges vor der Drehtür, die, unaufhörlich in Bewegung, Menschen einsaugte und ausspie. In dem Augenblick, als er bemerkte, dass sie ihn erkannte, drehte er sich um und verschwand durch die Drehtür ins Innere des Kaufhauses. Elisabeth überzeugte sich, dass auch Charlotte ihn gesehen hatte, und ließ sich dann von der Drehtür einfangen, sorgfältig auf ihre Tasche achtend.

 

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