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Bilanz mit Vierunddreißig. oder Die Ehe der Claudia M. von Wolfgang Licht
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
14.09.2013
ISBN:
978-3-86394-375-2 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 275 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Liebesroman/Spannung, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Moderne Frauen, Belletristik/Medizin
Familienleben, Belletristik: romantische Spannung, Liebesromane, 20. Jahrhundert (1900 bis 1999 n. Chr.)
Untreue, Liebe, Ehebruch, Arzt, Karriere, Hohe Tatra
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Wilm setzt sich auf die Kante der Liege. Ich wünschte, er bliebe so eine Weile neben mir. Wir reden leise. Ich fühle mich wie eine Katze in der Sonne. Alle Dinge und auch dieser Mann rücken an einen Punkt, wo sie mir nahe sind und doch gleichzeitig beruhigend fern. Als er einmal hinausgeht, schließe ich die Augen. Erinnere ein Spiel von früher: Ich wollte herausfinden, ob ich Mutter oder Vater mehr liebe. Dachte sie mir beide ins Meer, und ich, in einem Boot, könnte nur einen von ihnen retten. Ich quälte mich. Vergoss Tränen. Rannte schließlich in ihr Schlafzimmer und warf mich über die zu Tode Erschrockenen.

Wilm ist wieder da. In der Hand eine kleine Flasche Sekt. Das wird uns nicht umwerfen! Ich nehme das Glas.

Wie schnell bekennt einer seine Lebensansichten, sagt sich und anderen, welche Regeln er befolgt oder vorgeblich befolgt. Die Stimmung ist günstig für meine Frage.

Er habe keine Grundsätze, sagt Wilm. Da müsste er überlegen.

Er sitzt auf dem hölzernen Drehschemel, die Ellenbogen hinter sich auf den Schreibtisch gestützt. Dann aber rückt er sich gerade, nimmt die Hände auf die Knie.

Keinen Schaden zufügen, das wäre einer. Diesen Satz übrigens verdanke ich meinem Vater. Er ist Förster und macht seine Arbeit noch immer, obgleich er Rentner ist seit zwei Jahren.

Vielleicht auch: wenn jemand anders ist als man selbst, man ihn schwer nur begreift, ihm dennoch Platz schaffen.

Aber, was heißt eigentlich: niemandem schaden wollen. Wie lässt sich das machen. Solange soziale Ungleichheit herrscht, ist der Schwächere jedenfalls der Geschädigte. Oder etwas ganz Banales: Von fünf Bewerbern um eine Stelle bleiben vier immer auf der Strecke, und wenn zwei die gleiche Frau wollen, muss sie einen abblitzen lassen. Das lässt sich beliebig fortsetzen. Einer wird überfahren, fällt von einem Gerüst, weil ein Brett wackelt, jemand kriegt unverträgliches Blut. Sie sehen, wie es solche Grundsätze an sich haben. Man kann nicht alles in leicht übersichtliche Häufchen teilen. Das ist Kinderart.

Manchmal redet er verworren, verliert sich in Beispielen. Die Grammatik wird kraus, er produziert Satztrümmer, stottert sogar. Er würde sich, was er sagt, erst beim Sprechen überlegen, sei manchmal selber gespannt, was herauskäme. Ich habe große Lust, ihn alles mögliche zu fragen. Was er von Recht hält, was von Freiheit. Warum er Gynäkologe geworden ist.

Aber über sich sagt er nichts, nichts von seiner Frau. Wie er jetzt auf dem Drehschemel sitzt, sieht er aus wie einer, der ein Thema abgehandelt und sich wieder auf sich selbst zurückgezogen hat.

Ich stelle ihn mir vor, dort in der Oktoberstraße, wo man über die Stadt schauen kann, wenn ihn einer besucht, den allein gebliebenen.

Ich werde in den Kreißsaal gerufen. Kleinigkeiten: Fruchtblasen einreißen, einen Dammschnitt vernähen. Mit den Frauen und den Hebammen reden.

Wieder im Dienstzimmer und jetzt allein, bin ich mir Ankläger und Anwalt.

Es bewegt dich, was er sagt?

Ja.

Nur die Worte, nicht der Mann?

Ich weiß nicht.

Aber er gefällt dir?

 

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