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Schlappohr, ein irrer Vogel und andere Tiergeschichten von Barbara Kühl
Autor:
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
27.06.2014
ISBN:
978-3-86394-675-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 165 Seiten
Kategorien:
Kinder-und Jugendbuch/Tiere/Hunde, Kinder-und Jugendbuch/Tiere/Vögel, Kinder-und Jugendbuch/Tiere/Insekten, Spinnen usw., Kinder-und Jugendbuch/Tiere/Mäuse, Hamster, Meerschweinchen usw., Kinder-und Jugendbuch/Wissenschaft und Technik
Kinder/Jugendliche: Natur- und Tiergeschichten
Genforschung, Genmanipulation, Krähe, Tierquäler, Weiße Mäuse, Schäferhund, Spinne, Kinder
8 - 12 Jahre
Zahlungspflichtig bestellen

»Ach, was! Lebende Krähen liegen nicht im Bahnhof rum. Siehst du, sie ist mausetot.« Wieder schubst mich ein Schuh.

»Vorsicht, das ist mein Sohn!«, zetert da mein Vater los, bückt sich, rafft mich empor, drückt mich an seinen Kittel.

Gibt das ein Gelächter! »Der Krähenkadaver da — det soll Ihr Sohn sein?«

Als sich mein Vater schweigend umdreht, murmelt irgendwer: »So ein Bekloppter! Der hat doch mehr als einen Vogel.«

Die Fahrt zum Institut dauert kaum fünf Minuten. Der Pförtner grüßt, und schon geht’s ab in die geheiligten Räume. Dabei redet mein Vater ununterbrochen — von seinem Flug-Gen-Projekt natürlich und davon, dass heute ein besonderer Abschnitt seiner Forschungen begänne. »Deine Krähenwerdung, Robert — was für ein Glücksumstand! Ich bin sicher, durch diesen Zufall das Geheimnis um die Flugfähigkeit des Menschen enträtseln zu können. Sag nichts, Robert! Kein Wort über den Verwandlungshergang, damit ich keine falschen Schlüsse ziehe. Erst nach den Untersuchungen werde ich deine Aussagen protokollieren. Und nicht die kleinste Bemerkung zu meinem Assistenten, Robert!«

»Okay, Papa!«, will ich sagen, aber es wird nur ein lang gezogenes Kra-ah.

Da stutzt mein Vater. »Donnerwetter, Robert, dein Gekrächze klingt verblüffend echt. Die Sprache der Krähen entschlüsseln! Möglicherweise gelingt mir auch das.«

Richtig glücklich ist mein Vater. Und plötzlich küsst er mich auf den Schnabel. »Ja, es sind deine Augen, mein Junge. Unverkennbar. Und ich ahne, dass ich kurz vor einer sensationellen Entdeckung stehe.«

Eine Tür klappt. Schritte. »Oh, Herr Professor! Wieder auf Krähenjagd gewesen?«

»Hallo, Servatius«, sagt mein Vater. »Ich glaube, heute werden wir zu Schlüsselergebnissen gelangen. Mit Hilfe meines ..., dieses Wesens hier. Also getrennte Untersuchungen, Vergleichen der Ergebnisse. Klar?«

»Alles klar.«

Na, und dann stellt mein Vater vielleicht was an mit mir! Das Wiegen geht ja noch, aber was da alles zu messen ist an meinem Körper! Kopfumfang, Brustumfang, Beinumfang, Schnabel-, Schwanz- und Flügellänge, Flügelspannweite, Krallenabstand, Durchmesser von Pupille und Popo. Beim Zählen der Schwung- und Schwanzfedern vertut sich mein Vater ein paarmal, schiebt die Brille hoch, drückt die Daumen auf die Augenlider. »Die Aufregung, weißt du?«, sagt er entschuldigend, »man ist eben keine Maschine.«

Schließlich durchleuchtet mich mein Vater von allen Seiten und speichert auch diese Daten in den Computer ein. Und dann kommt der Hammer. Ein bisschen Kramen, ein bisschen Klimpern, ein paar Streicheleinheiten, eine Spritze. »Ich benötige ein bisschen Blut von dir, Robert. Keine Angst, es ist gleich vorbei.«

Die Nadel berührt kaum meine Haut, da hab ich meinem Vater schon an den Kittel gekackt. Mir reicht’s, verdammt noch mal! Mir reicht’s! Laut krächze ich meinen Protest durch das Labor und denke sogar an Flucht.

Da ruft von irgendwoher eine weibliche Stimme: »Herr Professor! Telefon!«

»Jetzt nicht!«, schreit mein Vater. »Ich will jetzt nicht gestört werden!«

Wieder werde ich umklammert, wieder zielt diese ekelhaft spitze Kanüle auf meinen Leib. »Es muss sein, Robert.«

Noch einmal schallt die Stimme durchs Labor. »Herr Professor, der Anrufer verlangt dringend nach Ihnen.«

»Wer ist es denn?«, blafft mein Vater ungehalten.

»Ihr Sohn.«

»Wer?«

»Ihr Sohn Robert.«

Das Gesicht über mir verfärbt sich, wird aschfahl. Die Augen starren irgendwohin ins Leere, tonlos bewegen sich die Lippen. Die Hand mit der Spritze entfernt sich in Zeitlupentempo, die andere gibt mich frei. Noch nie habe ich meinen Vater so gesehen, so entsetzt, so fassungslos. Sogar der Atem scheint ihm auszugehen, als hätte ihm jemand in die Magengrube geschlagen. »Dieser Bengel! Dieser unverschämte Bengel!«, flüstert er endlich und stelzt mit hölzernen Bewegungen aus dem Labor.

Was läuft hier ab? Wie kann ich meinen Vater ans Telefon rufen lassen, wenn er mich zur selben Zeit Feder für Feder unter die Lupe nimmt? Was ist das für ’ne Teufelei? Seelenwanderung oder so ’n Zirkus? Irgendein Streich ist das, ein ganz mieser Trick von irgendeinem Mistkerl.

Tobias etwa? Nee, der traut sich so was nicht, der nicht.

Aus dem Nebenraum dringen Geräusche. Krächzt da nicht wer? Ich stakse rüber. Und was finde ich? Jede Menge Käfige, in drei Etagen übereinander, besetzt mit Krähen aller Art. »Hallo, Kumpels!«, begrüße ich sie lahm und krieg ’ne Gänsehaut. Mein Vater wird mich doch nicht in so ein Drahtgehäuse stecken? Es wird Zeit, dass er mich zurückverwandelt, irgendwie.

Als mein Vater wieder auftaucht, streicht er leise mit dem Finger über meinen Hals und murmelt: »Ich hätte es mir denken müssen. Ja, ich hätte es mir denken müssen. Aber diese Augen! Wie kommst du Vogel zu Roberts Augen?« Blöde Frage! denke ich und stoße ungeduldig hervor: »Mach endlich Schluss mit dem ganzen Zauber, Papa! Deine Experimente stehen mir bis hier.«

Verständnislos starrt mir mein Vater in die Pupillen. »Schade, dass ich nicht Doktor Dolittle bin«, antwortet er auf mein Gekrächze und öffnet ein Fenster. Er hat mich also nicht verstanden. Begreifen kann ich es zwar nicht, aber ich werde schon noch dahinter kommen.

 

Schlappohr, ein irrer Vogel und andere Tiergeschichten von Barbara Kühl: TextAuszug