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Das blaue Band von Bernhard Kellermann
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Preis E-Book:
8.99 €
Veröffentl.:
14.10.2025
ISBN:
978-3-68912-581-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 799 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichten vom Meer, Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Familienleben
Abenteuerromane, Familienleben
Atlantikfahrt, Luxusdampfer, Technikglaube, Fortschritt, Klassenunterschiede, Illusion, Machtspiele, Ehrgeiz, Schiffsuntergang, Drama, Schiffsreise, New York, Jungfernfahrt, Industriezeitalter, Titanic, Schicksale, Geheimnisse, Lügen, Liebe, Verrat, Kritik, Zeitgeist, Presse, Sängerin, Journalismus, Kapitalismus, Emotionen, Spannung, Historischer Roman, 20. Jahrhundert, Reiseabenteuer, Meeresreise, Schiffsdrama, Luxusklasse, Tragödie, Ozeanüberquerung, Gesellschaftspanorama, Weimarer Republik
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Ja, in der Tat, dieser Warren Prince hatte wahrhaftig fiebrige, rote Flecke in seinem glatten Studentengesicht. Das Meer erregte ihn! Der Wind wurde mit jeder Stunde stärker, und Warren träumte davon, einen jener atlantischen Orkane zu erleben, die die Schiffe einfach glattrasierten und Schornsteine und Masten wegfegten. Und er würde das alles beschreiben können! Mochte es auch diesmal nichts werden mit dem Rekord der „Cosmos“.

Zu seinem Erstaunen fand er auf der Brücke nur zuversichtliche Gesichter, es herrschte sogar eine gewisse Heiterkeit, die der gewöhnlichen feierlichen Stille hier oben widersprach. Die Offiziere belächelten Warrens romantische Wünsche. Sturm? Sie hatten soeben die letzten Wetternachrichten erhalten. Der Orkan in der Biskaya, dessen letzte Ausläufer sie hier erlebten, zog nach Süden ab, gegen Abend würde der Wind völlig abflauen. Warren verbarg seine Enttäuschung nicht.

Direktor Henricki begrüßte Warren mit der gewohnten gönnerhaften Herzlichkeit: „Nun, wie segelt unser Schiffchen, Prince?“, fragte er mit einem koketten Lächeln.

Am Bug stiegen ohne Aufhören Fontänen von Gischt empor, um als Wände von schäumendem Wasser tosend über das Vorschiff zu stürzen. Prince fand, dass die „Cosmos“ wunderbar in der See läge. „Alle Passagiere sind der gleichen Meinung“, sagte er. „Ich werde diese Tatsache kabeln.“

Henricki lächelte. „Sie werden nichts als die Wahrheit kabeln. Die ,Cosmos‘ segelt wie eine Rennjacht, wahrhaftig, sie hat die gleiche Geschmeidigkeit. Hier ist Herr Schellong, der sie erbaut hat, wie Sie wissen; er genießt seinen Triumph.“ Henricki lachte. „Ja, wahrhaftig, wir segeln förmlich, und da der Wind, Gott sei Dank, von achtern kommt, so gewinnen wir in der Stunde einige Knoten, die uns nichts kosten!“

Oh, nun begriff Warren plötzlich die heiteren Gesichter!

Henricki legte den Arm um Warrens Schulter und ging mit ihm die Brücke entlang. „Hören Sie, mein Lieber“, sagte er und blinzelte vertraulich, „die Zeitungen, die Ihr Konzern bedient, bringen lange Schlagzeilen, dass die ,Cosmos‘ um das Blaue Band des Atlantiks kämpfe. Es wurde uns gekabelt. Oh, ich weiß, ich weiß, Sie haben dieses Gerücht dementiert …“

Percival Bell sauge sich das alles aus den Fingern, sagte Warren.

„Ihr Pervical Bell scheint ja ein wahres Wunder an Begabung zu sein. Er hat auch festgestellt, dass die ,Cosmos‘ bis jetzt genau die Zeiten der ,Mauretania‘ eingehalten hat. Was sagen Sie dazu? Es stand gestern Abend in den amerikanischen Blättern!“ Henricki blieb stehen und sah Prince an, während er mit den Augen vielsagend zwinkerte.

Nun fühlte sich Warren doch einigermaßen unbehaglich. Er hatte die Fahrttabellen der „Mauretania“ in der Tasche, rechnete und verglich und sandte unscheinbare Telegramme, die er mit Bell verabredet hatte.

Henricki lachte belustigt „Er muss ja eine unbegrenzte Fantasie haben, Ihr Percival Bell“, sagte er ironisch.

„O ja“, erwiderte Warren voller Überzeugung und lachte ebenfalls. „Percival Bell machte vor Jahren seine Karriere mit einem aufsehenerregenden Bericht über den Sturm auf Port Arthur, obschon er nie bei Port Arthur war. Er saß damals im Grand Hotel von Yokohama.“

Eine mächtige See schlug über das Vorschiff. Der Dampfer zitterte.

„Herrlich“, sagte Henricki, „wundervoll Ihr Percival Bell!“ Sogar der kleine vierschrötige Herr Unmack, der nie eine Miene verzog, lachte vor sich hin. Wie gesagt, es herrschte heute fast etwas wie Ausgelassenheit auf der Brücke.

Der Kommodore Terhusen kam aus dem Navigationsraum. „Lassen Sie das Schiff gerade legen, Unmack“, befahl er. Unmack telefonierte in die Maschine, und augenblicklich begannen die Pumpen zu spielen. Sie pressten den Wasserballast aus den Steuerbordtanks in die Backbordtanks. Der Dampfer legte infolge des Winddrucks stark nach Steuerbord über.

Herr Schellong wollte das Manöver selbst überwachen und empfahl sich. „Wollen Sie mitkommen, Herr Prince?“, fragte er, schüchtern und bescheiden.

Sie fuhren zehn Stockwerke mit dem Lift hinab in die Maschine. Eine überraschende Ruhe umgab sie hier unten. Kein sausender Wind, keine klatschenden Seen. Es war eine völlig veränderte, neue, geheimnisvolle Welt. Warren war es, als sei er plötzlich taub geworden.

Ein Ingenieur saß inmitten der feierlichen Stille in einem bequemen Sessel vor der Wand des riesigen Signalbretts, das mit allen erdenkbaren Apparaten, Skalen und Zeigern versehen war, die Warren verwirrten.

„Wie viel Umdrehungen?“, fragte Schellong.

„Einhundertundachtzig, Herr Schellong!“

„Oh, sehr gut, sehr gut! Wir laufen mit etwa sechzigtausend Pferden“, rief er Warren zu. „Wir haben noch fünfundzwanzigtausend in Reserve!“

Das blaue Band von Bernhard Kellermann: TextAuszug