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Steinwurf. Über eine Liebe in Deutschland von Walter Kaufmann
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
06.11.2020
ISBN:
978-3-96521-284-8 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 138 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Verbrechen, Belletristik/Liebesroman/Multikulturelle Beziehungen, Belletristik/Liebesroman/Aktuelle Zeitgeschichte, Belletristik/Politik, Belletristik/Moderne Frauen, Belletristik/Familienleben
Zeitgenössische Liebesromane, Familienleben, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Liebe und Beziehungen
Rassismus, Fremdenhass, Jamaika, Großbritannien, Deutschland, Liebe, Eifersucht, Bauarbeiter, Leiharbeit, Querschnittslähmung, Mordversuch
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Nichts ließ ich mir am Morgen anmerken. Wie immer ging er mir beim Frühstück zur Hand, wir aßen mit den Kindern, und erst als die aus dem Haus waren, ging ich ihn an: „Wir müssen uns aussprechen. Sag mir alles – erst das eine, dann das andere.“

„Wie meinst du das?“

„Fang an mit dem Mädchen in Mühlau.“

Er hob die Brauen, biss sich auf die Lippen, blickte weg, und als er mich wieder ansah, war da eine Traurigkeit in seinen Augen, die mich viel ahnen ließ – viel, doch nicht genug, um mir das Ausmaß der Feindlichkeit voll vorzustellen, mit dem ihm die Eltern dieser siebzehnjährigen Daniela Tanner begegnet waren: Was, zum Teufel, war diesem Neger eingefallen, hier unangemeldet aufzutauchen, spät abends noch an der Tür zu läuten und ein Gespräch mit unserer Tochter zu verlangen. Gespräch wozu, worüber, was will der überhaupt? Soll froh sein, dass er nach dem Stinkefinger, den einer der drei den Jungs vom Bahnhofsvorplatz gezeigt hat, noch krauchen kann; und wer den Unfall verschuldet hat, ist noch gar nicht raus – wahrscheinlich der Unfallfahrer selbst. Kann ja nicht anders kommen, wenn sich ein Neger hinters Steuer von einem so schnellen Wagen setzt. Ein Jaguar, was! Ganz schön hoch hinaus wollten die drei. Nun ist der Fahrer hin, und das Auto auch. Pech! Pech für alle Beteiligten! „Also noch mal von vorne, unsere Tochter wollen Sie sprechen. Allerhand! Lernen Sie erst mal richtig Deutsch, ehe Sie das verlangen – ja Deutsch, Ihr Kauderwelsch versteht ja keiner. Kommen von sonstwoher, nehmen Deutschen die Arbeit weg und reden wie die Hottentotten.“ Dann aber hatten sie doch die Tochter gerufen: „Daniela, komm mal her. Hier will einer was!“ Und das Mädchen hatte Curtis, die Hände in die Seite gestemmt, von Kopf bis Fuß gemustert: „Kenn den nicht. Was will der?“ Curtis hatte sich zu erklären, hatte zu fragen versucht, warum sie diesen Karl Koschwitz beschuldigt hatte, beschuldigen musste. Das Mädchen hatte nicht aufgehört, ihn verächtlich zu mustern, jetzt schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu. Von drinnen hatte er sie aufgebracht rufen hören: „Was fällt dem Arschloch ein – schwarz wie Pech und spielt sich auf!“ Curtis war gegangen, und weil ihm nach solcher Abfuhr der ganze Ort nicht geheuer gewesen war, hatte er den ihm von früher bekannten Besitzer des China Restaurants gebeten, ein Taxi nach Wilhelmsheide zu besorgen: „Telefonisch geht das leichter – bitte tun Sie das für mich, denn wenn die mich erst sprechen hören, geschweige denn sehen Der Chinese hatte begriffen, und anders wäre Curtis an diesem Abend nicht mehr heimgekommen.

So und nicht anders hatte ich mir nach allem, was ich von Curtis erfuhr, den Verlauf der Dinge vorgestellt, und seine Betroffenheit, seine Traurigkeit gingen mir durch und durch.

„Siebzehn Jahre, so jung noch, und schon so viel Hass!“, hörte ich ihn sagen. „Woher bloß?“

„Das fragst du noch bei den Eltern und dem Umgang?“

„Hast recht“, sagte er – und was gab es noch, das du wissen wolltest?“

„Nichts“, versicherte ich ihm leise. „Das war schon alles.“

Steinwurf. Über eine Liebe in Deutschland von Walter Kaufmann: TextAuszug