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Könnte es sein, dass es mein wirklicher Vater war, der mich später adoptierte?"
Wer auch immer", entgegnete sie unwirsch, ich hab ihm die Pest gewünscht, weil er uns den Jizchak genommen hat - dich weggenommen hat. Fast drei Jahre warst du bei uns. Und dann auf einmal nicht mehr. Das war nicht nur schlimm für Rachela. Auch für mich war's schlimm."
Sie schwieg so lange, dass ich sie schließlich bitten musste, weiterzusprechen.
Brauchst nicht Sie zu mir zu sagen, ich heiße Else", sagte sie. Else Nowack. Du also bist der Jizchak!"
Es war, als könnte sie es noch immer nicht fassen.
So heiße ich längst nicht mehr."
Ich weiß, ich weiß!", rief die Frau. Aber damals, als du noch bei mir unten in der Kellerwohnung auf der Fensterbank gesessen hast, riefen wir dich Jizchak."
Kindheitserinnerungen - mein Gott, ganz vage und sehr verschwommen erinnerte ich mich wirklich an eine Fensterbank mit Geranien und an Füße, die draußen auf dem Bürgersteig an mir vorübergezogen waren. Ich nickte stumm.
Und was ist aus meiner Mutter geworden?", fragte ich dann.
Sie war schön", rief die Frau und wich damit meiner Frage aus. Rachela war schön und gut gewachsen. Dunkle Augen, dunkles Haar. Ja, sie war schön!"
Was ist aus ihr geworden?", wiederholte ich.
Oh", sagte die Frau und blickte jetzt verstört von mir weg. Wir haben sie retten können. Es ist ihr nichts geschehen."
Nichts geschehen", hörte ich da plötzlich den Mann vom Ecktisch rufen. Was erzählst du da, Else!"
Ich erschrak. Einen Augenblick lang erwog ich, den Mann zu befragen, ließ es aber und setzte mich stattdessen so, dass die Frau mich anblicken musste.
Ich vertrage die Wahrheit", versicherte ich ihr. Also sag mir bitte, was aus meiner Mutter geworden ist!"
Wir haben sie retten können", beteuerte sie wieder.
Da hielt es den Mann am Ecktisch nicht länger. Er schob hastig seinen Stuhl zurück, kam mit schweren Schritten auf mich zu und reichte mir die Hand.
Du bist der Jizchak", sagte er, aber ich bin der, der immer auf der Straße die Prügel gekriegt hat, weil ich nämlich aussah wie ein Jud."
Das zwang mich, ihn genau zu betrachten - es war denkbar, dass er in der Nazizeit wegen seiner krausen Haare, der dunklen Augen und der gebogenen Nase zu leiden hatte. Sosehr ich mich auch bemühte, erinnern konnte ich mich nicht an ihn. Wie sollte ich auch - das alles lag ja Jahrzehnte zurück!
Sie kannten mich?"
Klar kannte ich dich!"
Und meine Mutter auch?"
Auch", sagte er. Und was die Else da erzählt, ist alles Mumpitz. Du wolltest doch die Wahrheit wissen - oder?" Er wandte sich an die Frau. Jüdischer Friedhof in der Großen Hamburger - so war's doch, Else! Also, warum sagst du's ihm nicht?"
Die Frau schüttelte den Kopf.
Ist meine Mutter etwa dort begraben?", fragte ich.
Nein!", schrie sie - es war zu spüren, dass sie litt.
Von dort gingen doch die Transporte ab", meldete sich Hinze, der die ganze Zeit geschwiegen hatte. Er blickte unsicher in die Runde. Von dort hat man doch die Juden ..."
Das versteht er schon", unterbrach ihn der Mann, der zu uns getreten war.
Wie könnte ich es nicht verstehen", erwiderte ich dumpf und dachte an meine Eltern, die von Duisburg den Weg nach Auschwitz gehen mussten - sie blieben meine Eltern, was auch immer ich jetzt über das Leben und Schicksal meiner wirklichen Mutter erfahren hatte.