Home
eBook-Shop (nur Verlagstitel)
Links
Warenkorb
Sie hatte neben mir in der Wartehalle des Bukarester Flughafens gesessen eine auffallend schöne Frau, schlank, dunkelhaarig, mit großen, ausdrucksvollen Augen im blassen Gesicht. Ihren Blicken schien wenig zu entgehen. Obwohl sie ganz in Schwarz gekleidet war und auch die Blumen in ihrem Schoß auf Trauer schließen ließen, wirkte sie keineswegs in sich gekehrt. Es war, als probiere sie eine Rolle und beobachte gleichzeitig deren Wirkung. Ohne Zögern ließ sie sich ins Gespräch ziehen, wohl nicht nur, weil es ihr die Gelegenheit bot, ihr Englisch zu erproben, dass sie fließend, jedoch mit einem starken romanischen Akzent sprach. Nein, ihr ging es hauptsächlich darum, sich mitzuteilen.
Zumindest im nachhinein will mir scheinen, dass sie der Tod ihrer an einem Krebsleiden verstorbenen Mutter, das Schicksal ihres vereinsamten Vaters, der mit seiner Frau erst ein Jahr zuvor nach Israel emigriert war, weniger als ihr eigenes Schicksal bewegten. Sie hatte sich schon vor der Ausreise gegen die Rückkehr nach Rumänien entschlossen nicht, weil sie sich dort als Jüdin bedrängt oder benachteiligt fühlte, auch meine Eltern haben darüber nie geklagt, sondern weil sich ihre Hoffnung auf Heirat mit dem Mann, den sie wollte, nicht erfüllt hatte. Wegen ihm hatte sie es damals abgelehnt, mit den Eltern auszuwandern, und war weiter einer Arbeit nachgegangen, die sie nicht befriedigte Datenverarbeitung, ein seelenloser Beruf!, und dann war alles umsonst gewesen. Der Mann hatte sie im Stich gelassen, hatte keine Anstalten gemacht, sie zu heiraten, nachdem ihm ein einträglicher Außenhandelsposten geboten worden war. Bald darauf nach Italien versetzt, war er dann so gut wie verschollen für sie.
Als der Flug nach Tel Aviv aufgerufen wurde, verloren wir uns im Gedränge aus den Augen und sahen uns erst nach der Ankunft hinter den Sperren wieder. Sie wirkte besorgt jetzt und angespannt, bis sie bei der Auskunft erfahren hatte, dass eine Nachricht für sie vorlag, aus der hervorging, dass sie erwartet wurde. So verabschiedeten wir uns dann nach der Zollkontrolle, wohin ich ihr mit ihrem Gepäck hatte helfen können. Dass sie mir noch schnell ihren Namen und ihre Anschrift in mein Notizbuch schrieb und mich aufforderte, sie zu besuchen, zerstreute meine Zweifel an einem Wiedersehen nur wenig. Ich glaubte im Grunde kaum noch, dass sich unsere Wege je wieder kreuzen würden.