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Gelebtes Leben. Ein Geschichten-Kaleidoskop von Walter Kaufmann
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
27.12.2013
ISBN:
978-3-86394-575-6 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 144 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Biografisch, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Jüdisch, Belletristik/Kurzgeschichten, Belletristik/Politik, Belletristik/Krieg & Militär
Abenteuerromane, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories, Kriegsromane, Biografischer Roman, Familienleben, Bezug zu Juden und jüdischen Gruppen
Seefahrt, Juden, Australien, Holocaust, Duisburg, Klein Machnow, Tierliebe
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Die Ohrfeige

Duisburg 1992

Da hatte ich längst den Bonner Bescheid, dass mir nicht zugestanden werden würde, was im Osten seit der Wende den Westdeutschen tausend und abertausendfach zugestanden worden war: Rückgabe vor Entschädigung. Weder zurückbekommen würde ich das meinen Eltern in brauner Zeit geraubte Haus, noch dafür entschädigt werden - zu spät! Was unter Hitler passierte, war verjährt, verjährt die Pogrome, die Enteignung, die Verschleppung der Eltern in die Hölle von Auschwitz. Wer glaubte, nach vierzig ostdeutschen Jahren noch Ansprüche stellen zu können, war auf dem Holzweg und erfuhr das mit Brief und Siegel ...

Hätte mich nicht im zweiundneunziger Jahr der Weg noch einmal in die einstige Heimatstadt geführt, sogar in die Prinz-Albrecht-Straße, der Bescheid wäre für mich abgetan geblieben. Jetzt aber, unerwartet und ohne mein Zutun wieder vor dem Elternhaus, überkam mich wie nach meiner Rückkehr aus der Ferne dieser unbändige Zorn.

Ich sah Herrn St., den jetzigen Hausbesitzer - Hausbesatzer - im Mercedes vorfahren, die gewundene Steintreppe hochgehen, sah ihn durch die Haustür nach drinnen verschwinden, und vor meinem inneren Auge nahm ich wahr, wie er sich in Vaters Arbeitszimmer am Schreibtisch unter dem Ölbild von den zwei Frauen im Regen niederließ und in Akten blätterte. Das Licht im Arbeitszimmer erlosch, und jetzt glaubte ich ihn in der Diele, wo er sich, wie einst mein Vater, vor dem Abendbrot die Hände wusch. Ich sah ihn im Esszimmer am gedeckten Tisch, vom Hausmädchen bedient, umsorgt auch von der Ehefrau - und ein nagendes Unbehagen biss sich in meinen Zorn. Wie ein Voyeur kam ich mir vor, hier auf der Straße vor den erleuchteten Fenstern meines Elternhauses. Ich wandte mich ab. Nicht zu ertragen war mir plötzlich die Vorstellung von dem Paar im Biedermeierzimmer oder gar im Schlafzimmer der Eltern.

Schon war ich im Aufbruch, da flammte über dem Eingang im Nebenhaus ein Licht auf, einen Spalt weit wurde die Haustür geöffnet - und ich wusste: Das würde einer aus der Familie des Bankdirektors sein, der, als ich acht war, mit seinem Anruf beim Vater - Ihr Sohn stiert uns von der Gartenmauer ins Fenster für Aufruhr im Elternhaus gesorgt hatte.

Nie zuvor hatte der Vater mich geschlagen, und auch nach jener Ohrfeige, vor der ich mich geduckt hatte, sodass er sich an der Gartenmauer zwei Finger brach, legte er nie wieder Hand an mich. Vaters Finger blieben lange in Schienen und ich in ein Abseits verbannt, das mich zutiefst kränkte ... Dem Vater verzieh ich bald, nie aber dem Bankdirektor. Und wie ein Menetekel schien es mir, dass just in diesem Augenblick, wie von sehr weit her, im Elternhaus das Telefon schrillte ...

 

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