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Es lebe das Leben, es lebe die Jugend. Diese Parole bringt laut Spölgen und Eichinger die Grundeinstellung der heutigen westlichen Gesellschaft auf den Punkt. Alter und Krankheit werden aus dem Alltag und damit aus dem menschlichen Bewusstsein gedrängt, Sterben und Tod sogar tabuisiert. Als Gründe führen sie vorrangig die Verstädterung und Industrialisierung an, die eine Veränderung der Lebensgemeinschaftsformen von generationsübergreifenden Großfamilien zu Kernfamilien bzw. Teilfamilien mit zwei Generationen mit sich brachte. Kinder erleben demnach Alterungs-, Krankheits- und Sterbephasen nicht mehr so selbstverständlich mit, wie noch vor 100 Jahren. Auch die Anonymität in den Städten trägt erheblich dazu bei, dass der Abschied vom Menschen selten sichtbar wird. Alte bzw. kranke Menschen sterben oft von ihren Familien getrennt im Pflegeheim oder Krankenhaus, so dass die modernen Menschen immer seltener Anlässe haben, sich mit der Realität von Sterben und Tod auseinanderzusetzen. (Spölgen & Eichinger, 1996)
Hinzu kommt, dass die heutige Trauerkultur gegenüber der Vergangenheit verarmt erscheint, schließlich sind über Jahrhunderte bestehende Traditionen, wie z.B. die mehrtägige Aufbahrung mit der sogenannten Totenwache zu Hause, der Trauerzug durch den Heimatort des Verstorbenen und die große und gelebte Gemeinschaft der Trauernden, nicht mehr von Bestand. Demgegenüber scheinen Bestattungen heute von Bürokratisierung und Professionalisierung gekennzeichnet zu sein, die wenig emotional, möglichst schnell und ohne viel Aufwand in der Folgezeit verlaufen. (Onnasch & Gast, 2011)
Die Auswirkungen des gesellschaftlichen Umgangs mit Tod und Trauer in Bezug auf Kinder fasst Margit Franz mit folgenden Kernaussagen zusammen, die sie in ihrem Buch detailliert erläutert (Franz, 2002):
· Kindern fehlen Begegnungen mit den Schattenseiten des Lebens
· Kinder erleben Krankheit und Tod als Feinde
· Kinder haben mangelhafte Erfahrungen im Umgang mit Senioren
· Kinder erleben den Tod als Medienereignis und wachsen in einer Happy-Gesellschaft auf
· Kinder erleben den Tod, ohne ihn persönlich kennen zu lernen
· Kinder erfahren Sprachlosigkeit in Bezug auf das Thema Sterben und Tod
· Kinder können den Tod nicht greifen und damit nicht begreifen
· Kinder erleben den nahen Tod entfernt
· Kinder erfahren kaum Sterbe- und Trauerkultur
Greift man diese eindeutig ernüchternde Einschätzung auf, so kann die gegenwärtig mangelhafte Trauerkultur auch als Chance begriffen werden, für eine individuelle Trauergestaltung einzutreten und Solidarität durch Trauer zu erwirken. Gerade die Solidarität kann eine enorme Wertigkeit erlangen und als Multiplikator in unserer Gesellschaft wirken. Sie kann jedem Einzelnen und allen anderen zeigen, wie wertvoll das Leben in all seinen Facetten ist, denn der Tod umgibt einen Jeden.
Die Grundlage für eine empathische Trauerbegleitung von Kindern bildet das Wissen um die Entstehung des kindlichen Sterblichkeitswissens. Auch hier gilt es zu beachten, das der achtsame Blick auf das Einzelkind mit seinen ganz individuellen Todesvorstellungen und das mitunter stark variierende Entwicklungstempo von Kindern einer starren Phaseneinteilung widersprechen. Die tabellarisch dargestellte altersspezifische Strukturierung bildet ein Gerüst, das auf Piagets vier Grundannahmen zur Denkentwicklung zurückgreift:
Während Erwachsene um diese vier Dimensionen wissen, muss sich diese das Kind im Laufe der Kindheit und Jugend erarbeiten: