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In Knabberswalde an der Knabber steht eine Schokoladenfabrik. Darin wohnt der Zwerg Eduard Kaminke. Auf dem Lagerboden, hinter den Säcken mit Kakaobohnen steht ein Blechkanister. Das ist Kaminkes Haus. Alle Wände darin sind mit Etiketts beklebt. Prima saure Gurken steht auf dem einen Zettel, und auf einem anderen liest man Kräutergabelbissen aus feinem Hering. Das sind die Sachen, die Eduard Kaminke am liebsten isst; sie sind so scharrrrrf, dass man sie mit fünf R schreiben muss. Aus Schokolade dagegen macht sich Eduard Kaminke überhaupt nichts. Schokolade hat er einfach über.
*
Wie jeder weiß, gibt es verschiedene Zwerge. Es gibt die Bergleute unter ihnen, die nach Edelsteinen graben, wie es die Zwerge taten, bei denen Schneewittchen wohnte. Es gibt auch Zwerge, die nur Unsinn im Kopf haben - die Kobolde und Trolle. Eduard Kaminke aber ist ein Hauszwerg. Die Hauszwerge sorgen dafür, dass in dem Haus, in dem sie wohnen, alles ordentlich und sauber zugeht.
Täglich macht Eduard Kaminke seinen Rundgang durch die Fabrik. Er beginnt an der Röstmaschine. An der Röstmaschine steht Paul Prasselbohne und heizt den Kakaobohnen ein, dass ihnen die Schalen platzen.
Was sieht Eduard Kaminke heute? Die Kakaobohnen werden nicht scharf geröstet. Die Luft, die das besorgt, ist zu kalt.
Viel zu viel Wasser wird in den Bohnen bleiben, und die Schokolade schmeckt dann nicht. Eduard Kaminke wird wütend. Er sucht Paul Prasselbohne. Der steht beim Nachbarn an der Brechmaschine, wo die Kakaobohnen in kleine Stücke gebrochen und von den Schalen befreit werden. Er erklärt ihm, warum gestern der Sportverein Praline gegen die Alten Herren verloren hat. Darüber vergisst er seine Maschine.
Eduard Kaminke ist klein, und Paul Prasselbohne ist groß.
Aber Eduard weiß, was zu tun ist. Er knüpft dem langen Paul den Schnürsenkel auf.
Was ist denn das?, sagt Paul Prasselbohne. Nun ist mein Schuhband aufgegangen!
Er setzt sich auf den Stuhl vor seiner Maschine und bindet den Senkel neu. Dabei fallt sein Blick auf das Thermometer. Herrjemine!, ruft er, ich muss ja mehr Dampf geben! Und gleich darauf prasseln die Bohnen braun und spröde aus der Röstanlage. Das wird eine gute Schokolade werden!
Hochbefriedigt trollt sich der Hauszwerg Kaminke. An den Mühlen, an denen die Kakaobohnen zu feiner Kakaomasse zerrieben werden, ist alles in Ordnung. Aber was ist am Schokoladenmischer los?
Am Schokoladenmischer steht Elise Schliekerding. Sie hat gerade Schokolade nach dem Rezept von Großvater Darrelmann hergestellt. Sie hat 50 Kilo und 900 Gramm Kakaomasse abgewogen und dazu 150 Kilo und 700 Gramm Vollmilchpulver gegeben und außerdem zwei Säcke und einen kleinen Eimer voll Staubzucker daraufgeschüttet - es mussten genau 223 000 Gramm sein. Auch hat sie 74 Kilo und 800 Gramm Kakaobutter und drei geheime Zutaten in die große Mischmaschine geschüttet.
Zwei schwere runde Mühlsteine haben alles zerrieben und vermischt, was ihnen Elise Schliekerding in den Weg gelegt hat. Eduard Kaminke kostet: einfach wundervoll! Elise hat sich genau an das Rezept gehalten. Schon will Kaminke weiter. Da - die Schokoladenpumpe tropft! Auf dem Fußboden entsteht eine Schokoladenpfütze. Elise aber träumt mit offenen Augen.
Da klettert Eduard Kaminke auf die Mischmaschine und schreit aus vollem Halse: Elise! Eine Pfütze!
Elise schrickt zusammen. Hat da nicht jemand gewispert? Eine Pfütze? Tatsächlich. Schnell reguliert sie die Pumpe und wischt den Fußboden auf.
In der Schokoladenfabrik werden die Schokoladenpfützen einfach aufgewischt.
Oder hat einer gedacht, Elise wird sie auflecken?
Keiner von den Arbeitern der Fabrik weiß, dass es Kaminke ist, der sie auf ein Thermometer oder eine Pfütze aufmerksam macht. Kaminke ist zu klein, um beachtet zu werden. Kaminke aber kennt jeden einzelnen und weiß, worauf er achten muss.
Deswegen ist es in der Fabrik immer ordentlich und sauber, und die Schokolade aus Knabberswalde ist im ganzen Land berühmt.
Haben Sie nicht Schokolade aus Knabberswalde?, fragen die Leute in den Läden. Haben Sie nicht eine Packung Knabberswalder Pralinen?, fragt auch gerade die gute Tante Uschi. Sie will ihrer Nichte Marliese ein Geschenk mitbringen. An diese Pralinen wird man in Knabbeswalde noch lange denken.
Und warum?
Weil der Zwerg Kaminke so gern scharfe Sachen isst.
Eduard Kaminke könnte den ganzen Tag Schokolade essen, Pralinen und Milchschokolade, Nusssplitter und gefüllte Tafeln, Blätterkrokant und Weinbrandbohnen.
Das darf jeder Arbeiter in der Schokoladenfabrik. Man darf nur keine Schokolade mit nach Hause nehmen.
Aber Kaminke hat eine Vorliebe für Pfeffer und Paprika. Schokolade nimmt er nur in den Mund, um zu prüfen, wie sie schmeckt. Hinterher isst er sofort ein Radieschen, oder er trinkt einen Schluck Essig, um auf einen anderen Geschmack zu kommen.
Und darum sieht Eduard Kaminke jede Nacht in der Kantine nach, ob nicht ein Stück Harzer Käse vom Frühstück übrig geblieben ist oder ob in der Kühltruhe vielleicht ein einsamer Rollmops liegt.
In einer solchen Nacht nun, als Eduard Kaminke gerade nach Wurstzipfeln späht, da beginnen seine Augen zu leuchten. Auf dem Tisch steht ein Glas Senf!
Senf ist für Eduard Kaminke das gleiche wie für andere Leute Vanilleeis oder Schlagsahne.
Eduard nimmt das Senfglas mit. Es macht ihm Mühe, denn er hat schwer daran zu tragen. Und da geschieht es! An der Pralinenmaschine stolpert er. Er verschüttet etwas. Der Senf tropft in die Pralinen, die eigentlich darauf gewartet haben, mit leckerer Ananascreme gefüllt zu werden.
Aber Eduard achtet nicht darauf. Er, der sonst so auf Ordnung sieht, hat nur Augen für seinen Fund.
Er buckelt den Senf in sein Kanisterhaus und isst das ganze Glas leer. Dann weicht er das Etikett ab und klebt es an die Wand. Speisesenf mit Meerrettichgeschmack kann man darauf lesen. Und hochbefriedigt legt sich Eduard Kaminke auf seine Matratze und schnarcht, dass die Blechwände dröhnen.