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Die 13. Plage. oder Wessen Brot ich esse von Ulrich Hinse
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Preis E-Book:
8.99 €
Buch:
12.80 €
Veröffentl.:
23.09.2013
ISBN:
978-3-938347-96-6 (Buch), 978-3-86394-352-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 425 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Thriller/Spannung, Belletristik/Thriller/Politik, Belletristik/Verbrechen, Belletristik/Krimis & Detektivgeschichten/Polizeiprozesse, Belletristik/Liebesroman/Spannung, Belletristik/Moderne Frauen, Belletristik/Politik
Abenteuerromane, Kriminalromane und Mystery: Polizeiarbeit, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Thriller / Spannung, Kriminalromane und Mystery, Belletristik: romantische Spannung, Politthriller/Justizthriller
Osama bin Laden, Taliban, Afghanistan, Bordell, Sprenstoffattentat, Gotteskrieger, Al-Quaida, Gorch Fock, Mecklenburg-Vorpommern, Hanse-Sail
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Der Wagen holperte weiter über die Schotterpiste in Richtung der Ortschaft Bamiyan, der Stadt mit den in aller Welt bekannten riesigen Buddhastatuen in den Felswänden. Daud blickte misstrauisch auf die Holzkisten mit dem Sprengstoff. Sie hüpften bei jeder Bodenwelle. Boomer waren die hüpfenden Kisten egal. Er war fasziniert von der Bergwelt mit dem Farbenspiel der Felsen. Von hellem Braun über leuchtendes Orange bis hin zu feurigem Rot reichen die Töne des Gesteins.

Tiefe Schluchten durchfurchen die Berghänge, vielfach vom Erosionsschutt aufgefüllt und mit dürftigen Pflanzen, die nur mühsam die Ziegen ernähren, bewachsen.

Die unvermeidlichen Serpentinen führten an Steilhängen und hohen Felsen vorbei. Gelegentlich passierten sie kleine, wie ausgestorben daliegende Dörfer. Endlich lenkte der Fahrer den Geländewagen unter das Felsendach einer himmelhoch scheinenden überhängenden Steilwand. Mehrere Fahrzeuge waren dort bereits abgestellt. Eine Wache war nicht zu sehen. Die Taliban fühlten sich sicher.

Kaum angekommen, wurden die Kisten mit dem Sprengstoff von der Ladefläche des LKW gehoben. Abu Faradsch schulterte seine Kalaschnikow und ging mit leuchtenden Augen auf Boomer zu. „Yusuf, heute ist dein großer Tag. Du bist der Beste, wenn es um Sprengungen geht. Keiner kann mit dem Sprengstoff so gut umgehen wie du. Hier in der Felswand sind große Buddhastatuen. Die sollst du sprengen. Es ist nicht Gottes Wille, den Menschen nachempfundene Abbilder zu verherrlichen. Diese Götzenfiguren müssen verschwinden. Sie haben in einem islamischen Land, in einem Staat Gottes, nichts verloren. Sieh, ihnen fehlen schon seit Jahrhunderten die Gesichter. Unsere weisen Vorfahren beseitigten sie schon bei der Einnahme dieses Landstriches, doch ihnen fehlten die Mittel, sie gänzlich auszulöschen. Diese Götzenbilder sind sehr alt. In vielen anderen Ländern wird es einen Aufschrei der Entrüstung geben. Das darf uns aber nicht davon abhalten, den Willen Gottes zu erfüllen ...“

Während Abu Faradsch sich in blumiger Sprache an weiteren religiösen Begründungen erging, schielte Boomer zu den Figuren hinüber. Sie waren schon beeindruckend groß, bestimmt über 50 Meter hoch. Jedes andere Land hätte sich glücklich geschätzt, eine solche Touristenattraktion vorweisen zu können. Viel zu wertvoll, um zerstört zu werden.

Aber Boomer sah keine Möglichkeit, es zu verhindern. Die Aktion geriet offenbar zu einem Wettbewerb zwischen Abu Faradschs Truppe und einer weiteren, die bereits vor Ort war. Boomer war klar, er konnte und durfte seine Leute nicht enttäuschen. Das würde ihm nicht nur Abu Faradsch, das würden ihm alle übelnehmen. Er war gewissermaßen zum Erfolg verdammt, wollte er wirklich dazugehören. Er hatte noch Abu Faradschs diesbezügliche Worte im Ohr. Hier war nun die Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Boomer wischte rigoros alle Bedenken beiseite. Er hörte wieder auf die Stimme seines Führers:

„... du wirst die größte der Statuen aus ihrer Nische in der Felswand heraussprengen. Wir vernichten das ganze Teufelswerk. Die Gruppe hört auf dein Kommando. Enttäusch uns nicht!“

Boomer nickte. Auf sein Zeichen hin wurden die Kisten mit dem Sprengstoff aufgenommen. Die Lastenträger im Gefolge stapfte er zielstrebig auf die zugewiesene Statue zu. Sie war gigantisch. Noch leuchtete ihm nicht ein, wie er seine Sprengladungen anbringen konnte, so ganz ohne Leitern. Aber je näher sie der Figur kamen, desto besser war zu erkennen, dass nicht nur die Höhlen in der Felswand neben der Figur miteinander durch schmale Treppen verbunden waren, von dort führten auch Stufen hinter der Figur in die Felswand und nach oben. Schwierig für eine effektive Sprengung war aber, dass die Figur nicht frei stand, sie war nur in der Frontpartie aus dem Fels gemeißelt worden.

Boomer schätzte den Sprengstoffbedarf ein. Ihm wurde sehr schnell klar, dass die von Abu Faradsch vorgesehene Menge gerade ausreichte, um den Kopf der Statue zu pulverisieren. Er teilte Abu Faradsch seinen tatsächlichen Bedarf mit, der sich auf mehrere Tonnen belief. Auch diese Anforderung stellte für die Taliban kein grundsätzliches Problem dar, der Nachschub wurde beschafft. Aber die ganze Vorbereitung zur Sprengung zog sich wegen der in die Figur einzubringenden Sprengstoffmenge über mehrere Tage hin. Boomer kletterte als Sprengmeister tagelang über die Stufen, um nach geeigneten Löchern zu suchen, in denen er die notwendige Verdämmung erreichen konnte. Er hatte es sich schwieriger vorgestellt. So penibel die Steinmetze in der Frontansicht gearbeitet hatten, umso sorgloser waren sie dort vorgegangen, wo es niemand sehen konnte. Es waren genügend Löcher vorhanden.

Er zeichnete mit Kreide die Stellen an, in denen der Sprengstoff hinabgelassen wurde. Dann setzte er die Zünder ein, prüfte noch einmal die Verdämmung, rollte die Kabel zur Zündmaschine, schloss sie an und wartete auf das Zeichen von Abu Faradsch. Der hatte sich mit dem Führer der zweiten Gruppe verständigt. Ein Kamerateam hatte sich in Bamiyan eingefunden. Es postierte sich hinter der Stadt auf einem Hügel.

Es war so weit. Eine Gewehrsalve tönte durch das Tal. Sie war das Zeichen, dass die Kameras liefen. Abu Faradsch hob einen Arm in die Höhe, wartete einige Sekunden, dann ließ er ihn wieder fallen. Boomer drückte den Hebel nach unten. Ein Grollen lief durch das Tal. So als ob der Himmel zürnte. Eine gigantische Feuerwalze türmte sich auf, wurde abgelöst von einer riesigen graubraunen Staubwolke. Steine flogen durch die Luft, polterten auf die Erde und hüpften über den Sand. Nur langsam legte sich der Staub an diesem heißen, fast windstillen Tag und gab den Blick frei. Dort, wo noch vor wenigen Minuten eine etwa 1500 Jahre alte Buddhastatue in der Felswand gestanden hatte, gähnte jetzt eine leere, öde Höhle.

Die Taliban, die gespannt auf das Verschwinden der Staubwolke gewartet hatten, schrieen vor Freude durcheinander. Freudenschüsse knatterten aus ihren Gewehren durch das Tal, brachen sich an den Felswänden und wurden als Echo wieder zurückgeworfen. Boomer hatte es geschafft. Nichts war mehr zu erkennen von einer Figur, noch nicht einmal ein Stumpf. Sie war zu Staub zersprungen. Niemand würde sie rekonstruieren können. Abu Faradsch klopfte ihm begeistert auf die Schulter, dann lief er zu dem anderen Gruppenführer hinüber.

Boomer war stolz auf sich. Alle aus seiner Gruppe kamen mit strahlendem Gesicht zu ihm, beglückwünschten ihn. Ja, einige nahmen ihn sogar in die Arme. Das Schulterklopfen wollte gar nicht wieder aufhören. Jetzt hatte er das Gefühl dazuzugehören. Jetzt war er nicht mehr der Fremde, dem insgeheim immer mit Misstrauen begegnet worden war. Jetzt war er der von allen geachtete Spezialist. Zum ersten Mal in seinem Leben war er Jemand. Jetzt glaubte niemand mehr, dass er als Agent Amerikas die Taliban und ihre Führer ausspionierte. Die Vernichtung eines Weltkulturdenkmals konnte kein CIA-Agent mit seiner Aufgabe begründen. Nein, er gehörte jetzt dazu. Er verschwendete im Rausch des Erfolgs keinen Gedanken daran, was Jenny dazu sagen würde.

 

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