Home
eBook-Shop (nur Verlagstitel)
Links
Warenkorb
Gefesselt an Händen und Füßen wird Sonja Kirchberger, genannt Melanie, begleitet von zwei Polizistinnen in ein Zimmer geführt. Sie muss auf einem Stuhl Platz nehmen. Vor ihr am Schreibtisch sitzt die Kommissarin, die sie leider schon von früheren Ereignissen her kennt. Sie mag die Frau nicht. Aber das beruht wohl auf Gegenseitigkeit. Als Prostituierte ist sie praktisch für alle Arten von Verbrechen schon vorverurteilt. Darum haben sich in den letzten Jahren ihre Wege schon zu oft gekreuzt. Die Kommissarin scheint demonstrativ von ihr keine Notiz zu nehmen. Scheinbar gelangweilt blättert sie in irgendwelchen Akten herum.
Tatsächlich überfliegt Bettina Hagen innerlich aufgewühlt den dürftigen Bericht der Gerichtsmediziner. Wudke hat den Mund zu voll genommen. Denn was sie dort liest, mag sie kaum glauben. Ihr Kollege Rossmann wurde mit einer großen Schelle langsam erstickt. Es muss ein besonders qualvoller Tod gewesen sein. Dann wurde der Tote gründlich mit einem WCReinigungsmittel gewaschen. Erst danach wurde er entmannt und sein Glied mit den Hoden zuerst in den Mund gesteckt. Im Magen wurden neben Essenresten große Mengen Urin gefunden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist es Urin von einer Frau. Die einzige Spur von der Mörderin. Andere Spuren gibt es nicht. Ansonsten auf der ganzen Linie Fehlanzeige.
Bettina blickt jetzt zur Hauptverdächtigen auf und sagt: Den alten verlogenen Schmus von gestern will ich nicht mehr von ihnen hören. Ich will nicht wieder wissen, wie Sie meinen ermordeten Kollegen gefunden haben. Dass sie Rossmann angeblich lieben, sollen Sie mir auch nicht sagen. Huren sind zu wahrer Liebe gar nicht fähig. Wer sich selbst verkauft, hat jedes Recht auf Liebe verloren. Tauchen Sie also tief in ihren Erinnerungen ein und erzählen Sie mir die Geschichte von Anfang an. Wenn es sein muss, beginnen Sie dabei mit Ihrer eigenen Geburt. Haben Sie mich verstanden?
Sonja weiß, dass für sie jetzt viel auf dem Spiel steht. Eine Prostituierte und ein toter Freier, das ist praktisch schon ein Mordbeweis, ein Geständnis. Eine Prostituierte ist immer schuldig. Sie kann nur die Flucht nach vorne wagen. Nur die ganze unschöne Wahrheit kann sie jetzt vielleicht noch retten.
So holt sie tief Luft und erzählt: Wie Sie wünschen, Frau Kommissarin. Wie hat es angefangen? Ich habe wie jedes junge Mädchen vom Traumprinzen, einem Haus im Grünen und zwei eigenen Kindern geträumt. Den Prinzen glaubte ich gefunden zu haben. Ich folgte ihm blind vor Liebe, beendete seinetwegen nicht einmal die Schule und zog zu ihm. Mein Glück schien perfekt. Doch dann wurde mein Prinz arbeitslos und schickte mich mit viel Überredungskunst auf den Strich. Angeblich nur vorübergehend. Ich gehorchte blind und überwand meine Scham und jedes Ehrgefühl. Liebe verlangt ja auch Opfer, glaubte ich. Es dauerte nicht lange, dann hat mich mein angeblicher Traumprinz an einen Zuhälter verkauf. Er kaufte sich vom Kaufpreis ein neues Auto. Ich habe ihn nur noch einmal ganz kurz an einer Ampel in seinem Sportwagen gesehen. Ich war jetzt Eigentum eines Zuhälters. Dass es so ist, hat der Mann mir gleich am Anfang gezeigt. Er zeigte mir unmissverständlich, wo es in Zukunft für mich lang geht. Vor seinen anderen Pferdchen und Freunden musste ich mich nackt ausziehen. Dann hat er mir den Kopf kahl geschoren. In die blanke Kopfhaut hat er das Wort Hure eigenhändig eintätowiert. An den Beinen aufgehängt, hat er mich mit einem Elektroschocker bis zur Bewusstlosigkeit gefoltert. Ich sollte vorbeugend, wie er es nannte, erst gar nicht auf den Gedanken kommen, ihm zu widersprechen. Schon bald wurde mir klar, warum. Wenn gut zahlende Freier auf Kondome verzichten wollten, musste ich es widerspruchslos zulassen. Trotz Pille wurde ich so schwanger. Als er davon erfuhr, hat er mich verprügelt. Ich war schon im fünften Monat. Ein korrupter Arzt hat mir das Kind dann herausgekratzt. Er und ein Kumpel standen daneben, als ich vor Schmerzen und Verzweiflung schreiend mein Kind verlor. Sie haben selbst nachgeschaut, ob alles raus ist. Damals wusste ich endgültig, dass ich so nicht weiter leben kann.
Etwas später habe ich Horst kennengelernt. Ich meine damit den ermordeten Kommissar Rossmann. Mit Horst stellte sich euer Kommissar Rossmann vor zwei Jahren bei mir vor. Mit seiner Hilfe konnte ich mich freikaufen. Es hat mich und Horst ein Vermögen gekostet. Bis auf den letzten Cent wollte ich Horst alles zurückzahlen. Als Putze geht das schlecht. So schaffte ich weiter an!
Sie haben ihn des schnöden Geldes wegen umgebracht?, fragt Bettina Hagen jetzt sichtlich aufgebracht.
Sonja Kirchberger schüttelt den Kopf und erklärt ganz ruhig: Blödsinn. Horst hat sein Geld seit vier Monaten schon zurück. Per Dauerauftrag hat er sein Geld erhalten. Meine Bankauszüge beweisen das!
Bettina Hagen: Seit wann wissen Sie überhaupt, dass er Kommissar ist?
Sonja Kirchberger lächelt und behauptet: Beinahe vom ersten Tag an wusste ich es. Für eine Hure ist Wissen ein wichtiger Überlebensfaktor!
Bettina Hagen fragt: Warum wurden Sie seiner überdrüssig? Er hat Ihnen doch geholfen!
Sonja Kirchberger lächelt und erklärt: Auch, wenn Sie mir nicht glauben, ich habe ihn geliebt. Er hat mich immer großzügig bezahlt. Das mit uns hätte tausend Jahre so weiter gehen können. Ich hätte ihn sogar gerne geheiratet. Nein, ich wollte ihn heiraten. Von ihm bin ich im vierten Monat schwanger!
Sie sind von ihm schwanger? Wirklich? Ich lasse das prüfen. Wer kann ihn denn nach Ihrer Meinung ermordet haben?, fragt Bettina Hagen zweifelnd.
Sonja Kirchberger: Ich weiß nicht, wer meinen Horst so grausam getötet hat. Doch das hat alles etwas mit einer bestimmten Frau zu tun. Sie hat sich mir vor Tagen als Elena Kubicki vorgestellt. Doch auf den Namen setzte ich keinen Cent. Wir haben uns in der Nachtbar kennengelernt, in der ich anschaffen gehe. Interessant ist, dass sie mich direkt gesucht hat. Sie gab sich mir als Bisexuelle und Prostituierte aus. Wir hatten anschließend eine heiße Nacht. Die professionelle Hure und Bisexuelle muss ich ihr abnehmen. Sie hat mich erstaunlich intensiv über meine Freier ausgehorcht. Angeblich wollte sie ein Buch über das Hurenleben schreiben. Sie war sehr redegewandt. Ich glaubte ihr. So wusste sie bald auch alles über Horst. Zwei Tage später, eben am bewussten Montag, lud sie mich zu sich in ihr Hotelzimmer ein.