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In den frühen Morgenstunden des zweiten Februar machte die Zeven Provincien im Hafen von Sabang fest. Das Schiff übernahm Kohlen. Unter den Eingeweihten stieg die Spannung. Für acht Uhr war Antreten auf dem Vordeck angesetzt. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Was ich nicht wusste, war, dass es vor dem Antreten heftige Auseinandersetzungen innerhalb der Leitung und mit Maud Boshart gegeben hatte. Das erfuhr ich erst später von Kawilaran.
Maud Boshart war unter den holländischen Seeleuten auf viel Zweifel gestoßen: Wenn die Macht in Surabaja mit ein paar Tausend Matrosen fertig geworden war, was sollten sie hier, auf sich selbst gestellt, erreichen? Ein Teil der Holländer war gegen jede Aktion, die Hälfte war für eine Aktion zu gewinnen, sofern sich Aussicht auf Erfolg bot, und nur ein kleiner Teil war zum Kampf bereit, koste es, was es wolle. Maud Boshart riet von einer Dienstverweigerung ab.
Kawilaran war der gleichen Meinung. Mit seinem Argument, dass man die holländische Obrigkeit nur treffen konnte, wenn Holländer und Indonesier gemeinsam den Dienst verweigerten, überzeugte er in letzter Minute Paradji und Rumambi. Aber wie gesagt, davon wussten wir nichts.
Als die Bootsmannsmaatenpfeifen schrillten, strömten die Mannschaften auf dem Vordeck zusammen. Kommandos ertönten. Die Divisionschefs nahmen die Meldungen der Gruppenführer entgegen und gaben sie dem Ersten Wachoffizier weiter. Der meldete dem Kommandanten.
Eickenboom dankte. Laut und deutlich klang seine Stimme über Deck: Teilen Sie die Dienste ein!
Dann ertönte das Kommando: Landungsdivision an die Boote!
Ich stand neben Halim. Unsere Blicke trafen sich. Jetzt musste es losgehen. Paradji würde vortreten, das Gewehr mit den Übungspatronen auf die Planken knallen und irgendetwas rufen, vielleicht Es lebe die Freiheit! oder so etwas Ähnliches. Die Offiziere würden dumm dreinschauen, und dann, dann endlich kam der ersehnte Augenblick des Kampfes. Wir zitterten vor Erwartung. Alle Augen richteten sich auf Paradji. Warum tat er nichts? Die Maschinendivision mit Maud Boshart rückte bereits ab. Der Erste Wachoffizier holte tief Luft, um den Befehl zu wiederholen. Da machte Paradji die befohlene Links-um-Wendung. Alle folgten ihm, verwirrt und maßlos erstaunt. Mir kamen Tränen der Scham und der Enttäuschung.
Halim biss sich auf die Lippen, dass sie fast bluteten. Als uns Vastenhouw abtreten ließ, flüsterte er mir wütend zu: Alles Ratten! Pfeifen nur im Dunkeln!
Gegen Mittag kehrte die Landungsdivision an Bord zurück. Die Männer waren erschöpft, man hatte ihnen nichts geschenkt. Allen ging es wie uns, sie waren von stummer Wut erfüllt, vor allem auf Paradji. Noch am selben Tag lichtete die Zeven Provincien die Anker. Gegen Abend erreichte sie die Reede von Oleh-leh, dem Hafen von Kotaradja. Die Stimmung der Mannschaften war miserabel. Für den nächsten Tag setzte der Kommandant Reinschiff an, die Zeven Provincien war vom Kohlebunkern von oben bis unten verdreckt. Die Arbeit ging langsam voran. Die Decksmeister brüllten sich fast die Seele aus dem Leib, die Männer murrten und fluchten. Aufruhr lag in der Luft. Eine Kleinigkeit konnte zur Explosion führen. Weißbehoste Offiziere tauchten an verschiedenen Stellen auf und wichen ängstlich den schmutzigen Wasserlachen aus. Offenbar hatte sie der Kommandant geschickt, damit sie vermittelten und begütigten.
Vastenhouw ließ das Tauende auf unseren Rücken tanzen. Da sah ich Halim zum ersten Mal weinen, und ich wusste, er weinte nicht vor Schmerz, sondern über unsere Ohnmacht. Was nützte es uns, dass der nächste Tag ein Sonnabend war und uns Ausgang und kostenloser Eintritt ins Oranje-Kino winkte? Die Welt schien uns dunkel wie nie zuvor.
Das Telegramm vom Vizeadmiral, das am Abend am Schwarzen Brett ausgehängt wurde, traf uns wie eine schallende Ohrfeige. Da stand zu lesen, dass in Surabaja nach den holländischen Matrosen nun auch die einheimischen Seeleute den Dienst verweigert hatten, die Situation aber inzwischen geklärt sei. Gleichzeitig wurde die Ordnung und Disziplin auf Ihrer Majestät größtem ostindischen Kriegsschiff gerühmt und belobigt.
Welch eine Schande für uns! Im fernen Heimathafen schlugen sich die Kameraden aller Einheiten und Schiffe tapfer für ihr gutes Recht, das auch das unsrige war, nur die Zeven Provincien zuckelte treu und brav um das halbe Inselreich. Die Matrosen waren aufgebracht. Die Verachtung der ganzen Flotte war uns von Stund an gewiss. So jedenfalls sagte es Halim.
Noch am selben Abend holte uns Rumambi zu einem Treffen der Leitung. Als er unsere trüben Mienen sah, boxte er uns aufmunternd in die Seiten. Missmutig marschierten wir hinter ihm drein. Da würde man wieder nur reden, reden, und dabei blieb es.
Doch wir glaubten unseren Ohren nicht zu trauen, als Paradji seinen Plan vortrug. Kawilaran habe ihm gesagt, man müsse mehr in der Hand haben als ein paar Gewehre mit Übungsmunition, wie das gestern der Fall gewesen sei. Morgen Abend würde dazu eine Gelegenheit sein, die nie wiederkäme. Kommandant und Offiziere feierten bis auf wenige Diensthabende im Atjeh-Klub. Abwesend sein würden auch die Unteroffiziere. Dagegen müsste es möglich sein, alle Leute an Bord zu halten, die zur Tat bereit waren. Gegenüber den paar diensthabenden Offizieren und Unteroffizieren war das eine erdrückende Mehrheit. Ihr musste es fast kampflos gelingen, das Schiff in die Gewalt zu bekommen. Der schwimmende Eisenkasten auf der Reede von Oleh-leh war wie eine uneinnehmbare Festung. In ihrem Besitz, könnten wir unsere Bedingungen stellen: Freilassung der Kameraden in Surabaja, Rücknahme der Soldkürzungen. Durch Funk wäre es möglich, die ganze Welt davon in Kenntnis zu setzen, alle Schiffe und Flotten zur Solidarität aufzurufen.