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Die Chance des Mannes von Günter Görlich
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
08.06.2022
ISBN:
978-3-96521-701-0 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 421 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Liebesroman/Aktuelle Zeitgeschichte, Belletristik/Moderne Frauen, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Politik
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Liebe und Beziehungen, Moderne und zeitgenössische Belletristik, Zeitgenössische Liebesromane, Familienleben
DDR, Liebe, Sexismus, Universität, Ratsvorsitzender, Familienleben, Selbstaufgabe, Neuanfang
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Du hast ein Recht auf Auskunft. Wir haben uns am Königsdenkmal an unseren Abschied vor rund zwanzig Jahren erinnert. Und mit dem Blick auf das Universitätsgebäude fiel mir wieder ein, wie es damals aufgenommen wurde, als ich hier abrupt meine Tätigkeit aufgab, meine Doktorarbeit liegenließ und mit meiner Familie in den Norden übersiedelte, wie dieser Entschluss besonders auf Dich wirken musste.

Du hast alles getan, um meine Entwicklung zu fördern. Steine hast Du mir nie aus dem Weg geräumt, aber Du hast versucht zu zeigen, wie ich sie wegräumen könnte. Damals hast Du mich eindringlich nach dem Grund, dem tatsächlichen Grund meines Weggehens gefragt, und ich habe Dir gesagt, dass ich meinem Mann folgte, der im Norden der Republik eine neue und wichtige Arbeit übernehmen solle.

Das stimmte, war aber nur eine Teilantwort, die Dich nicht befriedigen konnte. Aber damals konnte ich Dir nicht meinen eigentlichen Grund sagen, ich habe es nicht fertiggebracht. Bis heute habe ich keinem diesen Grund mitgeteilt, auch nicht meinem Mann. Nur einer wird wohl geahnt, nein gewusst haben, warum ich so plötzlich aufhörte. Hellwandt. Die Kapazität, der Mann, der heute noch bekannter ist als damals, ich lese seine interessanten und originellen Beiträge. Du hast mir zu meinem Wechsel in Hellwandts Bereich gratuliert, ich weiß, das hat Dich Überwindung gekostet, und ich habe das verstanden. Es war für mich nützlich, in Hellwandts Bereich überzuwechseln, eine neue Qualität der Arbeit erwartete mich, und meine geplante Dissertation lag in richtigen Händen. Ich muss sagen, es begann gut, ich war zufrieden, und das weißt Du ja auch. Hellwandt beeindruckte mich durch seine Sicherheit, seine Souveränität, seinen freimütigen Spott, die leichte Ironie gefiel mir, die immer bei ihm mitschwang, wenn er es mit mir und meinesgleichen zu tun hatte. Hellwandt hatte Welterfahrung. Er kümmerte sich sehr um mich, der Höhepunkt war, dass ich durch seinen Einfluss Teile meiner entstehenden Arbeit in der Fachzeitschrift veröffentlichen konnte. Als ich Bedenken äußerte, sagte er zu mir: Ihre Arbeit hat interessante Aspekte. Stellen wir sie zur Diskussion. Das kann für Sie nur nützlich sein. Sie wollen doch schließlich mal raus an die Öffentlichkeit. Oder wollen Sie so eine emsige Zubringerin werden, eifrig befasst mit Materialsuche und Zuarbeit? Na, sehen Sie.

Also arbeitete ich weiter an meinen interessanten Aspekten. Dann nahm er mich mit zu einer Konferenz nach Leipzig. Dort sollte ich, wie er sich ausdrückte, Mäuschen sein, das internationale Terrain studieren, alles in mich aufnehmen. Die Konferenz sollte vier Tage dauern, und mir fiel es schwer, so lange von zu Hause fortzubleiben. Steffen brauchte mich, er kränkelte oft, und Wolfgang war zu jener Zeit in Karlshorst ziemlich eingespannt. Aber es war schon ein lockendes Angebot für eine Aspirantin.

Am zweiten Abend in der Hotelbar sagte Hellwandt mir unverblümt, dass er mit mir schlafen wolle, er erwarte mich in seinem Zimmer. Ich starrte ihn wohl an, als habe sonst wer mit mir gesprochen. Doch neben mir saß der Mann, der mein Mentor war. Und was hatte der gesagt?

Hellwandt wiederholte nachdrücklich seinen Wunsch.

Genosse Hellwandt, fragte ich, sind Sie verrückt?

Ich bin nicht verrückt, sagte Hellwandt, aber du bist ein verteufelt schönes Weib. Wer soll das schon aushalten in deiner Nähe, ohne Wünsche zu haben. Nun mach mal keine Umstände. Wir sind erwachsene Leute.

Da stand ich auf und ging. In meinem Zimmer habe ich eine Weile geheult, aber nicht lange. Dann fing ich an, meinen Koffer zu packen, wollte abreisen, sah das als einzig mögliche Konsequenz. Ich packte aber wieder aus, legte mich ins Bett. Warum sollte ich abreisen? Für morgen war ein hochinteressanter Vortrag eines ausländischen Wissenschaftlers angekündigt, der konnte für mich wichtig sein. Im Bett sah ich mir Familienfotos an, so richtige Amateurbilder von Steffen und Wolfgang. Du kennst ja unsere erste kleine Wohnung in Weißensee. Ich habe sie geliebt. Alle Aufnahmen waren auf der Wäschewiese hinter dem Haus gemacht. Wolfgang, den Steffen auf dem Arm, schaut lächelnd in die Kamera, dann ich am Fenster oben in der Wohnung, neben mir der Kleine, um den ich einen Arm gelegt habe, und weil von unten nach oben fotografiert wurde, sieht man besonders deutlich meine recht großen Nasenlöcher. Ich dachte in jener Nacht im Hotelzimmer in Leipzig zärtlich an meine Familie in Weißensee, und der charmante Mann und großartige Plauderer Hellwandt kam mir ein bisschen komisch vor. Ich schlief gut. Am nächsten Morgen duschte ich lange, machte besonders gründlich Toilette, überlegte, was ich anziehen sollte. Vielleicht den schwarzen Rock und eine streng wirkende Bluse? Weshalb aber, was ging mich Hellwandt an? Ich entschied mich für mein schönstes Sommerkleid, das Wolfgang besonders liebte. Und jetzt kamen mir der gestrige Abend und die kurze Episode mit Hellwandt in der Bar ziemlich unwirklich vor, als hätte ich das alles nur geträumt.

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