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Ein Anruf mit Folgen von Günter Görlich
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
20.06.2022
ISBN:
978-3-96521-715-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 379 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Thriller/Spionage, Belletristik/Krimis & Detektivgeschichten/Amateurdetektiv, Belletristik/Politik, Belletristik/Familienleben
Privatdetektiv/Amateurdetektiv, Politthriller/Justizthriller, Familienleben, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik
DDR, Stasi, Wende, Russennmafia, Familienleben, Selbstmord, Mord, Schriftsteller
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Robert Berger war aber am nächsten Tag nicht zu Marlene Stallmach in die Linienstraße gegangen. Die Warnung und die Bitte seiner Frau hatten ihn zögern lassen. Vielleicht kommt noch ein Anruf, der ihm Klarheit bringen könnte, hoffte er, der die Befürchtungen Ilonas aufheben würde.

Doch es kam kein Anruf in dieser Hinsicht, die Männerstimme meldete sich nicht.

So entschloss sich Berger am übernächsten Tag doch, „Marlenes Stall“ aufzusuchen. Er hielt die Ungewissheit nicht aus, er hatte auch das Gefühl, in der Sache Jens Krause vor neuen Entdeckungen zu stehen. Oder bildete er sich das nur ein?

Auf dem gewohnten Weg in die Linienstraße legte er sich seine Taktik zurecht. Er nahm sich vor, auf keinen Fall mit der Tür ins Haus zu fallen, sehr vorsichtig vorzugehen bei der Marlene Stallmach und dann auch wahrheitsgemäß über seine eigene Gefühlslage zu reden. Er wollte nicht wie ein Vornehmer wirken, wie ein Schnüffler oder wie ein Schreiber, der eine aufregende Story sucht. Er wollte sich vor der Frau als Betroffener öffnen. Und da musste er sich nicht verstellen.

Berger hatte für seinen erneuten Besuch bei der Stallmach die frühe Nachmittagsstunde gewählt. Er nahm an, dass die Mittagsgäste, die Leute von der Müllabfuhr und die Arbeiter von den umliegenden Baustellen, vielleicht dann nicht mehr in der Kneipe sind. Er hoffte, in eine ruhige Stunde zu kommen, vor dem Ansturm der Männer, die nach Feierabend in „Marlenes Stall“ einkehrten.

Bergers Hoffnung erfüllte sich nicht. Er sah, als er eintrat, fast alle Tische waren besetzt, auch der Tresen war umlagert.

Dann entdeckte er die Wirtin an einem Tisch. Sie saß dort mit zwei Männern, kehrte ihm den Rücken zu. Sie redete und die Männer hörten ihr zu. Berger schätzte die beiden auf Mitte dreißig. Er hätte nicht sagen können warum, er nahm an, dass sie keine Hiesigen waren. Nicht durch ihre Kleidung kam er zu dieser Annahme, sie trugen schwarze Jacken aus Nappaleder, ihr Gesichtsschnitt brachte ihn zu dieser Annahme. Polen oder Russen, schätzte er.

Zunächst wollte sich Berger bei Marlene Stallmach bemerkbar machen, unterließ es dann aber. Die Erzählung der Melanie Schmidt kam ihm in den Sinn über die Männer, die sie mit Jens in der Wohnung angetroffen hatte und die später auch in ihrem Keller auftauchten. Und dann ist noch der seltsame Telefonanruf, den Ilona entgegengenommen hatte.

Er fand einen Platz am Nebentisch, an dem zwei Männer in seinem Alter saßen und schweigend ihr Bier tranken, seinen gemurmelten Gruß in der gleichen Weise erwiderten.

Berger, der eine Armlänge hinter Marlene Stallmach saß, hörte sie reden, doch verstehen konnte er nichts. Sie sprach nicht laut, und in der Gaststube war es nicht gerade still. Dann vernahm er die Stimme eines Mannes, auch er sprach nicht laut, und Berger war es nicht möglich, etwas zu verstehen.

Aber dann sagte der Mann laut, langsam und deutlich: „Bringen Sie uns noch einmal zwei Bier.“

Marlene Stallmach erhob sich sofort und ging zum Tresen.

Berger musterte verstohlen die beiden Männer am Nachbartisch, hoffte, sie würden untereinander ein paar Sätze wechseln.

Doch sie schwiegen, schauten vor sich hin.

Als Marlene Stallmach mit dem Bier an den Tisch zurückkam, bemerkte sie Berger. Sie stutzte einen Augenblick, wandte sich rasch ab, kehrte ihm wieder den Rücken zu. Es war, als dränge sie sich zwischen ihn und ihre beiden Gesprächspartner am Tisch.

Berger wusste nun, sie wollte ihn nicht kennen, jedenfalls jetzt nicht, vor den Männern am Tisch wollte sie es nicht. Berger erhob sich und ging zum Tresen, suchte einen freien Platz und bestellte ein Bier, behielt den Tisch, an dem die Männer mit Marlene Stallmach saßen, jedoch im Blick.

Marlene Stallmach schaute sich rasch um, wollte wohl sehen, ob Berger noch am Nachbartisch saß. Sie lehnte sich sichtlich erleichtert zurück, als sie feststellte, dass Berger nicht mehr hinter ihr saß. Doch als sie ihn am Tresen entdeckte, nahm ihr Gesicht wieder den angespannten Ausdruck an. Sie sprach dann wieder mit den Männern, die ihr mit unbewegten Gesichtern zuhörten und ihr Bier tranken.

Berger beunruhigte das sonderbare Verhalten der Stallmach. Wer sind diese Männer? Was wollen sie von ihr?

In dem Augenblick erhob sich die Stallmach am Tisch und ging hinter den Tresen. Sie spülte Gläser, sah Berger nicht an, tat, als kenne sie ihn nicht, hätte ihn noch nie gesehen.

Doch dann brachte sie ein Bier zu seinem Platz am Tresen. Die Stallmach war blass, zwang sich zu einem unnatürlichen Lächeln, beugte sich zu ihm hinüber.

„Gehen Sie“, sagte sie leise, „Sie müssen jetzt gehen, gleich, auf der Stelle. In Ihrem Interesse. Trinken Sie das Bier aus und gehen Sie.“

„Sagen Sie mir, was los ist“, forderte Berger, „was ist passiert?“

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