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Die Eissee. Die letzte Reise des Willem Barents von Herbert Friedrich
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Preis E-Book:
9.99 €
Veröffentl.:
05.10.2021
ISBN:
978-3-96521-520-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 442 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Thriller/Geschichte, Belletristik/Geschichten vom Meer
Historische Abenteuerromane, Meeresgeschichten, Historischer Roman
Jan Corneliszoon Rijp, Willem Barents, Amsterdam, nördlicher Seeweg, Eismeer, Spitzbergen, Nowaja Semlja, Bäreninsel, Seefahrt, Überwinterung, Seefahrer, Entdecker, Nordostpassage, Skorbut, Kaufleute, Holland, 16. Jahrhundert, Spannung
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„Ein Wrack habe ich, aber kein Schiff!“ Heemskerck hing einen Fluch an. Rijp gestrandet hinter Vlie, die „Eissee“ bei Nowaja Semlja …

„Das Haus muss her, in dem wir überwintern können”, drängte Barents.

Dann bin ich Häusler und wieder nicht Schiffer! schrie es in Heemskerck. Die Last der Verantwortung drohte ihn zu erdrücken. Er presste die Hände gegen die Schläfen. Der Narr da hatte sich festgerannt. Jetzt schob man ihm die Suppe zu. Auf den Kurs hatte er nie Einfluss gehabt. Aber das durch den falschen Kurs entstandene Unheil sollte er abwenden. Hinter der Waigatsch lag die warme See der Archangeler. Er hatte ausholen wollen zum Schlag, nachdem er einen in Eisen geworfen hatte, um sich vorzutasten. Da war ihm der „Engel“ dreingefahren. Verfluchter Satansengel! Drei Männer, drei Kurse. Und gerade sein richtiger Kurs war nicht gewählt worden.

Du bist doch der Falsche auf dem Kahn, dachte Barents beim Anblick dieser verzweifelten Untätigkeit. Er packte die Fellmütze, stülpte sie sich auf den Kopf und verließ wortlos die Kajüte. Eisige Luft drang vom Ruderraum herein.

Wie abwesend starrte der Schiffer auf die Ansicht jener Stadt Amsterdam, von der er so voller Hoffnung ausgefahren war. Er blieb endlos allein und schrak auf, als die Tür erneut geöffnet wurde.

Barents schob den Zimmermann herein. „Der Schiffer will was von dir wissen.“

Der Schiffszimmermann stand vor ihnen, ruppig, missmutig, ungelenk. Barents ließ sich durch dessen leise Abwehr nicht verdrießen.

„Kannst du ein Haus bauen?“, fragte er ohne Umwege, weil Heemskerck keine Anstalten traf zu reden. „Dauerhaft. Kannst du das?“ Er zählte die Anforderungen auf, die an solch ein Haus gestellt werden, das nicht an einer Gracht in Amsterdam stünde, sondern auf einer Insel im Eismeer. Dabei durchforschte er das kühle, verschlossene Gesicht des Zimmermanns. Jener hörte sich an, was der Navigator da vorbrachte. Wie groß das Haus sein müsse, damit sich siebzehn Mann einen langen Winter über, eine einzige Nacht!, nicht gegenseitig auffräßen. Gleichzeitig müsse es genügend erwärmbar sein, dicht gegen Schnee und Kälte und standhaft gegen Eisdruck. Denn von diesem Haus hinge ihr Leben ab.

Der Zimmermann streifte das Gesicht des stummen Schiffers. Auf dessen Befehl hatte er den Bootsmann in Ketten gelegt. Allein das Schließgeld hatte er sich nie geholt. Dieses Stinkgeld, verdammte, wem nützte jetzt noch ein Stuiver. „Ja“, sagte er, „das Haus kann ich machen. Nur gebt mir Holz.“ Er lächelte verkniffen.

Holz in dem Eisland, Bäume in der Schneewüste. Alles andere hatten sie eher als dies. „Dann gebt mir das Schiff“, sagte der Zimmermann.

Kalt fertigte Heemskerck ihn ab. „Wenn du Gefangener der Insel bleiben willst, dann geb ich dir das Schiff.“ Es waren die ersten Worte, die er sprach. Sie klangen sarkastisch und bitter.

Schweigend standen sich die drei gegenüber.

Sie mussten wieder fort von hier, mit dem Schiff, wenn auch erst nach dem Winter. Sie konnten nicht durch die Luft reisen wie die Geister oder über Land ziehen bis nach Holland. Das Schiff hatte sie hergetragen. Sie brauchten es für den Rückweg, seetüchtig.

„Reißt die Back ab“, entschied Barents, „und auch die Hütte“ … Das muss genügen.“ Er wandte sich schroff ab. In dieser „Hütte“ hatte er gezeichnet und gemessen. China hatte er von der „Hütte“ aus finden wollen. Nun würden sie einen Verschlag daraus errichten können auf dem Land, eine ärmliche Behausung, nicht viel mehr Platz für siebzehn Menschen als für ebenso viel Särge.

„Wie lange brauchst du für das Haus?“, fragte Barents mit belegter Stimme. „Zehn Tage, vierzehn Tage“, gab der Zimmermann zur Antwort. Dann stapfte er mürrisch hinaus.

Am nächsten Tag schickte Barents fünf Mann an Land, den Zimmermann, die Bootsleute Duncker und Evert, den Volontär de Veer und den Schiffsjungen. Das Schiff lag ärger eingeschlossen als zuvor. Nicht einmal eine Pütz voll Wasser hätte man rings neben der Bordwand schöpfen können.

Der Junge hatte erst im letzten Augenblick mit Hooghwout getauscht, der hinter jedem Eisriff einen Bären lauern sah. Sie hatten den Auftrag, das Gelände zu erkunden und einen günstigen Platz für die Hütte ausfindig zu machen. Gegen Bären waren sie bewaffnet mit Musketen und Hellebarden. Sie sprangen durch die bizarre Eiswelt, bis sie den Strand erreichten.

Sie waren freilich noch nicht weit, als sie auf den Schiffer Heemskerck und den Hochbootsmann stießen. Heemskerck herrschte sie an, was sie hier umherspazierten. Er hatte entdeckt, dass die Pinasse festgefroren lag. „Zwei Mann zum Schiff zurück, Werkzeug holen, die anderen mit mir ans Boot“, befahl er.

Duncker sah den Zimmermann an, der stand wie ein Klotz. Evert schob den Schnee mit den Füßen zur Seite, und der Junge zog die Hände in die Ärmel. Duncker widersetzte sich. „Wir haben Befehl vom Navigator, einen Platz für das Haus zu suchen.“

Heemskerck betrachtete aufmerksam den Bootsmann mit dem Vogelgesicht. Er fror und fühlte sich schmutzig und unrasiert. Nichts unterschied ihn von jenem, der seinem Auftrag nicht Folge leistete. Kein Spitzenkragen mehr, kein spitzenbesetzter Ärmel. Ein frierender, um sein Schiff gebrachter Kapitän. Einer wie jeder andere hier.

Heemskerck hatte Mühe, sich nicht durch Dunckers Ablehnung hinreißen zu lassen. „Wenn euch der Navigator ins Land schickt“, presste er heraus, „dann sollt ihr gehen. Aber nicht alle. Zwei müssen zurück zum Schiff, um Werkzeug zu holen und Leute.“

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