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Der siebente Winter von Jan Eik
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
26.07.2015
ISBN:
978-3-95655-427-8 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 284 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Thriller/Spannung, Belletristik/Krimis & Detektivgeschichten/Amateurdetektiv, Belletristik/Krimis & Detektivgeschichten/Polizeiprozesse, Belletristik/Thriller/Spionage
Kriminalromane und Mystery, Kriminalromane und Mystery: Polizeiarbeit, Thriller / Spannung, Spionagethriller
Privatdetektiv, Krimi, Spannung, Thriller, DDR, Raubüberfall, Mord, Lohngelder
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Früher hatten sie über die gleichen Witze gelacht und in Mittweida nebeneinander in Ehebetten geschlafen, ohne dass ihm an Hannes jemals eine besondere Neigung aufgefallen war. Der Gedanke daran entlockte ihm jetzt unwillkürlich ein Grinsen.

Korn startete den Wartburg und fuhr in nördlicher Richtung auf die Invalidenstraße zu. Er kannte sich nicht gut aus in diesem Teil der Stadt, und es herrschte bereits reger Feierabendverkehr, der seine Aufmerksamkeit forderte. Dennoch ging ihm im Kopf die Frage herum, von wem er erfahren konnte, was seit gestern beim RIF tatsächlich passiert war? Von Androsch gewiss ebenso wenig wie von Hadank. Die saßen vermutlich als permanent tagender Krisenstab in Hadanks Büro beisammen und vermissten ihn. Und Adelheid hatte der Major wegen dieser dämlichen Terminänderung im Visier.

Die Sache stank. Irgendwie musste herauszukriegen sein, wer es auf das Geld abgesehen hatte. Sosehr der Gedanke auch schmerzte: Der Schlüssel für den Raubüberfall konnte nur beim RIF liegen; nicht bei Graubaum oder Rosanke. Oder bei Ulf Dettenberg. Den Morgenbesuch hätte er sich schenken können. Eine Schnapsidee, Ulf mit einer solchen Räuberpistole zu überfallen. Kein Wunder, dass er sich beunruhigt fühlte.

Und dann kam ihm Cordula Landgraf in den Sinn. Die Sekretärinnen sind die wahre Macht in jedem funktionierenden Betrieb.

Das Haus, in dem Cordula Landgraf wohnte, fand Korn wieder, obwohl eine Haustür in der Straßenzeile aussah wie die andere und es bereits dunkelte. Zwei-, dreimal war er bei ihr gewesen, um dringende Arbeiten zu bringen oder abzuholen, wenn Cordulas Tochter krank war. Das lag Jahre zurück. Und vor beinahe ebenso langer Zeit, nach einem Kollektivabend in einem Pankower Nobelschuppen à la ‚Nina‘, hatte er vor dieser Haustür ein halbes Stündchen mit Cordula gestanden und sich schließlich mit einem züchtigen Wangenkuss von ihr verabschiedet.

Er mochte sie, das gab er unumwunden zu. Nur hatte ihn noch nie jemand danach gefragt. Seltsamerweise nicht einmal Regina, die früher gelegentlich Regungen von Eifersucht gezeigt hatte.

Cordula schien gerade gebadet oder geduscht zu haben. Ihr Teint sah noch rosiger aus als sonst, und sie trug einen weiten Bademantel, den sie erst im Zimmer zuband. Über den Sessel verstreut lagen ihr Pullover und ihre Unterwäsche. Auf der breiten Liege war das Bettzeug in eine Decke gerollt, davor ein Stapel Wäsche, die Cordula anscheinend von der Leine genommen hatte.

„Entschuldige bitte, wie es hier aussieht. Ich bin nämlich allein. Ulrike ist noch im Schwimmlager.“

Sie räumte den Sessel frei und entfernte unauffällig ein halb geleertes Glas Rotwein vom Tisch. Korn fühlte sich wie ein Voyeur.

Die Abwesenheit der Tochter irritierte ihn. Er kannte Ulrike: ein langbeiniges und wenig anmutiges Kind, das alljährlich bei der Maidemonstration still neben Cordula hertrottete.

An der Wand über der Liege war sie in allen Lebenslagen und Lebensaltern zu besichtigen. Aus einem Porträt blickten ihn Cordulas wache Augen an. So schien es ihm jedenfalls. Ein vertrautes Gesicht. Dabei war Ulrike kurzhaarig und blond. Und ihre Lippen besaßen einen anderen Schwung als die ihrer Mutter. Über den Vater gab es damals mancherlei Gerüchte.

Korn forschte unter den Bildern an der Wand nach einer männlichen Person, entdeckte aber nur Cordula mit einem knappen Badeanzug und ein älteres Ehepaar zusammen mit Ulrike. Die Großeltern wahrscheinlich.

„Mach es dir bequem“, sagte Cordula. Korn fühlte sich ertappt. Sie duzten sich seit Langem. Er hatte sie schon in ihrer Lehrzeit gekannt, und da war es ihm so wenig wie den anderen eingefallen, sie Fräulein Landgraf zu nennen. Als sie die Planstelle beim RIF übernommen hatte, bot er ihr sofort das Du an, ohne auf die übliche Brüderschaftsmasche bei der nächsten Kollektivfete zu warten.

Sie war schon ein patentes Mädel, die Cordula. Nahm die Dinge so selbstverständlich, wie sie kamen; war ordentlich und ungeheuer zuverlässig, ab und zu mal beleidigt, meistens jedoch freundlich und aufgeschlossen, solange es nicht galt, unerwünschte Besucher abzuschrecken oder für mehr als drei Gäste Kaffee zu kochen.

„Ich brühe dir erst einmal einen Kaffee“, sagte sie und verstand natürlich nicht, weshalb er lachte.

„Ich habe gerade einen Mokka getrunken. Erinnerst du dich an Rosanke? Hannes Rosanke?“

„Dunkel“, sagte sie.

„Sein Verlobter hat mir einen echten Mokka serviert. Er ist gelernter Kellner.“

„Was wolltest du bei Rosanke? Hat der nicht irgend so eine Bar?“

„Das ist eine lange Geschichte ...“

„Kann ich dir nichts anbieten? Vielleicht einen Juice?“

„Oransch“, sagte Korn und lachte wieder. „Nein, nein. Wenn du mir durchaus etwas anbieten willst, dann eine Scheibe Schwarzbrot bitte. Ohne Butter. Einfach nur Brot.“

„Bist du neuerdings Diabetiker?“

„Ich habe vor abzunehmen.“

Sie musterte ihn kritisch. „Du siehst schlecht aus“, stellte sie fest. „Du rauchst zu viel. Das ist dein Problem.“

In diesem Ton sprach sie im Betrieb niemals zu ihm. Korn sagte stolz: „Ich rauche gar nicht mehr.“

Sie würdigte es nicht recht, weil das Telefon läutete.

„Ja?“, meldete sie sich, und Korn fiel wieder einmal auf, wie angenehm ihre Stimme klang. Ein Versprechen schien darin mitzuschwingen. Für wen?

Ihr Gesprächspartner redete lange auf sie ein. Sie setzte sich auf die Kante der Liege. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Sie hörte zu, die kleine Hand fest um die Hörmuschel gelegt.

Korn machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen. Sie hob die Augenbrauen und schüttelte leicht den Kopf.

„Ich muss nach meinem Badewasser gucken“, sagte sie.

„Dann also heute nicht.“

Die Stimme im Hörer drang bis an Korns Ohr.

„Nein, nein. Natürlich habe ich Verständnis“, sagte Cordula. „Tschüs denn. Ich warte auf deinen Anruf.“

Das klang nicht mehr nach zärtlichem Versprechen. Sie legte auf und sah Korn fröhlich an. „Meine Freundin. Sie wollte heute Abend kommen. Hat mal wieder eine Ausrede.“

Korn lächelte verlegen. Er war sicher, eine Männerstimme erkannt zu haben. Das ging ihn nichts an.

„Ich werde dich nicht länger stören“, sagte er.

„Wie kommst du darauf? Erzähl mal, was los ist.“

„Das würde ich gern von dir erfahren. Deshalb bin ich hier.“

„Weil unsere Jahresendprämie verschwunden ist, fängst du plötzlich an zu hungern und gewöhnst dir das Rauchen ab? Ich sehe da keinen Zusammenhang.“

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