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Als die Hebräer in vorbiblischen Zeiten von Ägypten aufbrachen, versprach der Herr ihnen, dass sie nach ihrer Flucht in ein Land kämen, wo Milch und Honig fließen würden.
Ich kann mir vorstellen, dass die alten Hebräer nicht enttäuscht waren, als sie ihr Ziel dann endlich erreichten. Galiläa, auch an den Ufern des Genezareth wird es Milch und Honig Milch gegeben haben. Auch heute ist dieses Land fruchtbar: Olivenhaine, Dattel- und Feigenbäume, Orangen, Bananen, Pinien. Die grünen Hänge des Mont Meron liegen hinter uns.
Als wir hinunter zum See Genezareth fahren, fallen mir die zahlreichen Plantagen auf. Allerdings sind große Teile Israels versteppt oder verwüstet. Über Jahrhunderte legten die Hebräer, Römer, Byzantiner, Araber, Osmanen und wie sie alle hießen, kräftig Hand an und hackten und sägten die Wälder des Gelobten Landes einfach weg. Das Holz wurde im Schiffbau verwendet, exportiert oder einfach verheizt. Auch die Hügel Galiläas waren einst komplett bewaldet. In den letzten Jahrzehnten wächst die Waldfläche allerdings wieder, denn der Jüdische Nationalfonds (KKL) hat seit der Gründung des Staates Israel das ehrgeizige Ziel, aus dem Land Israel wieder ein Land, in dem Milch und Honig fließen, zu erschaffen. So wird seit 50 Jahren das größte Waldgebiet des Nahen Ostens angelegt: Yatir, eine Waldfläche von 4000 Hektar mit etwa vier Millionen Bäumen, hauptsächlich Pinien, Zypressen, Eichen und Mandelbäumen. Diese Oase liegt am östlichen Rand der Wüste Negev und ist nur eines von vielen ehrgeizigen Wiederaufforstungsprojekten. Der KKL sammelt sogar in Deutschland. So entstand der „Wald der deutschen Länder" in der Nähe von Beer Schewa. Hier wachsen 500 000 Bäume.
Die Straße nach Tiberias menschen-, autoleer. Natürlich, es ist noch Sabbat. Unser erstes Ziel: Tabgha, die Brotvermehrungskirche. Neben uns ziehen sich die Plantagen des Kibbuz Ginosar entlang: Feigenbäume, Dattelpalmen, mit Netzen gegen Räuber und anderes Ungeziefer geschützt. Ein Geröllweg teilt die Fläche, so sehe ich für einen Moment eine Wasserfläche aufblinken. Weit, weit hinten verschmelzen Berge mit dem blauen Himmel. Michael überholt einen deutschen Reisebus aus Weilheim in Oberbayern. Pilger, Touristen? Wohl Pilger, des bayerischen Kennzeichens wegen. Auf dem Parkplatz vor der Vermehrungskirche herrscht nun keine Sabbatruhe. Reisebusse, viele Autos, eine Gruppe Touristen kommt laut schwatzend aus dem Souvenirshop. Yonatan erkundet die Preise, wird von seinem Vater zurückgepfiffen. Da kommen auch die Oberbayern. Eine kurzberockte Frauenschar, ihre Männer mit blanken Knien in den Schlepptauen, entsteigt dem Bus. Also doch keine Pilger, aber Oberbayern, nicht zu überhören.
Bild 111: Die Brotvermehrungskirche
Vor uns die Kirche, byzantinisch wirkend, wohl eher postbyzantinisch, denn die Mauern sind zu glatt, kein Zahn der Zeit hat an ihnen genagt. Später lese ich, dass die Kirche 1980 bis 1982 erbaut wurde, immerhin auf den Fundamenten der alten byzantinischen Kirche. Von Palmen gesäumt ein kurzer Weg, die helle Mauer von Halbbogenfenstern durchbrochen, Gitter davor, die das Gebäude schützen sollten. Sie haben es nicht vermocht, denn vor einem halben Jahr brannte es hier.
Im Atrium sehen wir die Brandspuren: verkohlte Balkenköpfe. Teile des Atriums, des Pilgerbüros, des Diwans, das zu Jerusalemer Dormitio-Abtei gehörende Benediktinerpriorat, wurden ein Opfer der Flammen. Im Atrium Bilder und Berichte über den Brand. Ein Bild, darauf ein hebräisches Graffito: „Falsche Götter werden wir vernichten". Ende Juli wurden die beiden jugendlichen Attentäter gefasst, Mitglieder einer geheimen rechtsextremen Siedlerorganisation, die zuvor schon Attentate auf Palästinenser begangen und Moscheen und christliche Einrichtungen angezündet hatten. Brandgeruch lagert noch auf den Mauern und Steinen der Kirche. Wie lange noch in manchen Köpfen?
Hell flutet das Licht durch die hohen Fenster des Kirchenschiffes, als wolle es die Schwärze der verkohlten Balken vergessen lassen. Die Kirche, obwohl ein Neubau wie die protzige Verkündigungskirche in Nazareth, wirkt so ganz anders. Schlicht, wenig Mobiliar, der Deckenleuchter geschmiedet ohne Schnickschnack, Säulen, nur die Kapitel verziert, trennen das Schiff in drei Teile. Eine einfache Holzdecke, sie stammt aus Deutschland, ebenso wie die beiden Architekten, die das Gebäude entwarfen. Hinten im Chor ein schlichter Altar. Darunter der Stein, von dem aus Jesus die 5000 Leute mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen gesättigt hat. Oh, könnte er dies Wunder auch noch heute vollbringen. Der Hunger wäre auf der Erde längst besiegt. Ein biblisches Gleichnis, mehr nicht. Aber doch viel.
In einem Roman las ich, dass die Orientalen, ob jung oder alt, immer Nahrung in ihren Kleidern mit sich führten, wenn sie auf Wanderschaft waren, denn Kaufhallen, McDonalds und Restaurants waren damals nicht gerade reichlich gesät. Ich denke, so wird es auch zu biblischen Zeiten gewesen sein. Nach stundenlangem Predigen teilten Jünger Jesus mit, dass seine Zuhörer Hunger hätten und er sie nach Hause schicken solle. Doch Jesus verneinte, denn er war sich sicher, dass die Leute Nahrung bei sich trugen. Auf seine Frage, wer von ihnen etwas hätte, meldete sich allerdings nur eine Person. Ein Kind, das seinen Besitz, nämlich die Brote und den Fisch, ehrlich kundtat. Die Erwachsenen, die ihren Proviant unter ihren Kleidern trugen, schämten sich und teilten daraufhin mit denen, die nichts hatten. Ist so vielleicht die Geschichte gewesen und daraus die Metapher entstanden?
Mich fasziniert nicht der Kantinentresen unter dem Altar, sondern die Mosaiks, die in den 30er Jahren entdeckt wurden. Vor dem Altar das wohl bekannteste Mosaikbild des Nahen Osten: Der Brotkorb und die beiden Fische. In seiner fast naiven Art so aussagekräftig. Die Botschaft reduziert auf das Nötigste. Drumherum die anderen Darstellungen meisterhafter, verspielter, mit Ornamenten: Ibisse, Enten, Flora und Fauna des Nils und seiner Umgebung. Auch den Nilmeter aus Zippori entdecke ich wieder. Völlig vertieft, verpasse ich den Anschluss an die Karawane. Doch nicht alleine, denn Erika und Rike sitzen noch auf einer Bank an der Innenmauer. Ein schönes Fotomotiv: Mutter und Tochter in tiefem Gespräch. Dann rauscht eine Dame in ultrakurzen Hotpants und wirklich starken Beinen und Po an ihnen vorbei und sie werden aus ihrem Gespräch gerissen. Ach ja, die Schlichtheit und Schönheit des Mosaiks ... aber selbstbewusst kommt man durchs Leben. Und draußen entdecke ich noch die Termintafel der Veranstaltungen - auf Deutsch. Und etwas Heimatgefühl kommt auf.
Nächstes Ziel: Der Berg der Seligpreisung, der Ort nur wenige Kilometer von hier entfernt. Jesus war überaus aktiv am See Genezareth. Ich denke, die wunderschöne Landschaft am Seeufer wird ihn auch inspiriert haben. Auf dem Berg ist eine Kirche errichtet worden.
So langsam nimmt der Straßenverkehr zu, wenn man hiesige Verhältnisse vergleicht. In Tel Aviv würde man solch freie Straßen wohl nie sehen. Vielleicht am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, an dem wirklich alles ruht.
Wieder durchfahren wir die künstlichen Oasen des benachbarten Kibbuz. Ein brauner Wegweiser, hebräisch, arabisch, englisch - dahinter das Ufer des Sees und das hügelige Gegenüber. Als wir vor dem Tor stehen, ist es verschlossen. Hier gilt der Sabbat wohl auch für einige christliche Stätten.
Rückkehr um 14.00 Uhr. Ein deutsches Schild - die Franziskaner sind hier die Hüter des Heiligen Landes.
Die Mittagshitze drückt, die Badehosen sind eingepackt. Strandbad gibt's zu Hause. Hier wird im Heiligen See, wieder eine Wirkungsstätte Jesus, gebadet. Nadav kennt eine Stelle. Auf in Richtung Tiberias. Unterwegs immer wieder herrliche Blicke auf den See. Über dem nordöstlichen Ufer die Golanhöhen. Wandergebiet mit herrlichen Quellen, erzählt Merav. Auch Tali ist dort schon öfter gewesen. Ein Ziel für den nächsten Urlaub in Israel. Die Straße schmiegt sich fast an das Ufer.
Neben uns grauer Felsen, unter uns Palmen, Büsche, üppige Vegetation, unterbrochen von Felsen.
Ein leuchtend rotblauer Strauch mit unzähligen Blüten am Straßenrand. Die Büsche sind mir schon vorher aufgefallen. „Bougainvillea", erklärt Arielle. Der Name sagt mir nichts. Erika entdeckt den Strauch unter dem deutschen Namen „Drillingsblume" im Internet, ein Import aus Südamerika, aber auch in Ägypten beheimatet. So ein Smartphone hat doch seine Vorteile, auch wenn man immer erreichbar ist. Ein breiter Standstreifen bietet Platz für unsere drei Autos.