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Die Mühle vom Roten Strumpf.Nachforschungen über ein Handwerk von Jürgen Borchert
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
27.01.2014
ISBN:
978-3-86394-697-5 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 164 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Biografisch, Belletristik/Krieg & Militär
Historischer Roman, Kriegsromane, Biografischer Roman, Familienleben
Mühle, Müller, Dabel, Döscher, Sanssouci, 2. Weltkrieg, Denkmalschutz, Mecklenburg
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So schön sie ist, die Geschichte des Müllers von Sanssouci, so ist sie aber doch leider von vorn bis hinten erfunden. Diese Feststellung indes trifft auch auf andere schöne Geschichten nicht gerade selten zu. Nicht dass solche Geschichten dadurch schlechter würden: Wüsste man von Anfang an, dass Fantasie im Spiele ist, könnte man den Einfallsreichtum des Geschichtenerfinders viel besser würdigen.

Erzählt wird die Anekdote meist so, dass Friedrich Zwo, als er Sanssouci errichten ließ, sich über die unschöne und lärmende Mühle geärgert und dem Müller mit gewissem Nachdruck den Verkauf an den Fiskus vorgeschlagen habe. Der Müller habe darauf nur geantwortet: «Ja, Majestät, wenn das Berliner Kammergericht nicht wäre!», und F. II. habe daraufhin klein beigegeben.

Das Berliner Kammergericht, bereits 1516 gegründet und oberste juristische Instanz Brandenburg-Preußens, war unter den Königen mehrfach neu geordnet und mit höchsten Befugnissen ausgestattet worden, und auch Friedrich II. war auf diese seine «unabhängige» Rechtsprechungsanstalt nicht wenig stolz. Vaterländisch betrachtet, konnte daher die Anekdote gar nicht anders enden - stellte sie doch den Gerechtigkeitssinn des Königs ebenso unter Beweis wie die angebliche Rechtssicherheit der Untertanen nach dem Motto: Was Recht ist, muss Recht bleiben.

Aber schon Johann Georg Ritter von Zimmermann hat in seinem Buch «Über Friedrich den Großen und meine Unterredungen mit ihm» im Jahre 1788, als die Ereignisse um die Mühle noch gar nicht so lange zurücklagen beziehungsweise noch im Gange waren, die Sache ganz anders erzählt:

«Eine Windmühle, die dem König sehr missfiel, stand dicht über der Orangerie zu Sanssouci. Er ließ darum dem Besitzer sagen, er verspreche ihm ein sehr beträchtliches Geschenk an Gelde und an einem anderen Orte drei (!) sehr schöne Windmühlen, wenn es ihm beliebe (!!), dem König diese Mühle abzustehen. Trotzig und schnöde erwiderte der Müllermeister: Meine Windmühle hat mich und meine Kinder nun lange ernähret, und ich habe auch da eine schöne Aussicht; also will ich auf meiner Windmühle leben und sterben! Mit dieser Antwort begnügte sich der König (!!!), und der Müller behielt seine Mühle.»

Die eingeklammerten Ausrufezeichen habe ich hinzugesetzt - sie markieren die Stellen, wo Devotion in Geschichtsklitterung umschlägt.

Geht man nun der Sache auf den Grund, stellt man staunend fest, dass eigentlich alles ganz anders gewesen ist - beide Zitate, sowohl das vom Kammergericht als auch die «schnöde» Antwort des Müllers nach Zimmermann, sind niemals in dieser Form gefallen. Die Akten sagen die Wahrheit. Zum Ersten handelt es sich nicht um den, sondern um die Müller von Sanssouci. Der erste hieß Grävenitz; er erbaute mit Erlaubnis König Friedrich Wilhelms I. die Mühle im Jahre 1737. Er beschwerte sich später, dass durch den Bau des Schlosses und den hohen Baumwuchs des Parkes ihm der Wind genommen sei. Der Alte Fritz aber, der erst gesonnen war, dem Manne zu helfen und ihm anderswo eine Mühle zu schenken, änderte seine Meinung, denn die Mühle gefiel ihm, weil sie dem Schloss zur Zierde gereichte. Also änderte sich nichts, bis Grävenitz 1763 seine Mühle an einen Müller namens Kallatz verkaufte, der jedoch bankrott machte, wodurch 1764 ein neuer Besitzer einzog. Der hieß Vogel und verpachtete seinerseits wieder an einen Mann mit dem schönen Namen Hering. Als Friedrich II. starb und Friedrich Wilhelm II. zur Regierung gelangte, warf der Vogel den Hering aus dem Pachtvertrag und mahlte wieder selbst. Später betrieb seine Witwe die Mühle noch eine Weile, bis auch sie zur Grube fuhr und die Erben den inzwischen prächtig ausgebauten Holländer versteigerten. Den Zuschlag erhielt der Müller Walsleben. Dessen Nachfolger hieß Meyer, er trat 1843 in seine Geschäfte ein.

Alle diese Müller - Grävenitz, Kallatz, Vogel, Hering, wieder Vogel, Vogel-Witwe, Walsleben und Lehnsmüller Meyer - haben seit der Errichtung der Mühle bis 1850 ständig mit dem Fiskus im Streit gelegen. Mal waren ihnen die Bäume zu hoch, dann wieder die Steuern. Dann setzten sie sich hin und schrieben eine Supplik an die Verwaltung. Die Verwaltung antwortete, wie es Verwaltungen an sich haben: mal zustimmend, manchmal ausweichend, meistens ablehnend. Vors Kammergericht ist - und schon gar nicht zu Lebzeiten Friedrichs - keine einzige dieser Akten gelangt. Sie verschwanden in den Depositorien des Amtes Potsdam.

Von dem hübschen Märchen, den Preußenkönig habe das laute Klappern der Mühle gestört, wenn er in Sanssouci in seinem Studierkabinett saß und seinen Voltaire empfing, bleibt nichts übrig. Schließlich stand die Mühle nicht direkt hinter dem Schloss, wie man durch die Lage der heutigen Kneipe Historische Mühle vielleicht verführt werden möchte, das anzunehmen. Die Ruine der Mühle liegt noch einige fünfzig Meter weiter hinter den Neuen Kammern, die die berühmte Gemäldegalerie von Sanssouci beherbergen. Schon in rein technischer Hinsicht hat Friedrich die Mühle nicht klappern hören können, so laut klappert die beste Mühle nicht. Und soll er, der König, nicht auch schwerhörig gewesen sein?

 

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