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Klappersteine.Feuilletons von Jürgen Borchert
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
31.01.2014
ISBN:
978-3-86394-696-8 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 135 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Biografisch, Belletristik/Kurzgeschichten
Historischer Roman, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories, Biografischer Roman, Mecklenburg-Vorpommern
Richard Wossidlo, Kücken, Seddin, Heinrich Seidel, Grabow, Ludwigslust, Johannes Gillhoff, Heiligenstadt
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Grabower Stadtwappen

Grabow in Mecklenburg liegt an der Elde, mit d wohlverstanden, jenem schiffbaren Flüsschen zwischen Müritz und Elbe, ist also, mitten im Binnenland, auch Schifferstadt mit Mole und Hafen, steht da auf einer Insel, von zwei Armen des Wasserlaufes freundlich eingefasst, brannte 1726 einmal recht gründlich ab und wurde dann so aufgebaut, wie es heute zu sehen ist: aus buntem, lustigem Fachwerk und Bürgerfleiß, »Geduld, Vernunft und Zeit macht möglich die Unmöglichkeit«, so steht es, Breitscheidstraße 20, über der Tür.

D-Züge halten nicht, Autos werden vermittels neu erbauter Umgehungsschleife um das Vergnügen gebracht, Grabow durchfahren zu dürfen, und auf einem Schifferkahn - diese müssen ja hindurch - fährt kaum mal ein Fahrgast. Also denken sich die Leute »nichts bei«, wie man in Mecklenburg sagt, was ist das schon, Grabow i/M, Landnest mit Kopfsteinpflaster.

Aber die Personenzüge halten, und die Umgehungsstraße hat auch Abzweige ins Stadtinnere, und dorthin gelangt, steht man vor dem Rathaus und ändert seine Meinung. Denn das Rathaus, stellvertretend für ganz Grabow, nimmt für sich ein durch mancherlei freundliches Beiwerk, durch freundliches Aussehen überhaupt. In solchen Rathäusern ist gut Rat halten. Breit hingelagert, Fachwerk natürlich, braunes Holz und gelbliches Gefach, Walmdach, obenauf ein lustiges, luftiges Zwiebeltürmchen, das steckt seine Wetterfahne als den Endpunkt der Symmetrieachse in den blassblauen mecklenburgischen Himmel, das untere Ende dieser Achse bildet der Fuß der Treppe, die links und rechts geschwungen zur eichenen Eingangstür führt, und über dieser - endlich das Wappen. Es ist das lustigste Wappen, das ich je sah: Mond und drei Sterne, golden auf blauem Grund, ein heiteres Symbol, undeutbar vielleicht, aber fröhlich. Unter diesem Wappen die Tür ließ Johann Mann hindurch, den Stammvater der Lübecker Dichterbrüder, anno 1726 ehrbarer Ratsverwandter zu Grabow, wenn er zu Rate schritt; sie sah Bürgermeister Franz Floerke, den Freund Fritz Reuters, wie er in ihr stand, die Arme ausgebreitet, den Deportierten aus den Händen eines Preußischen Büttels zurückzuempfangen, 1839, stellvertretend für das demokratische Mecklenburg. Immer war das Wappen über der Tür, lächelnd der links stehende Halbmond, strahlend und sechszackig rechts die drei Sterne. Sechszackig? Doch wohl nicht Davidssterne?! Die Ähnlichkeit mit jenen Sternen, die mancher Grabower Bürger in finsteren Jahren auf der Brust zu tragen hatte, war nicht wegzuleugnen, und so konnte das Wappen im Jahre 1940 nicht länger geduldet sein. Grabow erhielt also ein neues, einen heiligen Georg, »Ge-oorch« sagten die Grabower, mehr wohl ein Siegfried im Kampfe mit dem Drachen und das Hakenkreuz in der Standarte, welche nicht nur heraldische Unmöglichkeit im Jahre 1945 selbstredend wieder verschwand. Es ging also in Grabow an jenem Maitag nicht nur die Sonne wieder auf, sondern auch Mond und Sterne kamen wieder hervor, und sie über der Rathaustür im Wappenschilde zu sehen, lohnt schon den Weg in die Stadt.

 

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