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Sie sind hier: EDITION digital: Newsletter 21.11.2025 - Eine Weihnachtsweltreise, ein schwimmender Palast sowie Enttäuschungen

Eine Weihnachtsweltreise, ein schwimmender Palast sowie Enttäuschungen auf Mallorca - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

Achtung, bevor Sie weiterlesen, noch ein wichtiger Hinweis: Ab Mai 2026 versendet EDITION digital diesen Newsletter sowie die aktuellen Pressemitteilungen nicht mehr per E-Mail. Diese Texte können Sie aber zumeist sogar eher selbst unter den Internet-Adressen https://edition-digital.de/Blog/ (bisheriger Newsletter) und https://edition-digital.de/Presse/ (Pressemitteilungen) finden. Probieren Sie es doch jetzt schon mal aus – zum Eingewöhnen.

(Pinnow 21.11. 2025) – Bald nun ist Weihnachten. Passend dazu hat Autorin und Verlagschefin Gisela Pekrul eine Neuerscheinung für kleine und große Weihnachtsfreunde geschrieben – es ist das fünfte und letzte der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die sieben Tage lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 21.11. 2025 bis Freitag, 28.11. 2025) zu haben sind. Aber schon wegen seines Themas soll es hier und heute an erster Stelle stehen. Denn es geht um „Weihnachten weltweit – 24 Geschichten zum Staunen“. So lautet der Titel dieses Adventskalenders zum Lesen und Vorlesen, der zeigt, dass es Weihnachten überall gibt, aber überall ein bisschen anders!

Der liebevoll erzählte Adventskalender lädt dazu ein, Noah, Joshua und Ilijan auf ihrer Reise durch 24 Länder der Welt zu begleiten - vom verschneiten Island bis zum sonnigen Brasilien, von der Weihnachtsmesse in Äthiopien bis zum Lichtermeer in Tokio. In jeder Geschichte erleben die Kinder spannende Abenteuer, lernen neue Freunde kennen und entdecken, wie unterschiedlich und doch vertraut Weihnachten auf der ganzen Welt gefeiert wird. „Weihnachten weltweit“ gibt es auch als Loseblattsammlung und eignet sich sowohl zum Lesen und Vorlesen - für neugierige Kinder ab 6 Jahren, ihre Geschwister, ihre Eltern und Großeltern und andere Weihnachtsfreunde.

Hier die erste der 24 Adventsgeschichten aus „Weihnachten weltweit“:

1. Philippinen: Weihnachten beginnt im September

„Seht ihr das? Hier sind schon Weihnachtsbäume!“, rief Noah erstaunt, als er mit seinem Bruder Joshua und ihrem Freund Ilijan aus dem Flugzeug stieg. Es war Anfang Dezember, aber überall auf den Philippinen funkelten Lichterketten, bunte Sterne und riesige Weihnachtsdekorationen.

„Ich dachte, Weihnachten beginnt erst am 24. Dezember …“, murmelte Joshua verwundert.

„Nicht hier!“, lachte Ilijan. „In den Philippinen beginnt Weihnachten schon im September!“

Am Flughafen wartete bereits ihre Gastfamilie – Carlos und seine Schwester Mia.

„Mabuhay! Willkommen auf den Philippinen!“, rief Carlos. „Ihr kommt genau zur schönsten Zeit des Jahres!“

Schon am nächsten Morgen wachten die Jungen früh auf – oder besser gesagt: Sie wurden geweckt.

„Warum spielt draußen so laute Musik?“, murmelte Noah verschlafen. Carlos lachte. „Es ist Zeit für Simbang Gabi! Die Weihnachtsmessen beginnen um 4 Uhr morgens.“

„4 Uhr?!“, rief Joshua schockiert. „Wer steht denn so früh auf?“ „Jeder! Wer alle neun Morgengottesdienste besucht, bekommt einen Wunsch erfüllt!“, erklärte Mia.

Die Jungen machten sich verschlafen auf den Weg zur Kirche. Dort war es voller Menschen, überall brannten Kerzen, und es wurden fröhliche Lieder gesungen.

Nach der Messe gab es eine Belohnung: Bibingka und Puto Bumbong, süße Reiskuchen mit Butter und Zucker.

„Das ist das beste Frühstück aller Zeiten!“, sagte Ilijan begeistert.

Am Abend hatten Carlos und Mia eine Überraschung für die Jungen.

„Heute gehen wir Karoling!“, erklärte Carlos.

„Was ist das?“, fragte Joshua.

„Wir singen Weihnachtslieder vor Häusern – und bekommen Süßigkeiten oder kleine Geschenke dafür!“

Mit einer Gitarre und selbstgebastelten Rasseln zogen die Kinder durch die Straßen und sangen „Feliz Navidad“ und andere Weihnachtslieder.

„Das ist ja wie Halloween, nur mit Musik!“, lachte Noah, als eine ältere Frau ihnen eine Tüte voller Bonbons gab.

„Ja, nur viel fröhlicher!“, sagte Mia strahlend.

Am 24. Dezember war es endlich soweit: Heiligabend!

Die Familie bereitete das große Festessen vor. In der Küche brutzelte das Lechon – ein ganzes gegrilltes Schwein, und auf dem Tisch standen Nudeln, runder Käse und süßer Schinken.

„Warum gibt es so viele runde Dinge?“, fragte Noah neugierig.

„Weil runde Dinge für Glück stehen!“, erklärte Carlos.

Kurz vor Mitternacht versammelte sich die ganze Familie um den Tisch. Alle beteten zusammen, dann begann das große Festessen.

„Bei uns in Deutschland essen wir am Heiligabend Kartoffelsalat und Würstchen – aber das hier ist ja ein richtiges Festmahl!“, rief Ilijan begeistert.

Nach dem Essen warteten alle auf Mitternacht.

„Warum warten wir?“, fragte Joshua.

„Weil es gleich Geschenke gibt!“, flüsterte Mia.

Punkt 0:00 Uhr wurde es spannend: Jeder bekam ein Geschenk – oder ein „Aguinaldo“!

Aguinaldo? Die Jungen staunten, als sie rote Umschläge mit Geld bekamen.

„Das ist unser Weihnachtsgeld von den Großeltern und Paten!“, erklärte Carlos.

Joshua grinste. „Ich wünschte, das gäbe es bei uns auch!“

Am 25. Dezember besuchten die Jungen mit Carlos und Mia viele Familienmitglieder. Überall gab es Essen, Musik und Geschenke. Sie spielten mit anderen Kindern und sangen Weihnachtslieder. Sie sammelten noch mehr „Aguinaldo“ von Tanten und Onkeln.

„Hier ist Weihnachten so laut, so fröhlich und soooo lang!“, rief Ilijan begeistert.

Carlos lachte. „Und es ist noch nicht vorbei – unser Weihnachten geht bis Januar!“

Als die Reise zu Ende ging, waren die Jungen voller Begeisterung.

„Das war das fröhlichste Weihnachten, das ich je erlebt habe!“, sagte Noah.

„Ja – und das leckerste!“, fügte Joshua hinzu.

„Und nächstes Jahr schicken wir euch eine Weihnachtskarte aus Deutschland!“, versprach Ilijan.

Carlos und Mia grinsten. „Dann schicken wir euch einen Aguinaldo Umschlag – aber ohne Geld!“

Alle lachten. Weihnachten auf den Philippinen war anders als erwartet, aber wunderschön und voller Freude!

Auch der heutige Newsletter präsentiert wieder drei Bücher von Bernhard Kellermann (1879 bis 1951), die wieder dem 1979 im Verlag Volk und Welt Berlin veröffentlichten Band „EINE NACHLESE 1906-1951, Herausgegeben von H. D. Tschörtner unter Mitarbeit von Georg Wenzel“, entnommen wurden.

Das erste ist „Die Jungfernreise der ‚Vaterland‘“. Im Mai 1914 bricht das modernste Passagierschiff seiner Zeit zu einer historischen Jungfernfahrt auf: Die „Vaterland“ - ein schwimmender Stahlpalast - durchpflügt den Atlantik mit der Kraft von mehr als 90.000 PS. An Bord: Menschen aus aller Welt, Ingenieure, Heizer, Passagiere erster Klasse, Auswanderer. Über und unter Deck entfaltet sich ein faszinierendes Panorama aus Technik, Luxus, Schweiß, Hoffnung und Aufbruchsstimmung - im Schatten eines Weltkriegs, der noch niemandem bewusst ist.

Mit scharfem Blick, packender Sprache und feinem Gespür für Atmosphäre schildert Bernhard Kellermann die gewaltige Dynamik dieser Reise - ein authentisches Zeitdokument über den Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Ozeandampfer zu Symbolen des Fortschritts und der Sehnsucht wurden.

Vorschlag Nummer zwei ist „Dalmatinischer Frühling. Ragusa – Glanz und Geschichte“: Orangenbäume, glühender Karst und die uralten Mauern von Dubrovnik (Ragusa) - im „Dalmatinischen Frühling“ entfaltet sich ein faszinierendes Panorama der dalmatinischen Küste, wie es Anfang des 20. Jahrhunderts kaum ein Reisender beschrieben hat. Mit scharfem Blick und poetischer Sprache schildert Bernhard Kellermann seine Eindrücke: vom Duft der Mandelblüte über die ehrwürdigen Festungen der Republik Ragusa bis zu den lebendigen Hafenbildern in Split (Spalato) und Kotor (Cattaro).

Diese Reiseerzählung ist weit mehr als ein touristischer Bericht - sie ist ein literarisches Zeitdokument voller Farben, Gerüche, Stimmen und Geschichte. Ein intensives Leseerlebnis für alle, die die Adria lieben oder entdecken wollen.

Vorschlag Nummer drei ist „Chopin und die Kartause von Valldemosa“: Im Winter 1838/39 suchte Frédéric Chopin gemeinsam mit George Sand Zuflucht auf Mallorca - in der alten Kartause von Valldemosa. Was als romantischer Rückzugsort unter Palmen, Olivenbäumen und türkisblauem Himmel begann, wurde zu einem Aufenthalt voller Enttäuschungen, Regen, Kälte und Misstrauen.

Bernhard Kellermann erzählt in eindringlicher Sprache von diesem ungewöhnlichen Kapitel im Leben des großen Komponisten. Er verbindet historische Fakten, atmosphärische Beobachtungen und leise Ironie zu einer lebendigen Reiseerzählung, die den Mythos des Ortes und die Tragik des Künstlers in den Mittelpunkt stellt.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Was bedeutet Patriotismus?

1942 hat Friedrich Wolf in seinem Exil in Moskau das Drama „Patrioten“ geschrieben – ein zeitloser Text über Widerstand, Pflicht und Menschlichkeit: Mittelfrankreich, in den Jahren zwischen 1940 bis 1942: Der deutsche Vormarsch hat das Land gespalten, und das Haus des Eisenbahndepotchefs Dubois wird zum Schauplatz moralischer Konflikte, politischer Entscheidungen und unermüdlichen Widerstands. Während Francois, ein entschlossener Ingenieur, und seine Familie alles für die Freiheit Frankreichs riskieren, stehen sie zugleich vor tiefgreifenden Fragen nach Loyalität, persönlichen Opfern und der Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft.

Friedrich Wolf zeichnet ein packendes Bild des alltäglichen Heldentums und der inneren Zerrissenheit in einer von Krieg und Besatzung geprägten Welt. Mit intensiven Dialogen und tiefgründigen Charakteren schildert er den Mut und die Zerbrechlichkeit derer, die gegen die Nazi-Okkupation kämpfen. Wird ihr Widerstand Hoffnung und Freiheit bringen, oder werden sie an der Übermacht zerbrechen?

Ein Drama, das durch seine universelle Botschaft von Mut, moralischem Handeln und Menschlichkeit erschüttert und inspiriert - damals wie heute.

Hier der Beginn dieses Schauspiels und eine Übersicht der handelnden Personen:

DUBOIS: Chef eines Eisenbahndepots

FRANCOIS: sein Sohn, Ingenieur, Sappeuroffizier d. R.

HENRI: sein jüngerer Sohn, Beamter im Depot

GENEVIÈVE: Francois' Frau

CORINNE DESTREY: Geneviève’s Freundin

TANT' ÉMELIE: Haushälterin bei Dubois

PIERRE: ihr Vetter, Eisenbahnarbeiter

RAUCH: Hauptmann der Okkupationsarmee

KARL: sein Bursche

KLUNKE: Feldwebel

Ort: Dubois' Haus in einer Stadt Mittelfrankreichs

Zeit: 1940–1942

 

ERSTER AKT

Wohnzimmer in Dubois’ Haus. Türen rechts und links. Im Hintergrund ein breites, offenstehendes Fenster, durch das der blaue, strahlende Junihimmel scheint. Um das Fenster Weinranken, die über das Spalier um den Fensterrahmen fast bis ins Zimmer hängen. Lärm von Motorrad- und Autokolonnen; immer wieder ferne Schüsse.

VATER DUBOIS zieht GENEVIÈVE, die ein leichtes Sommerkleid trägt, vom Fenster weg.

DUBOIS: Hier, Geneviève, hilft nichts mehr.

GENEVIÈVE (geht schnell wieder zum Fenster): Sie sollen halten, halten, nicht mehr zurückgehen! Soldaten, Franzosen! Wenn Francois unter ihnen wäre … (sie will rechts hinaus)

DUBOIS (hält sie): Sei vernünftig, Geneviève! Wenn Francois unter den Kolonnen ist, so wird er dich hier oben suchen, nur hier.

CORINNE DESTREY stürmt herein, in elegantem Reisekostüm, hellem Staubmantel, Suitecase …

CORINNE: Sie sind schon am Fluss, hört ihr nicht, wie sie schießen … ihre Tanks, ihre Motorradschützen, die ganze deutsche Avantgarde … o Éve! (fällt Geneviève um den Hals)

GENEVIÈVE: Ruhig, Corinne, ruhig!

CORINNE: Ruhig? Ich gebe mich nicht gefangen! Und ihr?

DUBOIS: Wir bleiben. – Sie wissen, Madame, unsre Regierung hat vor Tagen um einen Waffenstillstand bei dem Gegner nachgesucht. Die Antwort kann jede Stunde eintreffen.

CORINNE: Und in einer halben Stunde sind die Deutschen hier! (will hinaus)

Von links schnell TANT' ÉMELIE, eine mächtige, korpulente, energiegeladene Person, eine Kanone von einer Frau, sie trägt im Haar das „Häubchen“ der alten Haushälterin, hat eine weiße Schürze umgebunden und hält in den Händen einen Karabiner.

TANT' ÉMELIE: Zum Speien ist das Mannsvolk, ein feiges Pack, Hunde, Hyänen, zu nichts zu gebrauchen, nicht mal zum Schießen!

DUBOIS: Was soll der Karabiner, Émelie?

TANT' ÉMELIE: Lag draußen auf der Treppe! Sollen ihn die Deutschen nehmen? Keine Angst, Monsieur Dubois, ich weiß mit dem Ding umzugehn!

CORINNE: Mein Gott, tun Sie das Gewehr weg, Sie Wahnsinnige!

TANT' ÉMELIE (am Fenster): Hallo, Jungens, hierher, hier hinauf! Alles was noch Waffen hat, hierher!

DUBOIS: Weg vom Fenster, Émelie! (zieht sie weg)

CORINNE: Komm mit mir, Eve, ich kann nicht allein fahren, o komm doch, Éve! Die Deutschen werden euch wie die Hasen abknallen! Schnell, Éve, schnell … mein Gott, ihr seid ja alle besessen! (nach rechts ab)

TANT' ÉMELIE: Feige wie ein Mannsbild!

DUBOIS: Émelie, ich habe um deines guten Herzens willen dreißig Jahre lang deine Launen ertragen; aber jetzt ist keine Zeit dafür. Vielleicht haben wir noch heute den Waffenstillstand, und das ist so gut wie der Friede! Also bring den Karabiner dorthin, wo er lag!

TANT’ ÉMELIE: Um keinen Preis der Welt, Monsieur Dubois! Sie können verlangen, dass ich Rattenschwänze esse; aber wenn die drüben schießen, schieße ich wieder, und dies Haus werde ich verteidigen, als ob es Paris selber wäre!

Von rechts kommt eiligst ein FRANZÖSISCHER SAPPEUROFFIZIER in Stahlhelm, völlig verstaubt, die linke Hand im verschmutzten, durchbluteten Verband

GENEVIÈVE (springt auf ihn zu): Francois! Liebster … (umarmt ihn)

FRANCOIS (sie streichelnd): Geneviève, ma chérie … Vater … Tant' Émelie … ach, alles steht noch auf seinem Platz … (schaut sich um, stampft auf den Boden) Das Haus steht noch … (zum Fenster) Nom de dieu! (ruft hinunter) Jungens, ich komme sofort! Da, an der Mauer hebt die Schützenlöcher aus! Die Mitrailleuse an die Ecke zur Straße! Gebt ihnen Pfeffer, lasst keinen über die Brücke!

DUBOIS (vor ihm): Francois, du weißt, der Waffenstillstand …

FRANCOIS: Ist noch nicht da; und wenn er kommt, so ist er Verrat! Wir haben noch Waffen, Vater, wir haben noch Männer!

TANT’ ÉMELIE (mit Karabiner): Verlass dich nicht auf die Männer, Francois! Verfüge über Tant’ Émelie! Wo soll ich hin, Goldjunge?

FRANCOIS (fasst sie, Geneviève, Dubois): Ja, ihr alle werdet gebraucht! Es wird kein Waffenstillstand sein mit den Deutschen, glaubt mir … seht, drüben stehn sie wie die gierigen Wölfe, aber dazwischen ist der Fluss, und sie wissen, dass hier unsre Mitrailleusen sind, und dass unsre Brigade gekämpft hat und kämpfen wird! Vater, unsre Jungens sind keine Feiglinge, sie sind Helden, wenn sie bloß den rechten Befehl bekommen! Wir werden die Stadt verteidigen, Vater! (will hinaus)

DUBOIS (vertritt ihm den Weg): Keine nutzlosen Opfer mehr …

FRANCOIS: Lass mich hinaus, Vater!

DUBOIS: In diesem Haus, Francois, wird keine Mitrailleuse mehr aufgestellt!

FRANCOIS: In diesem Haus, das die Brücke verteidigt und die Stadt und den Bahnhof und das Lokomotivendepot, für das wir beide – du als Chef und ich als früherer Ingenieur des Depots verantwortlich sind! (leidenschaftlich) Vater, in deinem Depot, am Polygon, stehen jetzt Lokomotiven über Lokomotiven! Hast du Befehl gegeben, sie für Frankreich zu retten, – sie abzufahren nach dem Süden? Warte nicht auf Befehle von oben, Vater, ich beschwöre dich! Rette unsre Lokomotiven und Wagen! Warte nicht! Ich werde die Deutschen solange hier festnageln … (will nach rechts)

GENEVIÈVE (bei ihm): Was ist mit deiner Hand, Francois?

FRANCOIS: Nichts, Liebe, nichts …

GENEVIÈVE: Lass mich mit dir, Francois!

FRANCOIS: Bring uns nach unten zu trinken, viel und schnell!

TANT' ÉMELIE: Sofort, mein Junge! Eimerweis sollt ihr haben, Wein, Kaffee, vorwärts, Madame! (mit Geneviève nach links; wieder zurück, umarmt und küsst ihn) Ach, mein Herzensjunge, mein kleiner Dreckspatz, du wirst sie in Stücke schlagen, mein Löwe. Ich komme gleich, (mit Karabiner) auch Tant' Émelies Kugeln werden ihnen in die Rippen beißen! (will ab)

DUBOIS: Still! Still! Die Glocken …

 

Alle lauschen. Draußen beginnen die Glocken der Kirchen zu läuten, immer mächtiger, die ganze Luft ist voll von dem Klang; alle sehen einander an …

 

GENEVIÈVE: Die Glocken läuten, als sei es Neujahr …

DUBOIS: Der Waffenstillstand, der Friede …

FRANCOIS: Unmöglich, ganz unmöglich! (rennt rechts hinaus) …

Mit eindringlichen Bildern und beinahe dokumentarischer Präzision führt Bernhard Kellermann seine Leser in das Herz der technischen Moderne. Die folgende Passage aus „Die Jungfernreise der ‚Vaterland‘‘“ zeigt mit großer Wucht, was sich im Inneren eines Ozeanriesen abspielt – dort, wo menschliche Kraft und maschinelle Gewalt untrennbar ineinandergreifen.

Es wird Tag, es wird Nacht, es wird wieder Tag. Der Dampfer fährt. Ohne jeden kleinsten Waffenstillstand tobt da unten die Schlacht. Die Bataillone der Heizer stürzen sich tapfer ins Feuer und heizen mit ihrem Schweiß die sechsundvierzig Kessel des Dampfers. Der Trimmer kämpft sich heroisch mit seinem Kohlenkarren durch die heißen, dunklen Schluchten zwischen den hohen Kesselbäuchen. Die Kohle stürzt aus den Bunkern herab. Kohlenstaub in der Luft, glühender Kohlenstaub auf dem Boden und den eisernen Treppen, und die hundertsechsunddreißig Feuer speien Hitze. Die Feuermänner, Kohle in Menschengestalt, stehen in dunklen Rotten in den Heizstollen. Die Glocke schrillt, die vier Meter lange Eisenbrücke stößt die Kesseltüre ein, und die weiß glühende Hölle tanzt und deliriert. Sie will heraus, aber der Feuermann schlägt sie mit der Schaufel zurück. Er krampft sich zusammen zu einem schaufelschwingenden Muskelbündel, die Haare peitschen über das Gesicht, die Augen blenden weiß und rot, der glutrote Körper aber verteidigt sich gegen die buchstäbliche Verbrennung, indem er Ströme von Schweiß durch die Poren presst, die Balancetür klappt zu. Dunkel. Der Feuermann wirft die Schaufel weg und schöpft kalten Tee aus dem Eimer. Dreiviertel Millionen Kubikmeter Luft drücken die Maschinen in der Stunde in den Heizraum und machen die Temperatur erträglich. In diesen kühlen Luftwirbeln, die in die Hitze und den Kohlenstaub hinabfegen, kühlen die Feuerleute ihre schweißigen Körper, bis die Glocke wieder schrillt. Sechs Tonnen Kohlen verfeuert der Mann am Tag. Die Arbeit ist schwer und verlangt einen ganzen Kerl. (Die Ingenieure haben es nicht leichter!) Eine kalte Dusche, eine Promenade im Adamskostüm durch den Betriebsgang, die Pfeife im Logis geben die Besinnung zurück.

Der Dampfer aber fährt.

In warmen, eindrucksvollen Bildern schildert Bernhard Kellermann die Landschaften und Menschen Dalmatiens – geprägt von harter Arbeit, uralten Traditionen und der rauen Schönheit des Südens. Die folgende Passage aus „Dalmatinischer Frühling. Ragusa – Glanz und Geschichte“ entführt direkt in diese Welt, in der Berge, Weinberge und ihre stillen Helden lebendig werden.

Fast bis zum Gipfel hinauf ist der glühende Berg mit Wein und Feldfrüchten angebaut. Viele Generationen von Bauern haben hier in den Jahrhunderten gearbeitet. Tausende und aber Tausende von Händen, selbst hart wie Stein, haben hier Stein auf Stein zu Wällen und Mauern geschichtet, die Erde zusammengescharrt und auf den Terrassen planiert, gedüngt, gegossen, gepflanzt. Sie haben die felsigen Steige gebaut, die sich zwischen den Terrassen hinaufschlängeln, die Zisternen gegraben zum Sammeln des Regenwassers, die kleinen Sommerhütten gezimmert, die Mensch und Vieh Schatten geben sollen, die Oliven- und Feigenbäume gepflanzt und gepflegt. Sie haben in den heißen Sommermonaten, wenn die Zisternen trocken liegen, das Wasser meilenweit über die glühenden Pfade geschleppt, um die Reben zu gießen. Aber die Regengüsse kamen im Winter, die Bora fegte über den Berg und warf die Mauern wieder ein. Nun, so begannen sie von neuem. Wieder wurde Stein auf Stein gelegt, festgekeilt, besser, sorgfältiger, und schon stand die Mauer wieder. Aber es kam die Reblaus, und in einem Sommer waren all die Millionen Reben vernichtet! Es wurden neue Reben geschnitten, gelegt, gehegt und gepflegt, gebunden, und schon waren die Gärten wieder grün.

Hunderte kleiner Weingärten und Felder bedecken heute den glühenden Berg. Die Mauern sind mit Schweiß gekittet, die Pfade sind salzig von Schweiß. Greift man die Erde der Weingärten auf, so riecht sie wie Kalk und Schweiß.

Diese Erde ist hart wie Zement, grau, und die Hitze reißt tiefe Spalten. Mitten in der Glut der Sonne kauert der Bauer, den Körper von Schweiß überströmt, und jätet das Unkraut zwischen den Reben. Mit einem kurzen Spaten zertrümmert er die zementharten Schollen. Dieser Spaten, ein dreieckiges, derbes Stück Eisen, spitzig, die Seitenkanten scharf, ist gewiss Jahrhunderte alt. Immer wieder muss ich ihn betrachten: So praktisch ist er, so wuchtig, ein ehrfurchterweckendes Gerät, als Waffe gleich furchtbar. Es sollte im Wappen Dalmatiens stehen!

Mit diesem Spaten haben die Bauern den fürchterlichen Berg seit Jahrhunderten bekämpft, mit ihm ringen sie, die Augen mit Schweiß angefüllt, um die Rebe, zart und lichtgrün. Leicht und locker muss die Erde um den Weinstock liegen, die Wurzeln zu schützen vor dem Brand der Sonne und das spärliche Nass zu hüten, das der Bauer über die kochenden Pfade geschleppt hat.

Das Schlagen des derben Eisens ist der einzige Laut in der brütenden Stille des Berges, bald näher, bald ferner. Aber horch! Plötzlich brüllt der Berg auf, das gemarterte Gestein schreit, die gefolterte Erde jammert, klagt, stöhnt in langen, unartikulierten, harten und hässlichen Lauten, die minutenlang die fiebernde Hitze erschüttern.

Es sind die Esel, die schreien, die kleinen Esel, die da und dort in den Weinbergen stehen und auf die Stunde warten, da die Sonne hinter dem gleißenden Grat verschwinden wird.

Sie, diese kleinen Esel, gehören dazu und müssen genannt werden, wenn man von den Eroberern der Berge Dalmatiens spricht. Viele Generationen von kleinen Eseln haben die kochenden Pfade mit ihrem Schweiß begossen. Man sollte sie, die kleinen Helden, noch vor den Schlachtrossen nennen, die berühmte Feldherren in die Schlacht tragen. Auf ihren zierlichen Hufen tänzeln sie über die glühenden steinigen Pfade und tragen den Bauern mit dem Eisenspaten, sie tragen den Bauern mit seiner Frau, seinen Kindern, sie schleppen die Fässer mit dem Wasser zum Angießen der Reben. Tagaus, tagein tänzeln sie hurtig durch die Hitze, die Last schwankt auf ihrem Rücken. Sie sind immer guter Laune, eifrig und geschäftig wackeln ihre zierlichen Hinterbacken, wenn sie dahintrippeln. Dies ist ihre Arbeit, sie erfüllen sie geduldig und ergeben, bis sie sich eines Tages in ihrem kleinen dumpfen Stall nicht mehr erheben können.

Bernhard Kellermann verbindet in seinem Mallorca-Bild eindrucksvoll Musikgeschichte, Naturgewalt und persönliche Eindrücke. Die folgende Passage aus „Chopin und die Kartause von Valldemosa“ führt in jene düstere, regenverhangene Welt, in der der kranke Komponist Zuflucht suchte – und zugleich an der Einsamkeit, der Kälte und den Vorurteilen seiner Umgebung litt.

Die Wände dieses wundervollen Klosters waren feucht, die Steinfußböden eisig, und die smaragdenen Berge verschwanden im Grau des ewigen Regens. (Chopin hatte Pech mit Mallorca, genau wie ich!) Er soll hier sein berühmtes Präludium „Regentropfen“ geschrieben haben – der Regen fällt, ohne Pause, auf das Dach, auf seine Schläfen, auf sein müdes Herz – es ist die Verzweiflung des Verbannten. Und Paris ist fern! Es scheint unerreichbar. (Und ist es nahezu: 1838!) Einmal ging ein Wolkenbruch nieder, als George Sand über Land nach Palma war, die grünlichen Straßen verwandelten sich in Sturzbäche, und Chopin war der Verzweiflung nahe. Er glaubte, die Geliebte sei tot! Bei Gott, das war keineswegs das schönste Land der Erde! Die Bauern Valldemosas nahmen eine feindselige Haltung ein, sie verlangten erpresserische Preise für ihre Produkte, wozu die Illegalität des Verhältnisses zwischen Chopin und George Sand ihnen das Recht zu geben schien, sie hatten eine abergläubische Furcht vor dem bleichen Mann, der immer hustete und sie vielleicht anstecken konnte. In dem verlassenen Kloster lebte nur noch ein einziger Mönch. Er war halb wahnsinnig, schritt in der Nacht laut singend durch die Gänge und pochte drohend an die Türen. Wahrhaftig, ein herrlicher Aufenthalt für einen Leidenden, der Erholung sucht!

Hier noch ein anderer Literaturhinweis, der mit dem Buch von Bernhard Kellermann über Chopin und George Sand auf Mallorca zu tun. Denn George Sand, die es liebte, in Männerkleidern umherzugehen, zu rauchen wie ein Mann und sich jede Menge Liebhaber leistete, hat ebenfalls ein Buch über diese Zeit geschrieben.

„Ein Winter auf Mallorca“ lautet dessen Titel. Und der Suhrkamp Verlag, der es 2011 in einer neuen Auflage als Taschenbuch in der Übersetzung aus dem Französischen von Maria Dessauer herausgebracht hat, schreibt dazu:

Im November 1838 reisen George Sand und Frédéric Chopin nach Mallorca. Erst nach längerer Suche findet das Liebespaar Unterkunft – im verlassenen Kloster von Valldemosa. Hier, in der Abgeschiedenheit der Landschaft, fernab von Bevölkerung und Komfort, genießen die beiden das Leben und finden zur Ruhe. George Sands Beschreibung ihrer Erfahrungen und Eindrücke von der Insel ist ein bewegendes und stimmungsvolles Porträt, das die Besonderheiten von Land und Leuten auf wunderbare Weise einfängt.

 

Aber auch der Deutsche Taschenbuchverlag (dtv) hat eine Ausgabe dieses zauberhaften Buches in seinem Programm. Und dort heißt es unter der Überschrift „Die Kunst zu reisen ist fast die Wissenschaft des Lebens.“:

Im Oktober des Jahres 1838 bricht die gefeierte Schriftstellerin George Sand nach Mallorca auf, begleitet von Frédéric Chopin und ihren beiden Kindern. Zwar hofft sie auf die Gesundung ihres Geliebten und die ihres Sohnes, aber die Reise ist auch eine Flucht, um dem Klatsch und Tratsch der Pariser Gesellschaft zu entkommen. Der anfängliche Enthusiasmus weicht bald einer großen Ernüchterung, denn es gibt weder eine Willkommenskultur noch das erwartete milde Klima. Nach nur einem Winter kehrt die kleine Familie wieder nach Frankreich zurück.

1842 erscheint George Sands literarischer Bericht als Buch und wird zum vielgelesenen Klassiker. Auch heute sollte sich kein Mallorca-Fan, kein Reisefreund, diesen zauberhaft-befremdlichen Blick zurück in die Insel-Vergangenheit entgehen lassen.

Und vielleicht ist „Ein Winter auf Mallorca“ ein guter Buchtipp für die Zeit vor und während der Weihnachtsfeiertage?

 

Bleibt im Übrigen nur noch hinzuzufügen, dass Georg Sand am 1. Juli 1804 unter dem Namen Amantine-Aurore-Lucile Dupin in Paris geboren wurde und am 8. Juni 1876 in Nohant-Vic (Frankreich) gestorben ist. Zu ihren bekanntesten Werken gehören die Romane „Indiana“ (1832) und „Lélia“ (1833). Bekannt wurde sie darüber hinaus auch durch ihre gesellschaftskritischen Schriften.

 

George Sand war modern gesprochen eine Feministin, jedenfalls eine Kämpferin für die Recht der Frau. Beim „Südkurier“ schreibt Johannes Bruggaier, der Leiter der Kulturredaktion, dazu im Oktober dieses Jahres unter der Überschrift „Die frühe Feministin George Sand erzählt von weiblichem Mut in der Französischen Revolution“:

 

Im 19. Jahrhundert zählte sie zu den schillernden Figuren der Literaturszene. Lohnt sich ihre Wiederentdeckung?

 

Hätte George Sand (1804-1876) ihren eigenen Nachruhm voraussagen sollen, womöglich hätte sie voll ins Schwarze getroffen. Sie hätte wohl geahnt, dass in einer patriarchalen Gesellschaft nicht etwa das Erbe ihres politischen Engagements etwas zählen würde und schon gar nicht ihre überaus erfolgreichen Romane und Novellen. Wenn überhaupt, so würden sich die Menschen an sie per Umweg über einen männlichen Künstler erinnern: als Muse des Klaviervirtuosen und Komponisten Frédéric Chopin.

Dabei dürfte ihre Kunst weitaus konkreter in die Gesellschaft gewirkt haben als jede Nocturne. Sie kämpfte für soziale Gerechtigkeit und Frauenrechte. Mit ihrem männlichen Kleidungsstil und exzessivem Zigarrenkonsum erregte sie öffentliche Aufmerksamkeit, ihre Affären mit Künstlerkollegen (angeblich auch Kolleginnen) waren Thema des Boulevards. Und ihre Literatur verkaufte sich so gut, dass sie zu den bestbezahlten Schriftstellerinnen Frankreichs zählte. Lohnt sich ihre Wiederentdeckung?

 

Der Hanser Verlag bringt jetzt eine Neuübersetzung ihres Revolutionsromans „Nanon“ heraus. Dessen Lektüre ist schon aus historischen Gründen interessant. Handelt es sich doch um eines der wenigen Werke, die das Geschehen ab 1789 aus der Froschperspektive betrachtet statt wie üblich auf Augenhöhe mit den politischen Führungskräften in Paris. Von unten, sagt die Übersetzerin Elisabeth Edl, erzählt dieser Roman gleich auf dreifache Weise: erstens aus der tiefsten Provinz, zweitens aus der Perspektive einfacher Bauern und drittens aus der Sicht einer heranwachsenden Frau.

 

Nanon wächst als Waisenkind in ärmlichsten Verhältnissen auf, ein mageres Schaf ist ihr größter Schatz. Als es auf der Suche nach frischem Gras auf die Weide des nahe gelegenen Klosters ausbüxt, lernt sie den jungen Emilièn kennen. Obgleich von adeliger Abstammung soll er sein Dasein als Mönch fristen. Der ganze Familienbesitz ist zu dieser Zeit meist nur den Erstgeborenen vorbehalten, auf diese Weise erspart man sich lästige Erbstreitigkeiten und sorgt für stabile Verhältnisse.

 

Nicht einmal eine nennenswerte Schulbildung hat der Junge erhalten. Doch die holt er nun nach: nicht im Kloster, das seine Funktion als Verwahrstätte für Enterbte und Verstoßene hinter seiner frömmlerischen Fassade nur unzureichend kaschiert. Nein, das Lesen und Schreiben bringen sich die beiden Außenseiter von nun an gegenseitig bei.

 

Romantisches Märchen

Zwei Systemverlierer auf dem Weg nach oben: Damit dieses romantische Märchen glaubhaft wirkt, bedarf es ganz spezieller Tugenden. Eisernen Willen zum Beispiel, festes Gottvertrauen, aber natürlich auch die Liebe. Nanon interpretiert sie als eine der geschwisterlichen Art, ihr Leser freilich ahnt früh, dass da wohl noch andere Gefühlsregungen hinzukommen werden.

 

Es gibt aus historischer Perspektive manch spannenden Einblick in die Auswirkungen der Revolution aufs einfache Volk. Als Emilièn das Alter seiner Wehrtüchtigkeit erreicht und sich die Frage stellt, ob er aufseiten seiner ins Ausland geflohenen Familie kämpfen soll oder für die neu ausgerufene Republik, da genügt ein manipuliertes Schreiben des Vaters, um ihn in Haft und beinahe vor die Guillotine zu bringen.

Nanon muss nun all ihren Verstand und Mut aufbringen, um ihren Freund in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu befreien. Ob das wirklich so einfach möglich ist, wie von der Autorin skizziert? Nur weil in den Gefängnissen jetzt Personalmangel herrscht und unterbezahlte Hilfskräfte sich sogar von plump gefälschten Pässen übertölpeln lassen?

Wenn George Sand ihre fortan als Junge verkleidete Heldin unlösbar scheinende Aufgaben spielerisch leicht bestehen lässt, knirscht es bisweilen im dramaturgischen Gebälk. Dabei ist aber nicht so sehr der Mangel an Glaubwürdigkeit das Problem. In den Abenteuerromanen der Romantik, bei der die Autorin erkennbar Anleihen nimmt, gehört dieser Mangel ja zum guten Ton. Was fehlt, ist Ironie.

Ein heiliger Ernst schwebt über diesem Roman, geradezu beängstigend rechtschaffen ist sein Personal. Emilièn gilt als so rundum tugendhaft, dass es „fast zum Laster geworden“ ist. Und Nanon selbst wird bescheinigt: Das selbstlose Lieben „ist deine Religion“. Wo derart moralisch gefestigte Charaktere an einer gerechten Gesellschaft schrauben, fühlt man sich als Leser ganz klein – und ein bisschen gelangweilt.

 

Trotz dieser Einschränkungen lohnt es sich sehr, sich etwas genauer mit dieser außergewöhnlichen Frau und Künstlerin zu befassen, mit ihren Schriften, „Nanon“ eingeschlossen, mit Chopin und mit ihrem leider misslungenen gemeinsamen Aufenthalt auf Mallorca, aus dem aber dennoch ein eindrucksvolles Stück Literatur geworden ist – und die Geschichte zweier Liebender.

 

Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Die nächsten Sonderangebote für die letzte Novemberwoche sind auch schon in den Transportkisten verstaut.

Darunter befindet sich auch wieder einmal ein utopischer Roman von einem der profiliertesten DDR-Autoren dieses Genres: Erstmals 1975 hatte Carlos Rasch im Verlag Neues Leben Berlin seinen Wissenschaftlich-phantastischer Roman (so hieß das damals) „Magma am Himmel“ veröffentlicht: Bei der dünnsten Stelle des Meeresbodens unter dem Südatlantik gegenüber der afrikanischen Küste rütteln um das Jahr 2450 immer wieder Seebeben am Erdmantel. Sie beunruhigen ein Team junger Leute, die einen automatisch arbeitenden Flotationskomplex unweit ihres Standortes zur Gewinnung seltener Rohstoffe aus dem Meerwasser überwachen. Eine Algenfarm wird von diesem bebenartigen Rütteln ebenfalls beeinträchtigt.

Auch die Wissenschaftler an den Universitäten in den afrikanischen Metropolen sind von diesem Novum eines quasi im Gleichschritt auftretenden atlantischen Epizentrums alarmiert. Die Lage wird bedrohlich, als radioaktive Strömungen aus dem Bereich dieses Epizentrums auftreten, die von Rissen des Erdmantels über einer gerade neu entstehenden Magmakammer herrühren könnten.

Einige Akademiker glauben unter Sorgenfalten sogar, dass diese Seebeben von einem vor Jahrhunderten verunglückten Atom-U-Boot herrühren oder etwas mit heimlich entsorgten verbrauchten Reaktorbrennstäben zu tun haben. Um Klarheit über solchen Atommüll zu erlangen, einigt man sich, eine Zeitverspiegelung vorzunehmen, bei der eine Chrononautin sozusagen als unerkannt lebende Späherin einige Jahrhunderte zurück in die Vergangenheit reisen wird, zu Jochen Märzbach aus „Die Schatten der Tiefsee“.

Carlos Rasch, Autor mehrerer utopischer Bücher, lässt diesmal seine Geschichte statt weit draußen im All auf unserer Erde spielen nach dem Motto: Die Zukunft der Menschheit wird auf Erden realisiert und nicht im All! - Auch sind Zukunftsromane keine prophetischen Voraussagen von neunmalklugen Leuten. Hellseher gibt es nicht. Niemand kennt die Zukunft. Utopien sind sozusagen nur eine Spielart der Gegenwartsliteratur, in der jetzt lebende Autoren für heutige Leser gegenwärtigen Erkenntnissen entsprechen. Utopien können nur heutige Hoffnungen und Wünsche oder auch Befürchtungen in literarischen, abenteuerlichen Denkmodellen widerspiegeln. Dazu gehen sie von Wahrscheinlichkeiten nahe gesicherter Erkenntnisse aus.

„Magma am Himmel“ wurde seit seiner Veröffentlichung 1975 in der bekannten und beliebten Reihe „Spannend erzählt“ im Verlag Neues Leben in rund 100.000 Exemplaren gedruckt.

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