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Stalingrad und die 6. Armee, ein stilles Drama sowie ein Beispiel weiblicher Selbstbehauptung - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

(Pinnow 25.07.2025) – Immer wieder hat Erich Weinert während des Zweiten Weltkriegs an der Ostfront versucht, deutsche Wehrmachtssoldaten zum Aufgeben und Überlaufen zu bewegen und ihnen damit das Leben zu retten – statt eines sinnlosen Tods zu sterben. Zeugnis davon legt das zweite der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters ab, die sieben Tage lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 25.07. 2025 bis Freitag, 01.08. 2025) zu haben sind.

Erstmals 1951 erschien im Verlag Volk und Welt Berlin „Memento Stalingrad.  Stalingrader Frontnotizbuch“ von Erich Weinert – ein Kriegstagebuch, das erschüttert und das warnt. Erich Weinert, Dichter, Frontpropagandist und Präsident des Nationalkomitees „Freies Deutschland“, berichtet in seinen unmittelbaren Aufzeichnungen von der Ostfront vor Stalingrad. Inmitten von Schnee, Hunger, Hoffnungslosigkeit und Todesangst ringt er um Worte, um seine Landsleute zur Kapitulation zu bewegen. Dieses einzigartige Zeitzeugnis dokumentiert nicht nur die erbarmungslose Realität an der Front, sondern auch die geistige Zerrissenheit und moralische Ohnmacht deutscher Soldaten im Kessel von Stalingrad.

Dieses Frontnotizbuch ist mehr als ein historisches Dokument. Es ist eine flammende Anklage gegen Krieg, Verblendung und blinden Gehorsam - und eine eindringliche Mahnung an alle Generationen: Lasst euch nicht verführen. Denkt, bevor ihr handelt.

Hier noch ein kurzer Textauszug:

Saratow, 1. Dezember

Wieder im Holzhaus. Nachmittag. Nach einem Frühstück im Casino gingen wir in das Gebäude eines höheren Stabes. Die beiden im Kartenzimmer anwesenden Generale waren von Moskau aus schon über unsere Mission an der Front unterrichtet.

Der Chef breitete das große Messtischblatt aus und erklärte uns die Lage der 6. deutschen Armee vor Stalingrad. „Fest eingeschlossen!“, sagte er. „Ob es ihnen gelingt, von Westen her noch einmal durchzubrechen, ist schon sehr fraglich. Der Ring um den Kessel ist schon zwanzig bis dreißig Kilometer breit. Aber wir lassen sie dort nicht zur Ruhe kommen. Denen wird bald nichts mehr übrig bleiben, als mit Ross und Mann und Wagen zu kapitulieren. Ein modernes Cannae. Sie müssten jetzt schon einsehen, dass sie auf verlorenem Posten stehen. Unser Kommando hat ihnen das schon plausibel zu machen versucht. Aber die im Kessel scheinen sich noch nicht zu beunruhigen.“

„Das soll unsere Aufgabe sein“, sagte ich. „Die Warnungen der Roten Armee schlagen sie in den Wind. Vielleicht glauben sie uns Deutschen eher, wenn sie auch darauf abgerichtet sind, jedes Wort von der anderen Seite als Feindpropaganda zu betrachten.“

„Versuchen Sie Ihr Glück!“, sagte der General beim Abschied.

Zum Angebot des heutigen Newsletters gehören auch drei Texte von Adam Scharrer, von denen zwei erstmals 1979 im Aufbau-Verlag Berlin und Weimar veröffentlicht worden waren:

„Landwehrmann Wollgast“ setzt 1916 in Hamburg ein. Der Tischler Karl Wollgast, Familienvater, pflichtbewusst und stolz, wird zum Kriegsdienst eingezogen. In seiner feldgrauen Uniform kehrt er noch einmal in seine vom Krieg zermürbte Heimat zurück - zu einer Familie, die versucht, sich trotz Hunger, Entfremdung und moralischer Fragen über Wasser zu halten. Während Wollgast mit einem Gefühl der Ohnmacht auf die Veränderungen in seiner Familie blickt, wachsen Zweifel an seinem Weltbild. Zwischen Misstrauen und Mitgefühl, zwischen Vaterrolle und Versagen, entspinnt sich ein stilles Drama über Menschlichkeit in unmenschlicher Zeit.

Adam Scharrer erzählt eindringlich, atmosphärisch dicht und voller psychologischer Präzision vom Auseinanderbrechen bürgerlicher Gewissheiten im Ersten Weltkrieg - und von einem Mann, der lernen muss, dass Mut auch bedeutet, Kontrolle loszulassen.

Hauptfigur in „Der Sündenfall der Maria Wollmar“ ist eben jene Maria Wollmar, die als Tochter eines Kleinbauern in einer ländlichen Gesellschaft aufwächst, die von Tradition, wirtschaftlicher Not und patriarchalen Zwängen geprägt ist. Als sie sich in einen polnischen Kriegsgefangenen verliebt und schwanger wird, droht ihr die soziale Ächtung - und ihm der Tod. Der sogenannte Sündenfall wird zum gesellschaftlichen Urteil über ihr ganzes Leben. Doch Maria schweigt nicht.

Während der letzten Kriegsmonate des Dritten Reichs, in einem von Angst, Misstrauen und ideologischer Verblendung durchdrungenen Dorf, kämpft sie mutig für ihre Würde, ihre Liebe und die Wahrheit - gegen Männergewalt, gegen den Terror des Regimes und gegen die lähmende Macht der Lüge.

Adam Scharrer erzählt mit eindringlicher Sprache und psychologischem Feingefühl von der Kraft weiblicher Selbstbehauptung in unmenschlicher Zeit. „Der Sündenfall der Maria Wollmar“ ist ein bewegender Roman über Emanzipation, Verrat, soziale Gerechtigkeit - und den Mut, trotz allem den eigenen Weg zu gehen.

Erstmals 1943 erschien im Verlag für fremdsprachige Literatur Moskau „Der Landsknecht. Biografie eines Nazis“, in dem der Autor die Geschichte eines Täters erzählt. Für das E-Book wurde die Erzählung dem Sammelband „Der Mann mit der Kugel im Rücken“ entnommen, der 1979 im Aufbau- Verlag Berlin und Weimar erschien.

Joachim Lakner, ein einfacher Arbeiter aus Niederfranken, wird zum glühenden Anhänger des Nationalsozialismus - und schließlich zum fanatischen Vollstrecker des faschistischen Terrors. Adam Scharrer zeichnet in diesem literarischen Psychogramm den Weg eines „kleinen Mannes“ nach, der sich der Ideologie bedingungslos unterordnet, Mitläufer wird, Täter wird - und dabei doch glaubt, ein Held zu sein.

Mit schonungsloser Klarheit und psychologischer Präzision beschreibt Scharrer, wie Verführung, soziale Not, ideologische Indoktrination und der Rausch der Macht aus einem Menschen ein willfähriges Werkzeug des Totalitarismus machen. Ohne zu moralisieren, legt der Autor die zerstörerische Kraft des Faschismus offen - in einem Roman, der im sowjetischen Exil entstand und bis heute nichts von seiner Eindringlichkeit verloren hat.

„Der Landsknecht“ ist ein literarisches Dokument über Schuld, Selbstbetrug und das fragile Verhältnis zwischen persönlicher Verantwortung und historischer Verstrickung - beklemmend aktuell in einer Zeit, in der autoritäre Versuchungen wieder lauter werden.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Dieses Buch zeigt, dass sich sogar Unmenschlichkeit noch steigern lässt …

In „Die SS in Kowel“ lässt Friedrich Wolf ein düsteres Kapitel der deutschen Besatzungsgeschichte lebendig werden. Der Ingenieur Walter Viehmann, ein unbeteiligter Zeuge, schildert schockierende Szenen aus der Nähe von Kowel, wo ein SS-Sonderkommando eine brutale „Säuberung“ unter der Zivilbevölkerung durchführte. Viehmanns Erzählung lässt uns tief in die grausame Realität des Zweiten Weltkriegs blicken, in der Massaker und die systematische Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen zur Tagesordnung gehörten. Seine Schilderungen zeigen die Ohnmacht und das Schweigen jener, die „nur dabeistanden“. Ein erschütterndes Zeugnis über die Unmenschlichkeit des Krieges, das den Leser packt und nicht loslässt.

Zu Beginn seines Buches macht uns Friedrich Wolf mit seinem Gewährsmann bekannt:

„In einer Gruppe gefangener Hitlersoldaten traf ich kürzlich einen Mann in einer seltsamen deutschen Uniform. Ich nahm an, er habe seine Abzeichen entfernt und fragte ihn, zu welchem Truppenteil er gehöre. Er antwortete, er sei kein Soldat der kämpfenden Truppe, sondern ein Beamter der „Organisation Todt“, der Ingenieur Walter Viehmann aus Köln.

Da ich selbst im Rheinland geboren bin, kamen wir sehr bald in ein ergiebiges Gespräch über die jetzigen Zustände im Rhein- Ruhr-Gebiet, über die letzten Bombardierungen der Engländer und Amerikaner, über seine – des Todt Ingenieurs – nicht uninteressante Arbeit. Er habe am Westwall und bis Juli 1942 am Atlantikwall mitgebaut, sei dann mit seinem Baubataillon an die Ostfront geworfen worden zur Wiederherstellung der „Rollbahnen“, der großen Straßen und der vielfach von Partisanen im Hinterland zerstörten Eisenbahnbrücken. Zum ersten Mal hörte ich von einem deutschen Ingenieur über die sehr wirksame Tätigkeit der ukrainischen und polnischen Partisanen tief im Rücken der Hitlerarmee, bis in die Gegend von Lemberg.“

In dieser eindrucksvollen Leseprobe aus „Landwehrmann Wollgast“ schildert Adam Scharrer mit schonungsloser Klarheit den Alltag einer deutschen Familie während des Zweiten Weltkriegs – zwischen Lebensmittelknappheit, entwürdigenden Tauschgeschäften und innerfamiliären Spannungen. Scharrer entwirft das Porträt eines Mannes, der sich als pflichtbewusster Versorger sieht, aber mit wachsendem Unverständnis auf die moralischen und emotionalen Brüche in seinem Umfeld reagiert – ein beklemmender Einblick in das zermürbende Hinterland des Krieges.

„Bis übermorgen“, antwortete Wollgast. Er schnallte sein Koppel mit dem Seitengewehr ab, hängte es an die Wand, dazu die Mütze. Dann setzte er sich. Martha sagte verlegen: „Ich hab aber jetzt auch gar nichts Richtiges zu essen im Haus. Eine Handvoll Graupen hab ich noch … und einen kleinen Rest Margarine … Auch kein Brot mehr, und übermorgen bekommen wir erst die neuen Karten. Aber ich will sehen, ob die Bäckersfrau mir nicht doch noch einmal im Voraus gibt, wo du doch an die Front musst. Und auch nach dem Garten will ich rasch hinübergehen. Eine Mahlzeit rote Rüben ist noch dort.“ Das sollte wohl recht ermunternd klingen, klang aber hilflos und lächerlich … Eine Handvoll Graupen und rote Rüben … Ein Glück, dass Wollgast ein Kommissbrot in seinem Karton hatte: seine Brotration für die drei Tage Urlaub. „Brot ist da!“, beeilte er sich festzustellen und öffnete seinen Karton. „Oh!“, sagte Martha und nahm das Brot behutsam an sich, als sei es etwas sehr Zerbrechliches. Nun hatte sie nicht mehr nötig, die Bäckersfrau um Brot auf Vorschuss zu bitten, und das war gut, denn die konnte so kategorisch sagen: „Wir haben kein Stückchen außer den laufenden Karten übrig, keine Scheibe, noch nicht mal für uns.“ Das brauchte nicht immer wahr zu sein, aber es konnte doch wahr sein, jedenfalls blieb nach einer solchen Antwort nichts übrig, als ärgerlich und beschämt zu gehn. Aber nun blieb Martha der Gang zur Bäckersfrau erspart, und sie dünkte sich plötzlich schrecklich unternehmungslustig. Sie ging zu dem Krämer, einem schon bejahrten, schwammigen, immer speckigen Mann, dafür bekannt, dass er sich an appetitliche Frauen heranmachte. Diesem Speckigen warf Martha zweideutige Blicke zu, während sie ihn bat, ihr zwei Pfund Kartoffeln auf die kommenden Karten abzulassen. Und als er noch zögerte und sie gierig abschätzte, sagte sie: „Nun geben Sie schon, Sie sind doch sonst nicht so hartherzig.“ Der Mann ging dann mit Martha in die Küche, holte aus einer Truhe sechs eiergroße Kartoffeln heraus und reichte Martha jede einzeln, und als sie rasch entwischen wollte, versuchte er, sie an seinen speckigen Bauch zu drücken. Sie stieß ihn angeekelt von sich und rannte aus der Tür.

Auch Wollgast war etwas aus der Fassung geraten. Herrgott, was waren das für Zustände. Sie hätten also für die nächsten zwei Tage kein Brot gehabt, und auch sonst war nichts zu essen im Haus. Und dabei saß Martha von morgens bis abends an der Nähmaschine. Er fragte sich: Musste das so sein? Und er verneinte die Frage, Martha bekommt Kriegsunterstützung und verdient dazu. Else verdient auch. Der Junge verdient wenig, aber dafür bezahlt doch dieser … dieser Krüger Miete. Das Brot ist knapp bemessen, das stimmt, auch Kartoffeln sind knapp bemessen, alles ist knapp bemessen, aber für Geld kann man immer noch unter der Hand kaufen. Man muss nur hinterhersein, weit hinausfahren, in entlegene Dörfer, jeden freien Tag. Er ist doch auch gefahren, solange er nicht Soldat war, manchmal umsonst, ein anderes Mal hatte er wieder Glück.

Wollgast rauchte noch eine Zigarette, die dritte aus seiner selbstbewilligten Tagesration von fünf Stück. Er hatte sich noch rechtzeitig mit einigen tausend Stück eingedeckt, auch „hintenherum“, und sie reichten bei seinem Verbrauch noch einige Monate, dazu seine Ration, die er als Frontsoldat bekam; so hatte er Rauchzeug auf unabsehbare Zeit. Man muss nur rechtzeitig vorsorgen, und er hatte immer vorgesorgt. In der Zweieinhalbzimmerwohnung war kein Stück Möbel, das Wollgast nicht selber angefertigt hatte. Dann hatte er die Wohnlaube gebaut. In den letzten Jahren hatte er nach Feierabend Privataufträge ausgeführt: Schreibtische, Schränke, Reparaturen, und dabei war er immer noch zu seinem Vergnügen gekommen. Er war eines der ältesten Mitglieder des Sparklubs „Notgroschen“ und saß im Vorstand des Kegelklubs „Alle Neun“. Aber er hatte eben nur an seine Familie gedacht, nur an sie und an nichts sonst. Er war überzeugt, seinen Kindern in jeder Hinsicht ein gutes Vorbild zu sein, und zergrübelte sich den Kopf über deren Egoismus und Grausamkeit. Der Junge scheint nur verzogen und noch zu jung, um den Ernst der Zeit zu begreifen. Aber das Mädel? Mit achtzehn Jahren und in diesen Zeiten heiraten wollen? Und einen wildfremden Menschen, der ins Feld geht, ihr vordem vielleicht noch ein Kind macht, und ob er wiederkommt und wie er wiederkommt, scheint dies Schandmädel überhaupt nicht zu kümmern. Rausschmeißen müsste man sie! wütete Wollgast im Stillen, und er war sehr traurig, dass die eignen Kinder ihm den Abschied von der Familie so schwer machen. Was er und Martha sich erobert haben, soll jedoch nicht mutwillig ruiniert werden. Er wird die Sache so einrenken, dass er die Gewissheit hat, zumindest seine Wohnung und seine Frau ohne ernsten Schaden durch diese schwere Zeit zu bringen.

In dieser dichten Passage aus „Der Sündenfall der Maria Wollmar“ verwebt Adam Scharrer persönliche Schuld, soziale Kälte und politische Opportunismen zu einem düsteren Bild vom deutschen Hinterland im Krieg. Mit psychologischer Präzision und sarkastischem Unterton zeichnet er das Porträt eines Mannes, der zwischen Mitläufertum, Selbstbetrug und wachsender Paranoia taumelt – während um ihn herum nicht nur der Krieg, sondern auch der letzte moralische Halt in Trümmern fällt.

Ein unbefangener Zeuge hätte hier vielleicht nichts Hintergründiges herausgehört, Hermann jedoch hörte heraus: Ein saublöder Depp bist du, bist schon immer einer gewesen, hast nichts dazugelernt und lernst auch jetzt nichts dazu, wo dir der Strick schon um den Hals hängt. Und damit traf Hermann den Nagel auf den Kopf. Diese Ratschläge Stubenrauchs für Hermann bedeuteten: Mach doch ein Kreuz hinter den Iwan und den Leon und hinter wen du sonst noch ein Kreuz machen willst, das musst du ja verantworten, nicht ich, gegen die eigenen Eltern und gegen die Wollmars, aber Stichhaltiges wirst du nicht vorbringen können, und weil du das nicht kannst und gegen mich stehst und auch gegen den Rebtau, wirst du damit noch nicht einmal durchkommen, und solltest du durchkommen, wirst du dich im Dorf noch mehr bloßstellen, und was dir blüht, das steht ja in den Flugzetteln der Amerikaner. Hermann wusste aber auch, dass dieser Weg auch aus einem anderen Grunde in eine Sackgasse führte. Keinen Tag länger würde Bärbel bei ihm bleiben, falls „ihre Männer“ durch Hermann abgelöst würden, denn auch Bärbel wusste, dass diese Ablösung gleichbedeutend war mit dem Brandmal als Spion. Bärbel war ebenfalls eine Frau mit gesundem Menschenverstand und die tragende Säule der Wirtschaft Hermanns und ebenfalls in vielerlei Geheimnisse dieser Wirtschaft eingeweiht. Hermann konnte nicht so großzügig aus sich herausgehen wie Stubenrauch, dazu war seine Wirtschaft zu armselig. Er konnte seine Buchführung auch nach außen hin nicht so unbeschwert der Öffentlichkeit preisgeben, dazu fehlten ihm die Unterschriften von entsprechendem Gewicht. Aber da war doch mancher Zentner Mehl, manche Speckseite, manches Dutzend Eier, alles Sachen, die aus den Sammlungen für durchreisende Ausgesiedelte „übrig blieben“ und zurückgestellt worden waren, damit man im Falle erneuten „dringenden Bedarfs“ darauf zurückgreifen könnte. Die Sache fing recht bescheiden an, Hermann hatte ja überhaupt bescheiden beginnen müssen. Aber mit der Zeit war Hermann doch ganz schön in Schwung gekommen: Mein Gott, was machte es schon aus, wenn von zehn Zentnern Mehl drei übrig blieben, von dreihundert Eiern fünfundsiebzig, von drei Zentnern Fleisch ein halber Zentner. Das wäre dann ins Gewicht gefallen, wenn Stubenrauch als Bürgermeister und „Führer des Reichsnährstandes“ nicht unterschrieben hätte, aber er hatte bisher unterschrieben. Er hatte sich die Abrechnung wohl stets recht genau angesehen, und Hermann war manchmal auf Einwendungen gefasst gewesen, aber Stubenrauch hatte dennoch unterschrieben, nur einmal hatte er gesagt: „Das sind halt so Unterschriften auf Treu und Glauben, na, ich denk, du wirst schon selber wissen, dass uns die Leute auf die Finger schauen.“

Damit war, auch für Hermann verständlich, gesagt: Jeder hat in den ihm nun einmal gezogenen Grenzen zu bleiben, soll das „Leben-und-leben-Lassen“ nicht zum Schaden ausschlagen, und dass dies nicht geschah, dafür sorgte Bärbel. Ohne diesen Zuschuss wäre es auf dem Hof Hermanns ein Hungerleben gewesen, erst recht für „ihre Männer“. Ohne diese Zuschüsse hätte Bärbel auch für sich kein Schwein großfüttern können, und dieses Schwein betrachtete sie als Lohn für ihre Arbeit, denn für Geld war schon längst nicht viel Brauchbares zu haben, und außerdem war Hermann auch an Geld stets knapp. Ohne diese Zuschüsse wären auch die beiden Schweine Hermanns nicht so gut gediehen, und auch daran war Bärbel interessiert, weil sie damit rechnete, dass die Zuschüsse aus den Sammlungen eines Tages ausbleiben könnten. Sie wusste, dass durch den Krieg täglich Unmengen von Nahrungsmitteln vernichtet wurden, und sie sagte sich, dass jedes Pfund Mehl oder Speck in dieselbe Gefahr gerät, wenn es für die Fortsetzung des ganz sinnlos gewordenen Krieges abgeliefert wird. Sie wusste nur, wo es blieb, wenn sie Flüchtlingen einen Teller Suppe vorsetzte. Sie wusste, dass der Posten Hermanns auch sonst mancherlei „Nebeneinnahmen“ mit sich brachte: Reparaturarbeiten am Haus, einen neuen Schweinestall, den Zaun um den Hof, die neue Kutsche, und dass auch Hermann dafür manche Unterschrift leistete, sei es, dass dies die Aufrechnung für die Ablieferung betraf oder die Befürwortung für einen Urlaub oder die Befreiung vom Frontdienst im Interesse der Bewirtschaftung irgendeines Bauernhofes. Sie wusste, dass sie sich irgendwie mitschuldig machte, aber sie sah außerhalb des ihr aufgezwungenen Lebens keine andere Möglichkeit als die, als Taglöhnerin auf einem anderen Hof zu arbeiten, und ein solches Leben von der Hand in den Mund und ohne ein gutes Wort der von ihr betreuten Männer schien ihr sinnlos … Und dass mit dem Verlust Bärbels dem Hof Hermanns der innere Halt genommen war, schien auch Stubenrauch zu wissen. Er hatte etwas Frühstück hingestellt, gleichsam als wollte er sich Hermann gegenüber von der versöhnlichen Seite zeigen, nachdem er ihm unmissverständlich seine Meinung gesagt hatte. Und nachdem sie ziemlich schweigsam gegessen hatten, schenkte Stubenrauch Schnäpse ein und sagte: „Wir sind also soweit einig, denk ich, entschuldige mich, ich möcht einmal hinüberschauen zu den Wollmars. Die Maria ist krank, ganz hohes Fieber, sagt die Mutter, sie ist mich darum angegangen, den Doktor holen zu lassen. Die Leute haben auch schon grad genug vom Krieg zu schmecken gekriegt, und so eine Botschaft wie jetzt wieder über die Maria, da geht es mir durch und durch.“

Hermann war sprachlos, und dann fragte er sich, ob das von Stubenrauch geäußerte Mitgefühl Maria und ihrer Mutter gegenüber echt oder nur zum Teil echt oder ganz und gar als Zeichen dafür gedeutet werden müsste, dass dieser Stubenrauch mit ihm, Hermann, umsprang wie die Katze mit der Maus. Doch die Antwort auf diese Frage verdichtete sich dann für ihn zu der Gewissheit: Im Ernstfalle ist er vielleicht der gefährlichste Feind von allen meinen Feinden. Hermann war so verwirrt, dass er stotterte: „Hoffentlich ist es nichts Ernsthaftes.“

Und so, im Gefühl hoffnungsloser Ausweglosigkeit, antwortete er auf alle Fragen der Leute im Dorf nach der Rückkehr der Ausländer: „Schreibt eine Eingabe, wenn ihr nichts dagegen habt, unterschreib ich auch.“ Und so unterschrieb er alle Eingaben, auch die für Leon und Iwan und die Russen, die bei ihm gearbeitet hatten, und brachte die Eingaben persönlich zu Rebtau. Dieser befürwortete die Rückkehr der Gefangenen, nur Iwan kehrte nicht zurück. Reidiger bekam einen anderen Mann, und Iwan wurde dem Schmied Ringelnatz als Zuschläger überwiesen. Am Abend saß Hermann Reidiger in seinem „Fremdenzimmer“, einer auf dem Boden für Gäste eingerichteten Kammer, Pläne schmiedend, Rachepläne, wartend auf den siegreichen Umschwung an allen Fronten durch den bevorstehenden Einsatz von „Wunderwaffen“, den letzten Trost und letzten Trumpf einer verzweifelten Propaganda. Hermann schaltete seinen Radioapparat ein, hörte die Nachrichten der deutschen Heeresleitung, und dann wusste er, Frankreich war so gut wie verloren, die Ostfront von neuem an vielen Stellen durchbrochen. Der Himmel war von Scheinwerfern zerrissen, das Brummen ganzer Geschwader feindlicher Bomber in der Luft. Zwischen dem Gebell der Flak in Glückstadt und um die Schamottfabrik war das Dröhnen dumpfer Bombeneinschläge zu hören, und über Nürnberg breitete sich ein heller Himmel aus durch auflodernde Brände.

Diese Passage aus „Der Landsknecht. Biografie eines Nazis“ gewährt einen schonungslosen Einblick in das Denken und Handeln eines opportunistischen Karrieristen, der Rücksichtslosigkeit, Frauenverachtung und Machtstreben zu seinem Lebensprinzip erhoben hat. Adam Scharrer zeichnet mit bitterer Ironie und messerscharfer Beobachtungsgabe das Psychogramm eines Mannes, dessen Aufstieg auf Betrug, Gewalt und Zynismus gründet – ein beklemmend realistisches Porträt aus den Schattenzonen deutscher Geschichte.

Joachim fühlte sich sicher. Der hab ich das Maul gut gestopft, stellte er zufrieden fest. Für die zwei Goldstücke hatte er von Scheffelfuß dreihundert Mark erhalten unter der Bedingung, dass über diesen Handel nicht geredet werden dürfe. Joachim konnte sich also schon „ein bisschen rühren“. Da er mit der Möglichkeit des Todes seiner Frau rechnete – ein Gedanke, der ihn weiter nicht bedrückte –, machte er einen Überschlag, was ihm die Heirat eingebracht hatte. Er sei durch sie doch ein gut Stück vorwärtsgekommen, sagte er sich. Bertha hatte immerhin die Möbel mitgebracht und den Gaul, den Joachim hatte beschlagen lassen und der nun wieder leidlich im Geschirr ging. Meine zweite Frau muss ein bisschen mehr bringen, nahm er sich vor. Und so, schon in einer ganz anderen Richtung denkend, war aller Respekt vor seinem Schwiegervater plötzlich verschwunden, und er kam sich vor, als wäre er in seinem eigenen „Comptoir“.

„Du verstehst das nicht?“, fragte er aufs tiefste beleidigt. „Du verstehst nicht, dass wir uns von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang schinden müssen wie das Vieh und dass das eine Frau, selbst eine von der Natur wie Bertha, einfach nicht aushält, na, weil halt, wenn man eben verheiratet ist, auch mit der Schwangerschaft der Frau zu rechnen ist? Aber vielleicht willst du auch nicht verstehen, was das für eine Frau heißt, trockenes Brot zu essen und vom Sonnenbrand ausgedörrt zu werden, dass sie einen Hitzschlag bekommt und mit einem Korb voll Obst von der Leiter fällt. Möchtest vielleicht noch mir die Schuld zuschieben, aber verlass dich drauf, die Leute hier im Dorf denken anders darüber. Sie verstehen einfach deine verfluchte Pfennigfuchserei nicht. Ich selber steh dabei wie ein Blödian und weiß keinen Rat … Und das muss anders werden …“

„Soo? Was muss denn zum Beispiel anders werden?“, fragte Ottenhaus höhnisch. „Oder soll ich dir vielleicht vorrechnen, was anders werden soll, du unschuldiger Engel, du?“, fuhr er dann fort. „Willst du mir vorreden, dass die Leute Gutes über dich und Schlechtes über mich sagen …? Und dieses Gerede bedrückt dich mit einem Mal, Joachim …? Früher hast du dir einen Dreck draus gemacht … Noch bis gestern hast du dir einen Dreck draus gemacht! … Und jetzt sag ich dir, was ich mir so denke: Dass aus der Bertha kein Wort herauszukriegen ist, das kommt mir verdächtig vor, arg verdächtig! Die ganze Geschichte kommt mir vor, na, wie soll ich sagen, beinahe wie ein Eisenbahnunglück …“

Das saß! Joachim fuhr das Blut zu Kopf und in die Nase, dass es ihm im Moment die Sprache verschlug. Er schnaubte sich verzweifelt. Ottenhaus musterte ihn mit einem durchdringenden Blick seiner kleinen katzengrauen Augen. Aber Joachim erholte sich rasch. „Du möchtest wohl miteinander vermischen, was nicht vermischt werden darf“, trumpfte er auf. „Nun, wenn es so ist, wenn du mir mit einem Eisenbahnunglück drohen willst, dann suche ich mir mein Recht wohl am besten woanders … Ich sag dir ganz offen, dass ich auf eine solche Niederträchtigkeit deinerseits nicht gefasst war … Vielleicht ist es überhaupt am besten, ich werde anderenorts wegen der tausend Mark vorstellig, die du mir noch schuldig bist, dort kannst du ja dann auch deine giftigen Redereien vorbringen …“

Ottenhaus saß völlig unerschüttert da und fuhr mit der Hand über die faltige Glatze, als verscheuche er eine Fliege. Gemächlich holte er seine Brieftasche hervor und zählte fünfhundert Mark auf den Tisch. „Hier, unterschreib!“, forderte er Joachim auf und hielt diesem seinen Füllfederhalter hin. „Du brauchst nicht etwa zu denken, Joachim, dass ich dir auch nur ein einziges Wort glaube. Dafür kenne ich dich doch zu gut. Leuten wie dir darf man nicht weiter trauen, als man ihnen nachschauen kann. Doch ich werd in Zukunft die Augen schon offenhalten, und glaub mir sicher, auch ich hab in Unterwalddorf meine Leute, auf die ich mich verlassen kann. Solltest du aber Lust verspüren, mich woanders zur Rechenschaft zu ziehen – wofür eigentlich, mein Sohn? –, dann bedenk vielleicht doch vorher genau, dass du in dem Augenblick ein erledigter Mensch bist, wo ich dich fallenlasse. Oder zweifelst du daran? Alles nämlich, was unter uns ausgemacht wurde, das ist ohne Zeugen besprochen worden, aber das – Eisenbahnunglück ist nicht ohne Zeugen passiert … Im Notfall sind die wohl auf meiner Seite. Und wie ich zu Henning steh, das weißt du auch … Aber alles hängt von dir ab. Da hast du also erst einmal fünfhundert Mark, die anderen fünfhundert kannst du zu Neujahr haben … Bild dir jedoch nicht ein, ich hätt etwa Angst vor dir. Nur wegen der Bertha … Nimm dir ein paar Leute für die Arbeit. Ich schick dir ’ne Frau zum Kochen und zur Aufwartung für die Bertha … Der Besuch bei dir war nicht grad angenehm, aber ich nehme auch das mit in Kauf. Im Übrigen: Solang die Bertha krank ist, werd ich kommen, wann es mir grad so passt …“

Wie konnte es geschehen? Die Rede ist von der millionenhaften Verführung zu Hass, Intoleranz und schließlich sogar zu Krieg. Antworten auf diese Frage lassen sich mindestens zwei Perspektiven zuordnen. Beide haben viel mit den fünf Sonderangeboten des heutigen Newsletters zu tun.

Das ist zum einen die historische Perspektive, wie sie in den Texten von Erich Weinert, Adam Scharrer und Friedrich Wolf nachzulesen und nachzuerleben ist – sowohl aus der Zeit des Ersten Weltkrieges wie aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Sie zeigen die Mechanismen er Beeinflussung, die die Menschen dazu bringen, andere Menschen und ganze Völker als ihre Feinde anzusehen, sie zunächst zu bedrohen und dann tatsächlich anzugreifen und Land und Leben zu zerstören. Das ist aus heutiger Sicht für viele Menschen sicherlich nur schwer zu verstehen. Da muss etwas ausgesetzt haben. Denn oft genug waren die Soldaten sogar freiwillig, begeistert und siegessicher in den Krieg gezogen und unterschätzten zugleich die Gefahr für sich selbst.

In jahrelanger Vorbereitung war ihnen das eigene Denken abgewöhnt und die Überzeugung angewöhnt worden, über anderen Menschen und Völkern zu stehen und das Töten als erlaubt anzusehen. Und nicht zuletzt müssen sie sich Vorteile versprochen haben – nach ihrer Rückkehr. Außerdem dürfte Angst eine große Rolle gespielt haben – Angst vor der Macht, Angst, nicht dazuzugehören, und nicht zuletzt auch Angst vor Verfolgung. In solchen Situationen ist es schwer, dagegenzuhalten und der allgemeinen Kriegsbegeisterung zu trotzen.

Damit sind wir bei der zweiten, der aktuellen Perspektive. Auch heute lässt sich eine zunehmende Kriegsbegeisterung sowie wachsender Hass und Intoleranz beobachten. Allerdings darf man es sich nicht zu leicht machen und in ein einfaches und vereinfachendes Schwarz-Weiß-Denken verfallen.

Denn die Weltlage ist in den letzten Jahrzehnten nach dem Ende der klaren Trennung von sozialistischer und kapitalistischer Welt komplizierter und unübersichtlicher geworden. Viele, schon lange schwelende Konflikte brechen jetzt mit umso größerer Gewalt hervor. Und immer öfter wird als Konfliktlösung Gewalt und das Liefern immer mehr und immer stärkere Waffen vorgeschlagen. Doch führt das tatsächlich zu einer Lösung oder nur zu einer Verlängerung der Auseinandersetzungen, zu einer Spirale der Gewalt, zu mehr Leid und Zerstörung?

E soll an dieser Stelle nicht gesagt werden, dass es einfach ist, Konflikte einzudämmen und Kriege zu beenden. Dafür ist oft genug leider schon zu viel passiert. Aber es darf wohl zumindest die Hoffnung geäußert werden, dass auch über gewaltfreie Lösungen und über das Menschenrecht auf Leben nachgedacht werden darf und muss – und zwar über das Menschenrecht auf Leben eines jeden Menschen, egal ob Mann oder Frau, ob Kind, Jugendlicher oder schon älterer Mensch.

Dieser Gedanke führt uns zu drei vier sehr aktuellen Fragen, die hier nicht abschließend beantwortet, aber immerhin gestellt werden sollen:

Wie lassen sich Vorurteile verhindern?

Wie lässt sich gesundes Selbstbewusstsein entwickeln, das mit Achtung und Respekt gegenüber anderen Menschen einhergeht?

Wie lässt sich das Erkennen von Fake News trainieren, um nicht gleich alles zu glauben, was man hört und sieht – also die Fähigkeit zum kritischen Beobachten sowie zum eigenständigen Denken und Handeln?

Was ist eigentlich das Gegenteil von Hass und Menschenverachtung? Und wie lässt sich dazu erziehen? Wie erwirbt man das Gefühl für Anstand und für ein rücksichtsvolles Miteinander?

Wie man sieht, dürften die Antworten auf diese Fragen nicht einfach sein. Aber es gibt sie. Und sie sind gerade in der Gegenwart dringender denn je.

Und noch was: Zum Einsatz gegen Hass und Intoleranz, gegen Gewalt und gegen Krieg gehört es, nicht zu schweigen, sondern den Mund aufzumachen, wenn es notwendig ist.

Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Die neue Lieferung soll diesmal mit der Eisenbahn verschickt werden. Hoffentlich kommt sie pünktlich bei den Leserinnen und Lesern an.

Zum Angebot des nächsten Newsletters gehört ein Buch von Dagmar Bulmann, Jahrgang 1955, mit dem sich die Autorin einen Kindheitstraum erfüllt hatte.

Im Mittelpunkt des erstmals 2007 veröffentlichten und im 3. Jahrhundert vor unserer Zeit spielenden historischen Romans „Agnodike und das Museion von Alexandria“ steht eine starke Frau in der Antike, die sich gegen viele Widerstände ihrer Zeit durchsetzt.

„1: Im Jahre 246 v. u. Z.

Tiefschwarze Wolken jagten am Himmel entlang und die heranrollenden Wellen hoben und senkten das Schiff mit einer den Naturgewalten innewohnenden Leichtigkeit. Bisher hatten sie eine ruhige Überfahrt, aber jetzt zog in der Ferne ein Unwetter heran. Die Sonne war verschwunden und tauchte den Tag in ein graues Schummerlicht, wobei das Wasser bedrohlich smaragdgrün aussah. Agnodike stand an Deck und suchte den Horizont ab. Vom Festland war noch nichts zu sehen. Um sie herum war nichts als Wasser und unendliche Weite. Wie sehr sehnte sie sich danach, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Unauffällig betete sie zu den Göttern, dass sie dem Unwetter entgehen mögen. Denn der Kapitän hatte ihr versprochen, dass sie mit ein wenig Glück noch rechtzeitig den Hafen von Alexandria erreichen könnten. Und tatsächlich hörte sie die ersten Möwen kreischen.

Erleichtert hob sie die Arme, als wollte sie nach den Vögeln greifen. Lange konnte die Fahrt nun ohnehin nicht mehr dauern. Die junge Frau atmete die salzige Luft tief ein und versuchte, sich etwas zu entspannen. Außerdem durfte sie sich jetzt nicht beklagen, wenn ihr Magen zu rebellieren begann. Schließlich hatte sie diese Reise gewollt.“

Was aber will Agnodike in Alexandria?

EDITION digital: Newsletter 25.07.2025 - Stalingrad und die 6. Armee, ein stilles Drama sowie ein Beispiel