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Die geheimnisvolle Videokassette Nummer sieben

Der Schriftsteller John U. Brownman bot jugendlichen DDR-Lesern ungewohnte Einblicke in die USA – mit einer Krimiserie

Zwei Autoren hatten Mitte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Idee, jugendlichen Lesern in der DDR die USA näherzubringen, vor allem Geografisches und Alltägliches. Diese beiden Autoren waren Hans-Ulrich Lüdemann und Hans Bräunlich. Als Mittel für ihre literarischen Reisen nach Amerika wählten sie ganz bewusst die Form des Kriminalromans. Und um glaubwürdiger zu wirken, wählten die beiden Schriftsteller ein Pseudonym, indem sie jeweils Teile ihrer Namen pur übersetzten. Auf diese Weise war der amerikanische Schriftsteller „John U. Brownman“ geboren.

Ehrensache war, dass das Team John U. Brownman nicht nur auf die Fantasie der beiden Autoren setzte: In jedem der auf zehn Bände konzipierten Krimi-Reihe sollte Wissen zugleich über einen weltbekannten US-Schriftsteller vermittelt werden. Die Fakten des Alltags dafür lieferte der VEB Globus - ein Zeitungsausschneidedienst, der als Dienstleistung dem jeweiligen Kunden monatlich deutschsprachige Artikel zu angesagten Themen wie Kriminalität oder Alltagsgeschichten in den USA oder Kuriosa in aller Welt zuschickte. Alles – die notwendige staatliche Befürwortung und auch die Bezahlung leistete der Kinderbuchverlag Berlin. An authentischem Material über die USA mangelte es also John U. Brownman nicht. Und als ersten Autor, der die USA-Krimis begleiten sollte, legten sie Jack London fest. Als entsprechende Lokalität wurde San Francisco und Umgebung ausgesucht.

Und dann wurde die Story verabredet. Die Aufgabe von Lüdemann war es, eine diskussionswürdige Vorlage zu schaffen, die er dann gemeinsam mit Hans Bräunlich in eine Druckfassung brachte. Die erste Story handelt grob umrissen vom Gewerkschaftsfunktionär Tom Eden, der den Betrügereien an ausländischen Hafenarbeitern seinen Kampf ansagt und schließlich eliminiert wird. Gemeinsam mit einem Schwarzen, dem ehemaligen Angehörigen der Green Berets, Anthony Lincoln, gelingt es Mike Eden, dem 12-jährigen Sohn des ermordeten Gewerkschafters, Licht in die dunklen Geschäfte des Syndikats zu bringen. Obwohl beide über wohlmeinende Helfer verfügen - am Ende stehen sie allein einer Übermacht gegenüber und sie müssen Hals über Kopf vor den Killern der Organisierten Kriminalität fliehen. Eine wichtige Rolle spielt in dem aktionsreichen Krimi der Deutsche Schäferhund Ringo, dem der an Bord seiner Jacht in die Luft gesprengte Gewerkschaftsboss zu Lebzeiten eine entscheidende Funktion hinsichtlich der geheimnisvollen Videokassette Nummer sieben zugedacht hatte.

 

Die beiden Auflagen des spannenden Krimis – 12.000 Exemplare als gebundene Ausgabe, 60.000 Exemplare als gleichnamiges Taschenbuch – waren schnell vergriffen. Dennoch setzte ein von der Treuhand eingesetzter Verlagschef diesen überaus erfolgreichen und spannenden Titel ab. Gegenüber den beiden Autoren gab er zur Begründung an: Sowohl „Tödliche Jagd“ (San Francisco & Jack London) als auch „Deckname Condor“ (New York & Edgar Allan Poe) hätten sich nicht verkauft.

Dazu passt eine Begebenheit, von der Hans-Ulrich Lüdemann durch seine langjährige Lektorin Hilga Cwojdrak erfuhr: Ein Rezensent habe sich beim Verlag beschwert, dass es doch ein fragwürdiges Gebaren sei, den Lesern von „Tödliche Jagd“ den Namen des Übersetzers aus dem Amerikanischen zu unterschlagen …

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