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Rentner-Disco von Gerd Bieker
Autor:
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
28.01.2022
ISBN:
978-3-96521-604-4 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 157 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Älterwerden, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Psychologisch, Belletristik/Liebesroman/Aktuelle Zeitgeschichte, Belletristik/Politik
Generationenromane, Familiensagas, Moderne und zeitgenössische Belletristik, Zeitgenössische Liebesromane, Familienleben, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Liebe und Beziehungen
Liebe, Trennung, Rentner, Familienleben, Schornsteinfeger, Bäcker, Disco, Senioren
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„Du schindest dir die Jugend aus dem Leib. Für nichts und wieder nichts.“ Ohne alle Umstände ist die Oma bei ihrem Thema angelangt. „Na, was denn? Des Geldes wegen? Erzähl mir nichts! Du hast dein Auskommen. Ist doch wahr! Ich sag nichts, wenn du dich nützlich machst. Sich regen bringt Segen, und Arbeit macht das Leben süß, soweit gut. Aber bei dir artet es aus. Ich meine, deinem Herumwirtschaften fehlt der Sinn, das ist es. Weil du es nur aus reinem Trotz tust, darum.“

„Oma, ich muss! Meine Hände jucken, die brauchen das, versteh mal.“

„Ach du! Wie gern möchte unsereins mal mit seinem Enkel in die Stadt, die Einkaufsläden unsicher machen oder einfach nur so dahinbummeln, sich dieses ansehen, jenes. Meinetwegen in ein Museum, das Zeug aus früheren Zeiten bewundern. Ins Kino. Auf Kaffee und Tortenstück ins Restaurant. Herrje, da haust man nun in der großen Stadt, aber wann hat der Enkel seine Oma in der letzten Zeit mal aus dem Haus geführt?“

Rosel fuhrwerkt zwischen den Kartoffelschalen im Spülbecken umher, dass es nur so spritzt.

Tom schweigt. Er weiß, dass die Oma das nur sagt, um ihm eine Freude zu machen. Ihr liegt an alledem nichts. Trotzdem hat sie recht, die gute Oma. Mit Angeboten solcher Art wird Rosel Handschuk von ihm nicht verwöhnt. Vielleicht hat er bisher wirklich nur mit sich zu tun gehabt, nur seinen Idealen gelebt, den egozentrischen Eigenbrötler mitsamt Psyche gehätschelt, ohne sich um anderer Menschen Freude und Kummer zu scheren.

Das Anstehen vor der Stadthalle hat Tom im Nachhinein sehr nachdenklich gestimmt. Oft auch hat er in den vier Tagen seither an Jana denken müssen. Er hat sie mit den Mädchen an Beatrices Oberschule verglichen. Bis auf wenige Ausnahmen sind sie hübscher, aber die Jana scheint wiederum das zu besitzen, was er bei Beatrice vergeblich sucht: Seele, oder wie man’s auch immer benennen mag.

„Ich versündige mich“, ereifert sich Rosel Handschuk weiter, „aber ich bin froh, dass es dich am Arm erwischt hat. Endlich musst du daheim sitzenbleiben. Musst dich ausruhen. Es wäre bei der Gelegenheit nicht schlecht, dein bisschen Grips für die letzten Prüfungen aufzubessern. Dazu haben sie euch schließlich freigegeben.“

„Das schaffe ich mit links“, sagt Tom. „Wenn ich will, mit Fleißbienchen und großem Stern.“

Die Oma seufzt. „Bei diesen Elternabenden sagen deine Berufsschullehrer jedes Mal über dich: ,Hochintelligent, aber stinkend faul.‘ Du hast mich schon oft in die Zwickmühle gebracht. Konnte ich ihnen denn auf die Nase binden, was du für ein Arbeitstier bist? Nur vor zwei Jahren, da war es genau umgedreht …“

„Als ich dir auf einmal zum Zehnklassenabschluss lauter blanke Einsen präsentierte?“

„Für ein Abitur hätte das vielleicht sogar gereicht. Der beste Fahrschein auf die Universität war das … Aber der Herr Enkel musste ja partout seinen Spleen durchsetzen: auf die Häuser steigen wollen, die dreckigste Arbeit machen, den Rußputtel spielen für andere Leute. Das Herz bleibt mir armen Frau stecken, wenn ich nur daran denke ... Tag um Tag … Dabei hätte einem wie dir der Doktor offengestanden, Junge.“

„Damals, zum Schulabschluss, waren die Schlachten um meinen Beruf geschlagen, ich hatte schon gewonnen und meinen Lehrvertrag mit Schornsteinfegermeister Ullrich so gut wie in der Tasche. Ich stand demnach überhaupt nicht mehr unter irgendwelchem Leistungsdruck, sondern sagte mir: Jetzt zeigst du es dir und den anderen, was in dir steckt. Ich wollte mich ausloten, mein Leistungsvermögen testen. Und außerdem, das war der Hauptgrund, sollte es für dich zum Geburtstag eine Art Geschenk sein, Oma.“

„Alle lobten dich über den grünen Klee.“ Rosel Handschuk hängt den Erinnerungen nach. „Ich konnte deinen Eltern schreiben, dass es ihr gescheiter Sohn mit Bravour geschafft hat. Das war für mich das Allerschönste …“

„Wenn du willst, Oma, verehre ich dir diesmal einen Berufsschulabschluss der Sonderklasse. Speziell für dich.“

„Du musst es wollen, für dich. Du musst endlich Linie hineinbringen in dein Hirn.“

„Stimmt“, sagt Tom spontan.

Er ist seiner Sache völlig sicher: Die Prüfungen in der zentralen Berufsschule wird er mit ausgezeichnet schaffen. Daraufhin kann er seine berufspraktische Prüfung vorfristig ablegen, so lautet die anspornende Regelung. Bald nach Pfingsten wird er sich den schwarzglänzenden Zylinder aufsetzen dürfen: Herr Facharbeiter.

Misstrauisch blickt die Oma zu ihm herüber, weil er ihr beipflichtet, statt ihr zu widersprechen. Sollte er endlich zur Vernunft kommen? Nicht auszudenken wär’s!

Sie wirft ihm, Einsicht will belohnt werden, noch eine Kartoffel hin.

Tom ist verändert, seit er mit dieser Verwundung heimkam. Das hat Rosel Handschuk gleich gemerkt. Gerade deshalb redet sie dauernd mit ihm, in der Hoffnung, er möge endlich aus seiner unirdischen Welt, die er sich zurechtgebastelt hat, herausfinden. Endlich einen anständigen Weg finden aus diesem Zwist – man bedenke! – mit den eigenen Eltern.

Nein, wahrhaftig nicht zum Vergnügen zankt sie mit ihm, dem anstelligen und geschickten Riesenkind, das ihr mittlerweile mehr ans Herz gewachsen ist als der eigene ferne Sohn …

Rentner-Disco von Gerd Bieker: TextAuszug