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Wir vier Freischärler der Innung stehen in Bereitschaft, doch Hauptmann Richard hält am Eingang ordensbesät und ganz allein mit strengem Blick die Ordnung aufrecht. Er grüßt mit unpersönlicher Würde herüber, als wären wir Diplomaten von der Insel und nicht Burschen seiner Ordnungsgruppe. Noch immer ist hier Nach-Ostern
Mittags muss ich zur Schicht in die Felder. Wie abgemacht, kutschiere ich vorher mit dem Dieselliesel auf einem geschmückten Anhänger die Kindergartengruppe meiner Mutter ins Grüne, nach alter Tradition. Als ich noch in den Kindergarten ging, zuckelten wir gemütlich mit Pferdegespannen und mit Gesang hinaus: Immer lebe die Sonne, immer lebe die Mutti! Heute brauchen die Knirpse ihre ganze Kraft, um sich festzuhalten, damit sie nicht von den blankgerutschten Sitzbrettern gerüttelt werden.
Am Konsum stoppe ich meine Fuhre. Dort steht mutterseelenallein die Gisa Meixner, ihr Baby auf der Hüfte, und tut so, als gäbe es im Schaufenster was zu beschauen.
Schwing dich auf, Mutti.
Sie kann sich noch kindlich freuen. Lässt ihre hellen Augen strahlen wie Scheinwerfer.
Meine Mutter blickt bitterböse weg und hebt nur widerstrebend die braune Nicoletta auf den Schoß, damit Gisa über die Planke hochklettern kann. Nachher, auf dem Rastplatz unter der Dorflinde, nimmt sie mich tuschelnd ins Gebet: Was soll das heißen? Wärmst du alte Geschichten auf? Bilde dir bloß nicht ein, dass ich dem Schokoladendrops die Großmutter spiele.
Sie befindet sich in der Klemme: Im weitesten Sinne ist Nicoletta ein Erzeugnis der Völkerfreundschaft, von der meine Mutter den Wichtelmännern ihrer Kindergartengruppe so hübsch zu erzählen und zu singen weiß.
Die Kleinen scharen sich um das braune Baby. Sie beobachten stumm und wissbegierig, wie Gisa mit größter Selbstverständlichkeit den Pulli halb hochstreift und ihrem Kind die Brust gibt.
Mutter Christa erblasst. Ist denn das die Möglichkeit!
Soll man nicht stillen, solange es geht?, frage ich. Mir gefällt das friedvolle Bild: Die Sonne sprüht durch das Astwerk, und unter dem Klöppelschatten der Dorflinde sitzt inmitten einer andächtigen Rasselbande ein Mädchen aus meiner ehemaligen Klasse als Madonna. Wie auf alten Gemälden. Durch die Schwangerschaft ist Gisa füllig geworden, wie eine richtige, reife, verheiratete Frau.
Schamlos! Scham-los!
Das mütterliche Gezischel verdirbt mir den zauberhaften Anblick. Jetzt lass aber die Katze im Sack!, sage ich und gehe demonstrativ zu Gisa hin.
Ich muss losrollen, Gisa. Von dieser Kindergartentante da lass dir nichts bieten, kapiert?
Aber das ist doch deine Mutti "
Du bist jetzt auch eine Mutti. Dein Schokomädchen ist sogar das allerschönste.
Keine Angst, sagt Gisa und birgt ihre Brust wieder unter dem Pullover. Mich legt man nicht mehr so bald aufs Kreuz. Ich kann mich allein durchboxen. In dreimal zehn Monaten bekommt sie Nicoletta sowieso in ihren Kindergarten.
Bist du der Papi?, will eins von den Kleinen wissen.
Du lieber Himmel!, ruft Mutter Christa spitz.
Schön wärs, ihr Engelchen, schön wärs, sage ich etwas naiv, winke und fahre zur Schicht.
Für meine Mutter Christa schäme ich mich sehr.